Eine angevinische Planstadt des 10. Jahrhunderts, die in den Kinderschuhen stecken blieb:

Das Oppidum von Le Pallet in Westfrankreich (um 984 n. Chr.)

Einzeichnungen von Peter Klink, Erklärung von Werner Robl

 

Im Jahr 984 n. Chr ließ der angevinische Graf Gottfried Graumantel (gest. 987 n. Chr.) im Rahmen einer Neukolonisation der "Pays de Mauges" seine Truppen weit nach Westen bis an den Grenzfluss Sèvre vorrücken und dort als Zeichen seiner Macht einen mächtigen Donjon errichten. Zu diesem Zeitpunkt hatte der Burghügel von Le Pallet bereits eine lange Tradition: Ursprünglich an der Römerstraße von Nantes nach Poitiers gelegen, war er im 5. Jahrhundert Sitz eines westgotischen Bischofs gewesen. Daher auch der bezeichnende Name: Le Pallet bedeutet nicht als "der Palast"!

Als Gottfried Graumantel mit seinen Kriegern hierher vorrückte, war eine Wiederbelebung des Ortes und eine dauerhafte angevinische Niederlassung an der Grenze zur Bretagne geplant - mit einer stark befestigten Grenzstadt. Aufgrund einer wechselhaften und manchmal widrigen Geschichte, die wir in einer großen Chronik beschrieben haben, blieb diesem militärischen Außenposten des Anjou jedoch nur ein kurzes Intermezzo beschieden, und Le Pallet kehrt alsbald in das Herzogtum Bretagne zurück. Das mittelalterliche Oppidum von Le Pallet, in dem im Jahr 1079 n. Chr. der berühmte Philosoph und Theologe Peter Abaelard geboren wurde, kam dabei nie über die Größe einer Dorfgemeinschaft hinaus. Heute ist Le Pallet eine aufstrebende Winzer-Gemeinde, Zentrum des Weinbaugebietes "Sèvre-et-Maine", das für seinen Weißwein "Muscadet" berühmt ist.


"La Butte du Pallet" mit dem ruinösen Donjon und der Kapelle Sainte-Anne. Blick nach Süden, Aufnahme von 2004.

 

Peter Klink war so freundlich, den Ort Le Pallet bezüglich seiner Planungssituation zum Ende des 10. Jahrhunderts zu überprüfen und dabei die Frage zu klären, ob auch hier die Pentagramm-Technik zur Anwendung kam. Untersucht wurden als erstes die Ortsverhältnisse, wie sie der Napoleonische Katasterplan von 1815 wiedergibt:

Einzeichnungen durch Peter Klink, Kolorierung und Nummerierung durch Werner Robl

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Es folgt die Quintessenz der Klink'schen Analyse:

 

Folgende Satellitenaufnahme gibt die angesprochenen Landmarken und Messpunkte nochmals plastisch und etwas genauer als der Katasterplan wieder:

Einzeichnungen durch Peter Klink, Kolorierung der Pentagramme durch Werner Robl

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Resümee:

Gerade im Fall von Le Pallet, bei dem spätere Überfremdungen des Ortsbildes ausscheiden, erweist sich die Belastbarkeit der Klink'schen Entdeckungen. Kein Zweifel: Das Terrain von Le Pallet wurde gegen Ende des 10. Jahrhunderts mit Lichtachsen und Pentagrammen exakt erfasst und planerisch für den Bau des Oppidum und des Donjon vorbereitet! Diese Erkenntnis erlaubt sogar Rückschlüsse auf noch frühere Zeit, z. B. auf den Verlauf der alten Römerstraße Nantes-Poitiers oder die Lage des westgotischen Bischofspalastes.

 

 

Die Stadt Glurns im Vintschgau (entstanden um 1300)

 

Die Stadt Glurns im südtiroler Vintschgau mit nur 897 Einwohnern ist eine der kleinsten und malerischsten Städte der Alpen. Schon zur Römerzeit ein Verkehrsknotenpunkt an der Via Claudia Augusta, entwickelte sich Glurns ab dem 13. Jahrhundert zur Stadt, wurde deswegen auch mit einer Stadtmauer umgeben und stellt heute eine der großen Touristenattraktionen Südtirols dar.

 

Dass Glurns als Stadt nach dem Pentagramm-Prinzip entwickelt wurde, und dabei eine Reihe von Unterpentagrammen an den Spitzen des Hauptpentagramms eine besondere Rolle spielen, zeigt folgende Analyse von Peter Klink aus dem Frühjahr 2016:

Peter Klink schreibt dazu:

Glurns - Glorenza, die kleinste Stadt Italiens

Glurns wurde bereits 1294 als befestigter Ort erwähnt. Auf das Stadtrecht deutet erstmals eine Urkunde aus dem Jahre 1304 hin. Unmittelbar an einem ehemals römischen Verkehrsknotenpunkt erreicht die aufgehende Wintersonne parallel zur Etsch am 21.12. des Jahres die Stadt zum Sonnenaufgang.

Die Planungsgeometrie:

Vom Schludernser Tor verläuft die Achse eines Pentagramms zum westlichen Wehrturm, welcher in Lage und Abstand über die beiden westlichen Unterpentagramme definiert ist. Eine Besonderheit in Glurns ist die Gasse "Im Winkel". Nichts deutet bei der gekrümmten Gasse auf eine Verwinkelung hin. Der Kreisbogen ist vom westlichen Wehrturm aus geschlagen und nimmt seinen Radius am östlichen Innenpentagon auf. Die beweist einmal mehr, dass mit dem Begriff "Winkel" in der Stadtplanung eine Konstruktionslinie gemeint war, welche später als freie Gasse oder Ettergasse, oder auch als Winkel (süddeutsch = Winkele) bezeichnet wurde.

