aus der Reihe: Perlen am Wegesrand der Berchinger Stadtgeschichte
© Dr. Werner Robl, Berching 2012
Die Stadtpfarrkirche Mariä Himmelfahrt liegt im südöstlichen der durch die beiden sich kreuzenden Hauptstraßenzüge der Innenstadt gebildeten Viertel, beim Dr.-Martin-Grabmann-Platz. Hier, im Berching rechts der Sulz, stand im Frühmittelalter nur ein kleiner Kirchenbau, seit 1422 als Liebfrauenkapelle urkundlich erwähnt, welcher um 1488 eine erste Erweiterung im Sinn einer frühgotischen Chorturmkirche erfuhr.
Um 1515 wurde diese bis dato eher unbedeutende Kapelle um eine Prädikantenstelle massiv aufgewertet und baulich um zwei Seitenkapellen erweitert. Im Jahr 1519 erfolgte dann die Weihe von drei Altären in der Liebfrauenkirche, die damit zur Stadtpfarrkirche erhoben wurde. Mauernumwehrt war sie jedenfalls sicherer als die vormalige Stadtpfarrkirche St. Lorenz. Dies alles fand kurz vor dem reformatorischen Sturm und dem relativen Niedergang des Katholizismus in Deutschland statt.
In den Jahren 1524/25 wurde Berching ein Brennpunkt der Bauernkriege, d. h. die Stadt wurde vom sogenannten Obermässinger Bauernhaufen belagert. Im Gegensatz zum schwer in Mitleidenschaft gezogenen Kloster Plankstetten überstand die Stadt die Belagerung dank ihrer hohen Stadtmauer und der mutigen Bürgerwehr schadlos. Im Jahr 1525 wurden die Rädelsführer gefasst, z. T. hingerichtet und die Bauern zu schweren Strafzahlungen und Frondiensten verurteilt. Damit war jeglicher Widerstand gebrochen.
Die Verlegung des Pfarrsitzes in die Stadt rechts der Sulz war also gerade noch rechtzeitig erfolgt, die Errichtung der Stadtmauer mit ihren 12 Türmen ebenso. Sie hatte der vorausahnende Fürstbischof Wilhelm von Reichenau schon zwischen 1464 und 1496 erbauen und wenig später mit Wallbüchsen und kleinen Kanonen ausstatten lassen.
Hundertzwanzig Jahre später, im Dreißigjährigen Krieg 1618-1648, kam Berching nicht mehr ungeschoren davon. Die Stadt wurde 1633 und 1634 von den Schweden unter dem Oberst Sperreuter besetzt, geplündert und zum Hauptquartier erklärt, es brach eine Hungersnot und wenig später auch die Pest aus. 1640 fanden weitere Besetzungen statt. So berichten es zumindest alte Chroniken. Die Kunde, dass im Dreißigjährigen Krieg die gesamte Vorstadt abbrannte, läßt sich nicht weiter erhärten.
Erste Baumaßnahmen an der Stadtpfarrkirche nach den Kriegswirren, zwischen 1661 und 1663, beschränkten sich in der Hauptsache auf Reparaturen. In den Jahren 1684 und 1685 erfolgte dann wie bei St. Lorenz der Umbau durch Johann Baptist Camesino, nach den Plänen von Jakob Engels. Die Kirche erhielt am Ostende des Schiffs zwei rechteckige Kapellenanbauten mit halbrunden Conchen im Inneren, außerdem wurde in den Turm ein neuer Chor eingebrochen und ein neues Portal errichtet.
Diese Kirche wies bereits 1742 derartige Schäden auf, dass die Berchinger Bürgerschaft in Eichstätt um einen Neubau bat. In den Folgejahren wurden Gutachten erstellt, in deren Zusammenhang wir illustre Namen der fürstbischöflichen Baukunst in Eichstätt finden: Es liegen Gutachten vom fürstbischöflich-eichstättischen Baudirektor Gabriel de Gabrieli aus Roveredo in Graubünden vor, von seinem Interims-Nachfolger, Bauinspektor Matthias Seybold, vom Ingolstädter Stadtbaumeister Michael Anton Prunnthaler. Alle plädierten für einen Neubau, brachten ihn jedoch nicht zur Ausführung.