 

Bei soviel Wissen über die Prinzipien der Stadtplanung, das um 1300 in der Stadt Glurns vorhanden war, nimmt es kein Wunder, wenn sich dort auch Wandfresken finden, die dem Pentagrammprinzip folgen. In einem der Glurnser Laubengänge entdeckte Peter Klink nebenstehende Bild des heiligen Christophorus aus der Zeit der Gotik. Dass sich der unbekannte Meister, der dieses Wandbild schuf, perfekt der Zeichensprache des Pentagramms bediente, klärt Peter Klinks Bildanalyse an anderer Stelle. Dazu bitte auf das Bild klicken!

 

 

Die Lagunenstadt Venedig (Ende 12./Anfang 13. Jhd.)

Bilder und Beschreibung von Peter Klink, Einleitung von Werner Robl

Das folgende Kapitel über Venedig hat Peter Klink zwei Personen gewidmet, die ihn bei seinen Arbeiten zur mittelalterlichen Stadtplanung wesentlich unterstützt haben: Herrn Dr. Ing. Hannes Eckert, der Peter Klink als Professor am Centro Europeo in Venedig im Jahr 1989 unterrichtete, und Herrn Prof. Klaus Humpert aus Freiburg, der über die mittelalterliche Stadtplanung bereits selbst Bücher und Artikel veröffentlicht und Peter Klink zu Beginn seiner Stadtplanungsaktivitäten mit Rat und Tat zur Seite gestanden hat.

 

Das heute zum UNESCO-Weltkulturerbe gehörende Venedig entstand im 12./13. Jahrhundert in einer natürlichen Lagune der Adria als Planstadt großen Stils. Ein geschlängeltes Priel des Flusses Brenta blieb dabei überbauungsfrei und sorgte künftig als "Canal grande" nicht nur für den nötigen Wasseraustausch in der Stadt, sondern diente zugleich aus Hauptverkehrsachse. Das überbaute Stadtareal überspannte einige Inseln der Lagune, die schon seit der Zeit der Ostgoten und Langobarden besiedelt gewesen waren und ab ca. 800 n. Chr. bereits eine kommunale Einheit unter Führung eines Dogen gebildet hatten. Das Salzmonopol auf der einen und die Verehrung des heiligen Evangelisten Markus auf der anderen Seite, dessen Reliquien 828 n. Chr. von Alexandrien in die Lagune gebracht worden waren, verhalfen der Inselgemeinde zu derartigem Reichtum, dass schließlich die Planstadt im erforderlich großen Umfang entstehen konnte.

Der genaue Enstehungszeitpunkt des Stadtplans von Venedig, der sich bis heute nicht mehr wesentlich geändert hat, ist umbekannt. Sicher ist indes, dass er von Landvermessern mit Hilfe von Planungspentagrammen und jenen Kreissegmenten professionell entworfen wurde, deren Erforschung der Verdienst des eingangs erwähnten Prof. Humberts ist. Das Ausstecken des künftigen Stadtareals dürfte in der Lagune keine besonderen Umstände gemacht haben, denn die Wassertiefe war, selbst wenn die mittelalterliche Warmzeit eine Zunahme zur Folge gehabt haben sollte, immer noch relativ gering und die offenen Wasserflächen erleichterten die Vermessung eher als dass sie sie behinderten. Entscheidend aber war die Gründung der neuen Stadtviertel auf Millionen von istrischen und kroatischen Eichenpfählen, die im lehmigen Untergrund der Lagune den zum Tragen von Lasten nötigen Halt fanden, unter Sauerstoffabschluss nicht verfaulten und Venedig so zu dem machten was es heute noch ist: Eine Stadt im Wasser, auf Stelzen!

Es folgen nun die Pläne von Peter Klink mit seinen Erläuterungen:

Venedig und sein Planungspentagramm

Stadtplaner Prof. Klaus Humpert unterstrich in seinem Werk von 2001 "Die Entdeckung der mittelalterlichen Stadtplanung - Das Ende vom Mythos der gewachsenen Stadt" bereits die Bedeutung radial angelegter Kanalstrukturen in Venedig. In der Tat ist der "Canal Grande", die Lebensader der Stadt, in seinem Verlauf auffallend in gekrümmte und in linear verlaufende Abschnitte unterteilt. Wo die Radien ihre Zentren haben und wie sie die Planungspentagramme von Venedig mitbestimmen, wird nun anhand von mehreren Skizzen erklärt und bewiesen.

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Das Hauptpentagramm von Venedig liegt mit seiner nördlichen Querachse (1) parallel zum Mittelteil des "Canal Grande". Die südliche Querachse, die die beiden Südspitzen begrenzt, beginnt am Ende des Kanals und verläuft dann parallel zum Ufer des Platzes von "San Marco" (2). Die Mittelsenkrechte beginnt in der nördlichen Spitze (3) an der "Chiesa di San Geremia" und verläuft leicht nach Südost durch das Portal von "San Stefano" am "Campo San Stefano" (4).

Die Punta della Dogana am 26. Dezember.

Zieht man am Stefanstag (26. Dezember nach dem Julianischen Kalender oder 1./2. Januar nach dem Gregorianischen Kalender) eine Linie vom besagten Portal in Richtung Sonnenaufgang, so folgte diese Linie nicht exakt der Kirchenachse, sondern trifft exakt die große, goldene Kugel auf der "Dogana da Mar", an der "Punta della Dogana" vor der Begrüßungskirche "Santa Maria della Salute" (5).

Eine zweite wichtige Sonnenaufgangsachse führte am Festtag des Stadtpatrons Markus (julianisch 26., gregorianisch 31. Januar, Verbringung der Gebeine des Evangelisten von Alexandria nach Venedig) vom nördlichen Innenwinkel des Pentagramms am "Canal Grande" direkt zur "Piazza San Marco" und zum Hauptportal der Markus-Kathedrale und querte den Dogenpalast in Höhe der berühmten Seufzerbrücke. Im weiteren Verlauf zeigt diese Achse übrigens direkt nach Antiochia, dem Zielort von Markus' erster Reise zusammen mit dem Apostel Paulus. Ob dies ein Zufall ist, muss man offen lassen.

An diesen Lichtachsen orientierte sich letztlich die komplette Stadtgeometrie von Venedig. Auf obigem Plan von Venedig erkennt man auch ein zentrales Unterpentagramm in Rot. Der nördliche Schnittpunkt von dessen Achsen ist zugleich Zirkelpunkt (4) des Umkreises zum Westufer des "Canal Grande". Das gelbe Unterpentagramm oben birgt den Zirkelpunkt(3) des nördlichen, bogenförmigen Kanalverlaufs. Die südliche Spitze des roten Unterpentagramms definiert den östlichen radialen Uferbereich der Insel "Guidecca". Der Radius entspricht der Entfernung zum "Portale San Stefano".

Es folgen nochmals zwei Handskizzen. In der ersten wird das Hauptpentagramm mit seinen Bezugspunken und Achsen herausgearbeitet, dazu ein weiteres Unterpentagramm im östlichen Stadtteil. In der zweiten Skizze sind die Zirkelpunkte und Umkreise hervorgehoben.

Venedig-Zentrum, Canal Grande, Verlauf und Peilpunkte

Es folgt nochmals eine detailliertere Darstellung des Stadtzentrums mit Erklärungen zu den einzelnen Punkten:

 Die nördliche Pentagrammspitze (1) liegt dort, wo der "Canal Grande" und der Kanal des "Canareggio" zusammentreffen, unmittelbar in der Nähe der "Chiesa San Geremia". Der Zirkelpunkt des nördlichen "Canal Grande"-Abschnitt mit der Nummer (2) befindet sich in der "Ramo Casetti" auf dem Grundstück von Hausnummer 66. Auf dem Luftbild sieht man im Innenhof ein außergewöhnliches Mosaik (mit 4 unregelmäßigen Fünfecken!), dessen Zentrum den Radiusmittelpunkt markiert.

Das Portal der "Chiesa San Stefano" trägt die Nummer (3), es ist der Konstruktionsmittelpunkt des südwestlichen Kanalbogens. Die Rialtobrücke (4) liegt in ihrem Verlauf auf einer vorrangigen Konstruktionsachse, ebenso die Brücke der Accademia (5). Anstelle einer Eisenbrücke aus dem 19. Jahrhundert steht dort heute eine Holzbrücke; schon im 15. Jahrhundert hatte es Planungen für eine Ponte am selben Ort gegeben. Möglicherweise bestand hier bis zum Brückenbau eine histrosiche Fährverbindung per "Traghetto". Diese fast kostenlosen Gondel-Linien gibt es seit der Gondoliere-Tradition im 13. Jahrhundert.

Die noch existierenden Traghetto-Stellen liege ausnahmslos an Konstruktionslinien der Stadt und bilden eine gedachte Linie durch den Canal, wie die abschließende Aufnahme zeigt. Der "Rio Terra Foscarini", ein zugeschütteter ehemaliger Kanal, folgt einer Konstruktionsachse von Süden her bis zur "Ponte Accademia". Die "Punta della Dogana" (6) liegt auf besagtem Dreispitz vor der Kirche "Santa Maria della Salute", im Becken von San Marco.  In der Nähe des Krankenhaus von Venedig (7) befindet sich in einem größeren Innenhof in der Calle Torelli 63 eine Zisterne, die die nordöstliche Spitzen des großen Pentagramms markiert. Die westliche Pentagrammspitze (8) liegt in einem unbebauten Brackwasserbereich am Ende der "Fondamenta Pescheria". Nähere Untersuchungen des heute im trockenen liegenden Terrains könnten aufschlussreich sein. Diesbezüglich sieht man in der Verlängerung der südlichen Pentagrammspitze im Wasser eine Reihe von Pfählen, welche eine ehemalige Anlage (Palisadenreihe) deutlich erkennen lassen.


Die Einstiegstellen der Traghetti liegen fast ausschließlich an Konstruktionslinien der Stadt.

Besonders eindrucksvoll bestätigt sich das Pentagramm-Prinzip bei weiteren Konstruktionspunkten der venezianischen Stadtplaner. Wie schon bei den Traghetto-Stellen zu erkennen war, sind diese Konstruktionspunkte der Lagunenstadt in der Regel heute noch sichtbare, markante Stellen.

So liegen z. B. die sogenannten "pozzi", die Süsswasserzisternen Venedigs, auf öffentlichen Plätzen und - zum Beweis der Pentagrammplanung! - auf Schnittpunkten, die sich aus Unterpentagrammen über den Spitzen des Hauptpentagramms ergeben!

Im 13. Jahrhundert war es die Aufgabe der Brunnenbauer-Gilde, der "pozzieri", diese Trinkwasserzisternen für die Stadtbewohner anzulegen. Von ursprünglich über 6200 Zisternen existieren heute heute noch ca. 5200; lediglich 180 davon waren öffentlich und sehr groß. Diese Zisternen lagen an den zentralen Plätzen und waren schon vor Beginn des Städtebaus notwendig, da das Regenwasser nicht nur als Trinkwasser, sondern für den Bau der Stadt selbst benötigt wurde. Für das Anmischen von Mörtel, Ziegellehm oder das Löschen von Kalk war nämlich das Salzwasser der Lagune völlig ungeeignet. Desgleichen durfte das wertvolle Werkzeug der Bauleute nicht mit Brackwasser in Berührung kommen. Und der Salzwasser-resistente, venezianische Ziegelmehlputz hätte bei einer Vermengung mit Salzwasser nie abgebunden.