Im März 1750 wandte sich die Bürgerschaft abermals an den Fürstbischof, der sich nun höchstpersönlich nach Berching begab, um sich von der Baufälligkeit der Kirche zu überzeugen. Es war nun dem neuen eichstättischen Baudirektor Maurizio Pedetti aus der Provinz Como vorbehalten, das Werk anzupacken. Am 8. März 1751 legte er seine Risse und Überschläge dem Geistlichen Rat vor. Bekannt geworden ist Pedetti vor allem durch seine Großbauten, z. B. als Erbauer des Schlosses Hirschberg und des Eichstätter Residenzplatzes, der heute als einer der schönsten spätbarocken Stadtplätze in Deutschland gilt.
Pedettis Pläne für Berching fanden für ein schwieriges architektonisches Problem eine elegante Lösung: Die Vorgänger-Kirche war insgesamt für die Einwohner Berchings zu klein geworden, konnte jedoch weder komplett abgerissen noch in der Länge vergrößert werden. Dieser Umstand gefährdete umbaumäßig nicht nur die Statik, sondern auch die innere Harmonie des Kirchenraums. Pedettis Pläne sahen eine Erhöhung und Gliederung des Langhauses durch jonisierende Doppelpilaster sowie den seitlichen Anbau von zwei geräumigen Kapellen vor. Zusätzlich musste der Hochaltar aus dem dunklen Chor ins Schiff vorgerückt und zwei Freipfeiler zur Abgrenzung des Altarraumes eingestellt werden, was wiederum ein Platzproblem für die Seitenaltäre ergab, die bei normaler Platzierung hinter den Säulen aus dem Blickwinkel des Betrachters verschwunden wären.
Pedetti plante diese ganz flach ausgeführt und stellte sie unkonventionell vor die neu errichteten, um des Blickes willen relativ filigran ausgeführten Freisäulen.
Unter Berücksichtigung von Änderungswünschen des Fürstbischofs zeichnet Maurizio Pedetti am 28. August 1753 den endgültigen Plan. Als zusätzliche Neuerung fand sich jetzt auch ein Westanbau mit Emporen und seitlichen Eingängen. Nachdem man ab 1752 in Berching Gelder zum Umbau gesammelt hatte - mit den Pettenkofers als betuchte Weinhändler und Bürgermeister an der Spitze -, begann man am 6. Juni 1755 mit den Arbeiten. Schon ein Jahr später, Mitte August 1756, wird das Dach aufgerichtet. Am 4. September 1758 teilt Stadtpfarrer Johann Martin Zinsmeister mit, dass der Bau voraussichtlich in drei Wochen fertig sein werde. Zwei Jahre später wurde das Emporengestühl eingebaut. Die feierliche Konsekration durch Fürstbischof Raymund Anton Graf von Strassoldo (1757/81) fand am 15. Mai 1760 statt. Die Ausstattung der Kirche zog sich noch bis 1785 hin.
Entstanden war ein relativ schlichter, durch flache Pilaster und Lisenen gegliederter Außenbau, wobei sich an den frühgotischen Turm, dessen Obergeschoß mit Klangarkaden noch aus der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts stammt, nach Westen das rechteckige Langhaus anschloss, dessen Grundbestand wiederum in die Zeit um 1500 zurückreicht. Neu waren die durch Pedetti hinzugefügten Kapellen, die durch ihre Größe die Wirkung eines zentralen Querschiffes erreichten. Der westliche Anbau belebte durch abgeschrägte Ecken und die beiden Hauptportale das Architekturbild. In Nischen über den Portalen befinden sich seitdem Holzstatuen der Bistumspatrone Willibald (Norden) und Walburga (Süden).
Wer heute das Kircheninnere betritt, dem wird schlagartig klar, was damals vor dem Neubau keineswegs klar sein konnte:
Das Platzproblem war von Pedetti nicht nur gelöst worden, sondern es war insgesamt ein unkonventioneller, aber äußerst harmonischer, gefälliger Raumeindruck entstanden. Die Berchinger Stadtpfarrkirche wird deshalb nicht zu Unrecht als "der schönste Kirchenbau im Oeuvre des Maurizio Pedetti" bezeichnet.