Gerade zum Bau der Stadt benötigte man also große Mengen an gespeichertem Regenwasser. Folgende Zisternen mit ihrem gepflasterten Einzugsbereich stehen mit der ersten Bautätigkeit in Verbindung:

Es handelt sich um die großen Zisternen auf dem "Campo San Giacomo all' Orio" ( Nr. 2 auf folgender Karte) und auf dem "Campo Santa Maria Formosa" ( Nr. 3 ). Im Stadt-Sechstel "Dorsoduro" bildet das Portal der Kirche "San Sebastiano" ( Nr. 1 ) einen solchen Markierungspunkt, auf der einst separaten Insel "Angelo Raffaele". Die größeren Campos, welche einst alle Grünland waren, liegen mit ihren Häuserfronten meist auf den Konstruktionslinien, gut sehen wir dies bei "Rialto" ( Nr. 1 ), "Campo San Stefano" ( Nr. 4 ), "San Giacomo", "San Polo" ( Nr. 6), sowie beim "Campo Santa Margherita", um nur einige zu nennen. Der radial gekrümmte Rio Marin im Stadtsechstel "Santa Croce" hat seinen Pentagramm-bedingten Mittelpunt an der Traghetto-Ablegestelle nach "San Marcuola". Auch die Krümmung des "Rio San Giacomo all' Orio" geht aus einem Schnittpunkt der gleichen Geometrie hervor. Beide Kanäle wurden laut Chronist Gallicciolli zu Beginn des 13. Jahrhunderts von Hand ausgegraben.

Die Hochphase des Städtebaubooms machte auch vor der einflussreichen Handelsstadt im Wasser nicht halt.


Pentagramm, Unterpentagramme und die großen Zisternen von Venedig

 

Nachtrag vom 06.03.2017:

Peter Klink hat inzwischen die Planstadt Venedig auch im Zusammenhang mit dem vorgelagerten Lido von Venedig und einigen Kleininseln untersucht. Hierbei stellte sich heraus, dass an der Ostseite des Lido im Bereich einer (künstlich geschaffenen?) Einkerbung ein wichtiger, vielleicht sogar der primäre und entscheidende Peilpunkt der Stadtplanung lag, von einem pentagrammatisch entworfenen Kanalsystem umgeben. Die davon ausgehenden Projektionslinien bezogen auch die Inseln "Isola Santa Maria delle Grazie" und "Isola San Clemente" in die planmäßige Gesamtdisposition der Lagunenstadt ein.

Die folgenden Zeichnungen verdeutlichen die Situation und das Konstruktionsprinzip:


Die Lagune zwischen dem Lido und der Stadt.

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Die "Isola San Clemente".


Die "Isola Santa Maria delle Grazie".

So gerät die Lagune zusammen mit der "Serenissima" Venedig und dem "Lido di Venezia" zu einem pentagramm-abhängigen Gesamtkunstwerk!

Doch damit nicht genug:

Der Markusdom in Venedig

Greifen wir zum Abschluss des Kapitels "Stadtplanung Venedig" eine der Kirchen der Stadt heraus, am besten gleich die Hauptkirche der Stadt, den Markusdom oder die "Basilica di San Marco". In der heutigen Form wurde die prächtige Kirche San Marco III in den Jahren zwischen 1063 und 1094 n. Chr. als Stiftung des Dogen Domenico Contarini errichtet und in den folgenden Jahrhunderten immer mehr ausgeschmückt.

Mehrere Vorgängerbauten gingen diesen Dom voran: San Marco I war ein schlichter frühromanischer Saalbau, der 976 n. Chr. durch Brand vernichtet wurde, hierauf entstand unter dem Dogen Pietro I. Orseolo die Kirche San Marco II.

Betrachten wir zunächst den Grundriss dieser Vorgängerbauten des Markusdoms. Folgende Rekonstruktion versucht die Situation unmittelbar nach dem Brand von San Marco I zu erfassen. Der erweiterte Neubau unter dem Dogen Pietro ist zu diesem Zeitpunkt offenkundig noch nicht errichtet:

Es ist unschwer zu erkennen, dass beide Urkirchen des Markusplatzes, neben San Marco I auch die  nebenstehende vorromanische Kirche San Teodoro, die vor Erhalt der Markus-Reliquien die Pfarrkirche der ersten Gemeinde von Venedig gewesen war, in den durch Grabung rekonstruierten Außenmaßen dem Pentagramm-Prinzip huldigten. Ja selbst der erste Dogenpalast, damals noch eine allseits von Wasser umgebene Burg, könnte nach diesem Prinzip errichtet worden sein, wenn man von seiner exzentrischen Südostecke sieht, die einer abgeschrägten Ostfront geschuldet ist.

San Marco II fiel vergleichweise viel größer aus. Die Kirche wurde unter byzantinischem Einfluss in Form eines annähernd regelmäßigen Griechischen Kreuzes errichtet.   Folgende Planzeichnung zeigt in den mit grauer Farbe unterlegten Partien, wo und wie man sich die Mauern von San Marco II vorzustellen hat, welche später in San Marco III aufgingen.

Es ist eindeutig, dass auch diese Kirche über zwei unterschiedlich großen Planungspentagrammen aufgerissen wurde - jeweils für das Presbyterium (Chor) und den Volksraum (Quer- und Längssschiff) getrennt. Die daraus resultierenden Baulinien sind in der Übersicht blau eingezeichnet; sie bestimmen die Proportionen der gesamten Kirche.

San Marco III wurde ab 1063 n. Chr. im westlichen Eingangsbereich nach drei Seiten  erheblich erweitert - wohl deshalb, weil der Aufschwung der Stadt einen solchen Zuwachs an Gemeidemitgliedern mit sich gebracht hatte, dass der Vorgängerbau die Volksmenge nicht mehr fasste. Ob sich in diesen Erweiterungstrakten weitere Pentagramme verstecken, haben wir nicht untersucht.

Sicher ist jedoch, dass die Prunkfassade mit den Kuppeln im Hintergrund, die nach 1204 entstand und noch heute den Markusplatz ziert, das Pentagramm-Prinzip in Vollendung fortführte. Das byzantinische Schema mit in Reihe gestaffelten Pentagrammen, das man eindrucksvoll auch an der Hagia Sofia in Istanbul nachvollziehen kann, ist auch hier zur Anwendung gekommen!

Kein Wunder also, wenn bei diesem Sinn der Venezianer für perfekte Harmonie wenig später Pentagramme den Grundriss der ganzen Stadt im Wasser beeinflussten!

 

 

Dubrovnik, die Perle der Adria

Die südkroatische Hafenstadt Dubrovnik, früher Ragusa, wird wegen ihrer grandiosen Lage und historischen Substanz auch "Perle der Adria" genannt. Ihre Form erhielt die Stadt, die über Jahrhunderte eine eigene Republik darstellte, im 12. Jahrhundert, als der Kanal zwischen dem Festland und der Insel aufgeschüttet wurde und zwei vorbestehende Siedlungskerne zusammenwuchsen. An der Nahtstelle befindet sich heute die berühmte Hauptstraße Dubrovniks, der sog. "Stradun", nach dem aufgeschütteten Meeresarm auch "Placa" genannt.

Auch in Dubrovnik waren Stadtplaner tätig, die in der Pentagramm-Konstruktion bestens bewandert waren. Folgender Planentwurf von Peter Klink erklärt sich nahezu von selbst: Der östliche Teil der "Placa" liegt auf dem Querschenkel eines exakt in der Nord-Süd- bzw. Ost-West-Achse ausgerichteten Planungspentagramms, sein südlicher Umkreis definiert die Meeresfront der Stadt, sein Nord-Ost-Schenkel die landseitige Stadtmauer - mit dem wichtigen Planungspunkt am Minceta-Turm, an dem die Westmauer um 90° nach Süden umlenkt! Ihren Ausgang nahm diese Planung vermutlich von der Nord-Ost-Spitze des Pentagramms am sog. Sergiusberg (heute Seilbahnstation). Der im folgenden Bild "Befestigungszinken" genannte, trianguläre Gebäudekomplex (rechts oben im Bild) entspricht dem sogenannten "Lazareti", einer um 1377 errichteten Quarantänestation, in die sich alle ankommenden Reisenden erst einmal zu begeben hatten, ehe sie die Innenstadt betreten durften. Er bestätigt, dass auch außerstädtische Anlagen kaum nach dem Zufallsprinzip, sondern häufig mit geodätischen Sonderfunktionen im Rahmen der Stadtplanung errichtet wurden.

Im Übrigen spielt in Dubrovnik, wie im Plan deutlich zu erkennen ist, auch die Sonnenbahn zur Zeit der Wintersonnenwende eine große Rolle!

 

 

Die Orte Riva del Garda und Dro im Trentino

An Nordufer des Garda-Sees liegt der Ort Riva del Garda, der bereits zur Römerzeit besiedelt und befestigt war.

Seine heutige Form düfte Riva im Mittelalter erhalten haben, größere Veränderungen ergaben sich erst unter dem Ausbau zur Festungsstadt unter österreichischer Herrschaft.

In Riva hat sich die Stadt wohl aus dem Kastell am See heraus entwickelt. Die Burg liegt rückschlüssig mit allen Ecken auf einem Planungspentagramm, wie folgende Skizze zeigt.

 

14 Kilometer nördlich von Riva und östlich des Monte Bondone liegt in einem Taleinschnitt das Weinbauerndorf Dro (dt. Drau), in dem einst der berühmte Dessertwein Vinsanto  angebaut und verkeltert wurde.

Die Hauptachse dieses Straßendorfes in Richtung des Nachbardorfes Cenigna bildet der Straßenzug der "Via Roma" und "Via Arco". Es handelt sich hierbei um die reale Lichtachse des Sonnenuntergangs zur Zeit der Wintersonnenwende am 21. Dezember. Entlang dieser Linie wurde im Mittelalter das Dorf mit Hilfe von Planungspentagrammen angelegt. Die aufwendigen Turmhäuser, in denen einst der kostbare Rebensaft aufbewahrt wurde, sowie die Tortürme des Ortes liegen ausnahmslos auf der Pentagrammstruktur.

Der Sonnenuntergang ist in Dro durch die südwestlichen Berge stark vorverlegt (Lichtachse 41° statt ideal 56°; siehe Bild).

In den Tagen vor Weihnachten geht die Wintersonne über einem Bergsattel an einer südwestlich gelegenen Bergzacke unter und schenkt der Hauptstraße des Dorfes so lange wie möglich ihr wärmendes und erhellendes Licht - ein grandioses Lichtschauspiel in der dunklen Jahreszeit!


Rote Linie = theoretische Sonnenuntergangsachse am 21. Dezember, gelbe Linie = reale Untergangsachse hinter den Bergen.