Noch ein paar Details zur Innenausstattung:
Die Rokoko-Deckenstuckatur im altbayerischem Zopfstil stammt von Eichstätter Hofbildhauer und Hofstukkateur Matthias Seyboldt, das zentrale Deckengemälde vom Eichstätter Kunstmaler Johann Michael Baader (1758), die Altarbilder vom Eichstätter Bürgermeister und Maler Johann Willibald Wunderer.
Im großen Deckengemälde erkannt man König David als Harfenspieler sowie die Vertreter der Erdteile, die der Himmelskönigin huldigen.
Der Hochaltar mit sechs der typisch-eichstättischen, in opaquen Brauntönen gehaltenen Kompositsäulen enthält überlebensgroße Figuren der Diözesanheiligen, des heiligen Willibalds und seiner Schwester Walburga.
In den Seitenaltären finden sich rechts Figuren der Heiligen Joachim und Anna, links Johannes' des Täufers und Moses'.
Der Taufstein stammt noch aus dem Vorgängerbau, er wurde 1684 vom Bildhauer Anton Gruber geschaffen.
In der Kirche befinden sich auch einige wertvolle Epitaphien:
Das wichtigste ist links vorne im Kirchenschiff das Grabdenkmal des Propstes Georg Keller und seiner Gattin Helene Sauerzapf. Es ist ein Werk des berühmten Renaissance-Bildhauers Loy Hering (1484-1554), der u. v. a. im Eichstätter Dom die Großstatue des heiligen Willibald schuf.
Weitere Epitaphien stammen vom Berchinger Bildhauer Ludwig Raab, von nur gering minderer Qualität, z. B. rechts der Grabstein des Stadtpfarrers Franz Melchior Bößl, links des Propstes Johann Christoph Schrehl.
Noch ein paar Anmerkungen zu den "Tönen" der Kirche:
Die Glocken stellen ein harmonisches 7stimmiges Geläute aus Bronzeglocken dar, eine davon, die sog. "Angst", stammt noch aus der Zeit um 1300, zwei weitere von 1590. [Link 1] [Link 2]
Seit 1996 besitzt die Stadtpfarrkirche Mariä Himmelfahrt eine neue Orgel der Orgelbaufirma Hubert Sandtner aus Dillingen an der Donau, mit 29 Registern und 128-facher Setzer-Anlage. Das Hauptwerk ist im historischen Gehäuse aus der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts untergebracht. Die Sandtner-Orgel hat sich aufgrund ihrer Klangvielfalt durch zahlreiche Konzerte etabliert, renommierte Organisten konnten bisher zu Konzerten gewonnen werden. Ebenso gastierten namhafte Chöre wie die "Regensburger Domspatzen" oder der "Münchner Frauenchor" in der Stadtpfarrkirche.
Besonders originell ist das 252 Jahre alte, grobschlächtige Emporengestühl, ein ganz seltenes Exemplar zur Demonstration früherer "Leidensfähigkeit" beim Kirchenbesuch! Platz nehmen mussten hier die Dienstboten und einfachen Leute. Der auf dem Bild sichtbare, abgetrennte Sitzplatz mit der Jahreszahl 1760 war wohl für den Wasenmeister reserviert. Er musste einst als Mitglied einer "unehrlichen" Zunft [Link] Distanz zu den sonstigen Gläubigen halten.
Der neue Volksaltar mit Ambo und der alten Lorenz-Reliquie unbekannter, wahrscheinlich "Nürnberger" Provenienz [Link] wurde erst am 21. November 2011 eingeweiht. Der kubistische Entwurf stammt vom Eichstätter Künstler Günter Lang. An diesem neuen Altar scheiden sich derzeit die Geister. U. E. wäre man angesichts der barocken Stilreinheit der Kirche gut beraten gewesen, Modernismen zu vermeiden und den Blick auf den Hochaltar nicht zu sehr zu verstellen. Der neue Altar mit seiner Wucht und dem vor allem bei Kunstlicht auffallenden Gelbstich des Gesteins harmoniert jedenfalls wenig mit dem restlichen Kirchenraum; wir halten ihn deshalb für eine eher unpassende Lösung. Dass die in ihn integrierte Lorenz-Reliquie nicht hierher, sondern in die St.-Lorenz-Kirche gehört, darüber wurde bereits andernorts berichtet!