 

 

Moskau, die Hauptstadt Russlands

Bilder und Text von Werner Robl

 

Zu Stadtgeschichte Moskaus

Die Anfänge der russischen Hauptstadt Moskau zu definieren fällt schwer. Schon vor 5000 Jahren war der Borowizki-Hügel an der Stelle, an der das heute ausschließlich unterirdisch fließende Flüsschen Neglinnaja in den Fluss Moskwa, einem Seitenarm der Oka und Wolga, mündet, dörflich besiedelt, wie archäologische Funde belegen. Ihren mythologischen Ursprung nahm die Stadt in der 1. Hälfte des 12. Jahrhunderts, als der Fürst Juri Dolgoruki der Sage nach an dieser Stelle eine hölzerne Stadt errichten ließ, welche nach dem Fluss benannt wurde, den sie säumte. Im Jahre 1147 wurde diese Stadt erstmals in den Annalen schriftlich erwähnt. Zeitgleich oder wenig später entstand auf der Anhöhe zwischen den Flüssen eine erste hölzerne Festung mit der Palisadenmauer Detinjez, die der Siedlung zu ihren Füßen Schutz gab und dieser zu raschem Auschwung verhalf.

Als in den Jahren 1339/40 der Moskauer Großfürst Iwan Kalita auf dem Borowizki-Hügel eine neue hölzerne Burg mit 1,6 km langen Mauern aus tonverkleidetem Eichenholz errichten ließ, wurde nicht nur dieser erstmals Kreml genannte Bau, sondern auch das weitere Zentrum von Moskau in seinen wesentlichen Determinanten festgelegt: Jener große Handelsplatz, der heute Roter Platz genannt wird, der ursprünglichen Wortbedeutung nach aber eigentlich "Schöner Platz" heißen müsste, und die im Osten liegende Handwerkersiedlung und Handelsniederlassung, die spätere Kitai-Gorod. In der ersten Hälfte des 14. Jahrhunderts, als der tatarische Großkhan den Moskauer Großfürsten bereits als Oberhaupt von ganz Russland anerkannte, betrug die Einwohnerzahl dieser Stadt um die 30000.

Von links nach rechts: Der hölzerne Kreml Iwans Kalita, der steinerne Kreml Dimitri Donskois, der Kreml Iwans III., des Großen. Aquarelle von Apollinari Wasnezow (1856-1933), 1921/22.

Im Frühjahr 1367 ließ der Großfürst Dmitri Donskoi die zwischenzeitlich niedergebrannten Eichenmauern des Kreml durch eine wuchtige Mauer aus Kalkstein zu ersetzen. Beim Versuch, mit derartigen Maßnahmen die Hegemonie der Tataren zu brechen, wurde Moskau im Jahr 1382 ein weiteres Mal vollständig niedergebrannt und ein Gutteil der neuen Kremlmauern geschliffen, danach aber vom Fürsten in erweitertem Umfang wieder aufgebaut, ehe es schließlich im Jahr 1480 dem Großfürsten Iwan III., dem Großen, gelang, das Tatarenjoch endgültig abzuschütteln.

Die Petrok-Mauer, Ausschnitt aus der Karte von Sigismund 1610.

Unter Iwan dem Großen wurde Moskau durch italienische Architekten baulich europäisiert und der Rote Platz zusammen mit dem Stadtteil Kitai-Gorod (oft fälschlicherweise als "Chinesenstadt" übersetzt) zu Marktvierteln ausgebaut und beide zunächst mit einer weitläufigen Erdverschanzung umgeben.

Unter der Zarenmutter Helena Glinskaja (1506-1538) und dem italienischen Baumeister Petrok dem Jüngeren entstand zum Schutz der Kitai-Gorod um 1530 auf den Wällen eine weitere Verteidigungsmauer aus Ziegeln, zwischen den Flüssen Neglinnaja und Moskwa gelegen. Dieses imposante Bauwerk von 2,4 km Länge, mit seinen 12 Türmen und 4 Toren, wurde durch einen vorgeschalteten Wasserkanal zwischen beiden Flüssen zusätzlich verstärkt und stellte so die erste Befestigungsanlage dieser Art in Europa dar, die für den Einsatz von Feuerwaffen vorbereitet war.

Die weiße Stadt, Aquarell von Apollinari Wasnezow aus dem Jahr 1926.

In Zeit der ersten Zaren wuchs Moskau weiter und es entstand westlich und nördlich des Kreml ein weiteres Stadtviertel, das alsbald Tzar-Gorod, d. h. Zarenstadt, genannt wurde. Nach einem Tatarenüberfall im Jahr 1571 wurde nochmals ein Teil der hölzernen Altstadt Moskaus abgebrannt, dem Umfang und dem weiteren Wachstum Moskaus zur Großstadt, auch über das Südufer der Moskwa hinaus, war jedoch dadurch kein wesentliches Hindernis mehr gesetzt.

Zar Fjodor I. (1557-1598) ließ in den Jahren zwischen 1585 und 1593 das Zaren-Viertel zusammen mit der erweiterten Kitai-Gorod  wegen der nach wie vor drohenden Überfälle der Krimtataren mit einer weißen Kalksteinmauer von 10 km Länge und 4,5 m Höhe umgeben, nach deren Farbe der gesamte erweiterte Stadtteil später Bely-Gorod, d. h. "die weiße Stadt" genannt wurde. Für diese Mauer mit 28 Wehrtürmen, 11 Toren und einem ausgeklügelten System am Schusslöchern, Wehrgängen und weiteren Einrichtungen zeichnete der Baumeister Fjodor Kon verantwortlich, der auch den Smolensker Kreml errichtete. Erst Kaiserin Katharina die Große ließ nach 1780 diese Mauer wieder abtragen, um einer Kette von Boulevards Raum zu geben. So entstand der heutige Boulevard-Ring.

Als weiterer Ring von Stadtvierteln um das Zentrum herum entstand in der Folge der Skorodom, die sogenannte "Erd- oder Außenstadt", eine zunächst noch relativ lockere, später aber immer dichter werdende Ansiedlung von Handwerkern, Händlern, Gemüse- und Ackerbauern, mit ihren zahlreichen Feldern und Gärten. Nach einem neuerlichen Überfall der Krimtataren ließ Zar Boris Godunow in den Jahren 1591/1592 zu deren Schutz einen weiteren, nunmehr 15,6 km langen Wallgraben von großer Mächtigkeit errichten, den sogenannten Sadowoje Kolzo oder späteren Gartenring. Dieser Festungsring umfasste nun erstmals auch die Soldaten-Vorstadt am südlichen Ufer der Moskwa, die in Russland Streletzka Sloboda (wörtlich: Schützensiedlung) genannt wird. Der Graben dieser Erdbefestigung war wiederum wassergeflutet, den Erdwall krönte alsbald eine Palisadenmauer, wie unten stehende Abbildung zeigt. Diese dritte Stadtmauer mit ihren zahlreichen Wachtürmen fiel allerdings noch während der Smuta, der Zeit der Wirren zwischen 1598 und 1613, einem Brand zum Opfer. Die Stadt Moskau war in dieser instabilen Übergangsphase, die mit der Übernahme des Zarentums durch die Familie Romanow endete, bereits auf weit über 100000 Einwohner angewachsen. Auch dieser Befestigungsgürtel der Erdstadt besteht heute nicht mehr; nach dem Stadtbrand von 1812 wurde der Gartenring einplaniert, um mondänen Ringstraßen und Anlagen und zuletzt auch der Moskauer Metro Platz zu schaffen.

Damit beenden wir diesen Exkurs über die historische Stadtentwicklung Moskaus und lassen die weitere neuzeitliche Expansion der Stadt beiseite, da sie an dieser Stelle nichts zur Sache tut.

 

Schon in der Zeit um 1600 entstand eine ganze Reihe von Stadtansichten und Stadtpläne Moskaus, die allerdings samt und sonders wenig maßstabsgetreu sind. Mit Klick auf die jeweiligen Bilder gelangt man zu den einzelnen Plänen:

            
Von links nach rechts: Zunächst ein Stich Siegmunds von Herberstein aus dem Jahr 1597, der dem Kreml ("arx moscovie") abbildet, danach eine kolorierte Version desselben Plans, die aber falsch verallgemeinernd mit "Moscauw" resp. "Moscovia" tituliert ist. Es folgt als Drittes eine kolorierte Darstellung des sogenannten Kremlenagrad (Kremlstadt) aus dem "Atlas Bleu" von 1597, danach ein Aufriss der Stadt aus derselben Zeit, der 1837 in Amsterdam aufgefunden wurde und vermutlich dort um 1697 von Zar Peter I. persönlich benutzt worden war. Im Weiteren findet sich ein Plan von Isaak Mass aus dem Jahr 1606, es folgt eine Übersicht aus einem Privileg des polnischen Königs Sigismund aus dem Jahr 1610 (von Johann Philip Abelin), und schließlich ganz rechts eine Gesamtansicht Moskaus des Jahres 1611, aus dem Ort Neswiz stammend.

All diese Pläne gewähren zwar eine gute Gesamtübersicht und die Möglichkeit der Überprüfung unter diversen Aspekten, lassen aber wegen der fehlenden Maßstabtreue eine genauere Analyse des mittelalterlichen Stadtentwurfs nicht zu.

Brauchbarer in dieser Hinsicht ist erst der Moskauer Prospekt von Matthäus Merian aus dem Jahr 1638. Die folgende Reproduktion zeigt zunächst die soeben beschriebenen Stadtmauern und Stadtviertel Moskaus, die letzteren sind zur besseren Unterscheidbarkeit von uns farblich kodiert worden:

Hellrote Zone = Kreml und Kremlstadt/Kremlenagrad, rote Zone = Roter Platz, gelbe Zone = Kitai-Gorod, blaue Zone = TZar-Gorod/Zarenstadt und Bely Gorod/Weiße Stadt, hellgrüne Zone = Streletzka Sloboda/Soldaten-Vorstadt, dunkelgrüne Zone = Skorodom/Erdstadt.

Moskau - eine Planstadt nach dem Lichtachsen- und Pentagramm-Prinzip

Wenn man das Google-Satellitenbild Moskaus heranzieht, welches aufgrund der Straßenzüge gut und maßstabsgetreu die Lage des historischen Ortskerns und des dreifachen Mauuering wiedergibt, dann ist unschwer zu erkennen, dass schon die Planstadt des 12. bis 14. Jahrhunderts unter Berücksichtigung der Sonnenlichtachsen zur Zeit der Winter- und Sommersonnenwende (21. Dezember und 21. Juni) entworfen worden sein muss. Folgende Abbildung gibt die Situation anschaulich wieder:

Kein Zweifel: Es ging in Moskau wie in vielen anderen Städten der Nordhalbkugel darum, in der dunklen Jahreszeit möglichst viel Tageslicht in die Straßen und Plätze der Stadt fluten zu lassen!

 

An der Sonnenaufgangsachse zur Zeit der Wintersonnenwende orientiert sich wiederum mit 2 Innenwinkelpunkten und dem Nordost-Schenkel ein leicht aus der Nord-Süd-Richtung gekipptes Planungspentagramm (siehe weiße Linien in obiger Abbildung). Dieses Konstruktionsmittel kam spätestens zur Zeit des Großfürsten Iwan Kalita in der Mitte des 14. Jahrhunderts, vielleicht aber auch schon viel früher zur Anwendung; es beschreibt mit seinen Linien und Punkten weitere markante Punkte und Straßenzüge der Moskauer Altstadt:

Zunächst zu den Pentagrammschenkeln:

 

Die 5 Pentagramm-Ecken liegen ebenfalls auf markanten Punkten der historischen Stadt:

Das Planungspentagramm von Moskau, projiziert auf die Merian-Karte von 1638. Durch eine gewisse Fehlprojektion dieser Darstellung kommt der Pentagramm-Mittelpunkt nicht an der an der Basilius-Kathedrale, sondern etwas exzentrisch zum Liegen (blauer Punkt).

 

Am eindrucksvollsten präsentiert sich jedoch das Moskauer Planungspentagramm an seinem Schwer- und Mittelpunkt, der gerade an der größten touristischen Attraktion Moskaus liegt, an der nordöstlichen Außenmauer der Basilius-Kathedrale Folgende Abbildung verdeutlicht die ungefähre Situation:

Eine Zeit lang vermuteten wir, dass der an die Basilius-Kathedrale nördlich angrenzende Lobnoye Mesto der zentrale Messpunkt gerwesen sein könnte, doch schließen wir das inzwischen aufgrund unserer Vermessung aus dem Lufbild heraus aus. Der Lobnoye Mesto ist eine runde Steinplattform von ca. 13 m Umfang, auf der Iwan der Schreckliche und andere Zaren einst ihre Ukasse verkündeten und religiöse Zeremonien vollziehen ließen. In der Karwoche endete hier der Eselsritt, bei dem der Zar den Moskauer Patriarchen, christusgleich auf einem Esel sitzend, vor einer große Abbildung des Jerusalemer Kalvarienberges führte und absitzen ließ.

Die die nur wenige Meter entfernt vom Lobnoye Mesto stehende Basilius-Kathedrale ist die berühmteste Kirche Moskaus; sie liegt am Südende des Roten Platzes und heißt eigentlich korrekt Mariä-Schutz-und-Fürbitte-Kathedrale am Graben. Der imposante Kirchenbau wurde ab dem Jahr 1552 nach einem Sieg über die Kasan-Tataren im Auftrag des Zaren Iwan IV. von den Archiktekten Jakowlew und Barma errichtet. Die aus unverputzt gebliebenen, früher weiß getünchten Backsteinen errichtete Kathedrale besteht aus 9 Einzelkirchen und präsentiert sich heute dem Besucher in einer ausgesprochenen Formen- und Farbenvielfalt: 4 Kirchenräume weisen mit ihren mittelgroßen Kuppeln in die 4 Himmelsrichtungen, dazwischen liegen 4 kleinere Kirchrnräume unter kleineren Kuppeln. Das Zentrum der 8 Kirchen bildet jedoch die Marienkirche, deren spitzer, reich verzierter Turmhelm alle anderen Kirchtürme bei weitem überragt.

Der Rote Platz und die Basilius-Kathedrale in Moskau, Gemälde des Jahres 1801, von Fedor Alekseev. Der Rote Pfeil markiert die Lage des Pentagramm-Mittelpunktes, entweder im Vordergrund am Lobnoye Mesto, oder im Hintergrund an der Basilius-Kathedrale.

Interessanterweise wurde diese Kirche, wenngleich sie in ihrem Grundriss geometrische Formen wie Viereck oder Oktogon aufweist, ebenfalls nach dem Pentagramm-Prinzip geplant und errichtet. Diese wenig bekannte Tatsache wird durch folgende Abbildung augenscheinlich belegt! Zur Vergrößerung bitte auf das Bild klicken!


Einige Phänomene weisen darauf hin, dass die Basilius-Kathedrale einem sehr alten, vielleicht sogar frühmittelalterlichen Vorgängerbau an derselben Stelle folgte, von dem nur nichts weiter bekannt geworden ist. Da ist zum einen ihre auffallend exzentrische Lage an Ende des Rotes Platzes, zum anderen in Abweichung zum Platz ihre exakte Ostung, mit Ausrichtung nach der Sonnenaufgangsachse an den Tag-und-Nacht-Gleichen, die das "lux oriens" in Jerusalem abbildete, trotz der abweichenden geographischen Lage Moskaus.

Dieser abgegangene Vorgängerbau hat vermutlich mit der ersten Stadtplanung Moskaus nach dem Pentagramm-Prinzip zu tun!

 

Aber nicht nur in alter Zeit, sondern auch bei den historisch verbürgten, oben ausführlich geschilderten Erweiterungsmaßnahmen des 16. Jahrhunderts, die zu den Stadtteilen Bely-Gorod und Skorodom führten, hielt man sich noch relativ exakt an das Konstruktionsprinzip mit dem Pentagramm. So liegen z. B. die beiden Stadtmauern der Zaren Fjodor I. und Boris Godunov (späterer Boulevardring und Gartenring) mit ihren Türmen, Toren, Ecken und Kerbungen, aber auch viele weitere Straßenzüge und markante Gebäude auf Peillinien und Peilpunkten, die sich aus dem Zentralpentagramm heraus ergeben. Wir haben dies in folgender Graphik herauszuarbeiten versucht, ohne dass es an dieser Stelle nun möglich wäre, allen Einzelheiten nachzugehen:

Das Planungspentagramm von Moskau und seine äußeren Fluchten und Peilpunkte. Einzeichnung in den Stadtplan von Georges Lecointe de Laveau aus dem Jahr 1824.
Zur Vergrößerung bitte auf das Bild klicken!

Resümee

Konnte man es nach unseren Erkenntnissen zur altrussischen Ikonenkunst bereits erahnen, so ist es nun sicher:

Das uralte Konstruktionsprinzip einer Stadt nach Sonnwend-Lichtachsen und dem Planungspentagramm war sowohl im Fürsten- und Großfürstentum Moskau als auch im russischen Zaren- und Kaiserreich, dessen Hauptstadt Moskau lange Zeit war, bestens bekannt und es wurde bei der sukzessiven Errichtung der Stadt Moskau in Vollendung angewandt!

 


Das brennende Moskau des Jahres 1812.

 

 

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