Eine Einführung von Werner Robl

 

Das Wissen

Die planvolle Erschließung seines unmittelbaren Lebensraumes ist ein Uranliegen des Menschen, solange es ihn gibt. Dies galt schon zu prähistorischer Zeit und für die frühen Hochkulturen, erst recht aber bei den Griechen und Römern, welche die Stadtplanung bereits zur Wissenschaft erhoben. Belege dafür liefern nicht nur die noch heute vorhandenen Ruinen, sondern auch einige Manuskripte der Spätantike, die sich in Abschriften fragmentarisch erhalten haben. Die schriftlichen Hinweise eines Hyginus, Sextus Iulius Frontinus oder Siculus Flaccus an der Wende vom 1. zum 2. nachchristlichen Jahrhundert galten noch zur Zeit der Karolinger als so wertvoll, dass sie an den Höfen kopiert und an nachfolgende Generationen weitergegeben wurden. Dennoch erweist sich heute das, was davon übrig geblieben ist, als relativ unergiebig. Die Text-Fragmente stellen vielleicht den rechten Winkel und einige weitere Grundregeln der römischen Geodäsie vor, dazu auch technische Hilfsmittel und praktische Beispiele, doch damit hat es sein Bewenden. Da die Schriften von fachfremden Autoren und nicht von Meistern der Vermessungskunst selbst verfasst wurden, welche sich offensichtlich hüteten, ihr Berufsgeheimnis preiszugeben, wirken sie unvollständig, oft zu schematisch und insgesamt informationsarm.

Die eigentlichen Geheimnisse der römischen Agrimensur (Landvermessung) geben die karolingischen Kopien nicht preis.

In der Tat waren die "agrimensores" der Antike ein eigenartiger Berufsstand: Weder an einen gesellschaftlichen Stand noch an ein Zunftwesen gebunden, handelte es sich bei ihnen im Grunde genommen um ein Konglomerat an Einzelpersonen, die zwar nach heute unklaren Auswahlkriterien systematisch ausgesucht und geschult wurden, hinterher aber - nach allem, was man heute davon weiß - als Einzelpersonen agierten und sich dabei grundsätzlich aus allen Gesellschaftsschichten rekrutierten: Militärpersonal, Beamte, Bürger und Unfreie. Es schien also allein auf die individuelle Befähigung und spezielle Berufung ins Ehrenamt angekommen zu sein! In ihrem vormaligen Status sind diese Agrimensoren in etwa vergleichbar mit den noch heute in Bayern üblichen Feldgeschworenen mit ihren Siebener-Geheimnis - mit dem entscheidenden Unterschied, dass diese nur noch Kontroll-, aber keinerlei Planungs- und Exekutionsfunktion mehr haben.

Im Bestreben, ihre fachliche Fähigkeit, sinnvolle Grundrisse von Gebäuden, Gebäudekomplexen, Ansiedlungen und ganzen Städten zu entwerfen, so streng wie möglich zu hüten, wurden die antiken wie die mittelalterlichen Landvermesser in einer Art von geheimen Initiationsritus ins Amt berufen - mehr noch: quasi sakral eingeweiht. Hinterher gaben sie ihr Wissen ausschließlich in mündlicher Tradition und in der Regel nur an ihren persönlichen Nachfolger weiter.

Wenn sich ihre Kenntnisse und Fähigkeiten, so gut gehütet sie auch waren, ohne Kontinuitätsunterbrechung bis zum Ende des Mittelalters im ganzen abendländischen Raum volksübergreifend ausbreiten konnten, dann müssen es in der Tat höchst einleuchtende und überzeugende Prinzipien und Methoden gewesen sein, derer sich die professionelle Agrimensur bediente.

Allein - wir Menschen der Moderne wissen heute so gut wie nichts mehr davon!

Denn mit Beginn der Neuzeit brach dieses Wissen, das sich über die Jahrtausende erhalten und weiterentwickelt hatte, plötzlich in sich zusammen. Über die Gründe dieses Niedergangs zur Zeit der europäischen Renaissance kann man aus heutiger Sicht nur spekulieren: Verantwortlich war dafür vermutlich die Entdeckung der Zentralperspektive, welche binnen kürzester Zeit Architektur und Malerei revolutionierte, desgleichen die Entwicklung der höheren Trigonometrie sowie Methoden, die sich aus der technischen Entwicklung ergaben, u. a. aus der überseeischen Schifffahrt.

Dies geschah allerdings zu einer Zeit, in der nahezu alle Städte Europas bereits gegründet und ihr Grundriss nach den alten Regeln festgelegt war, so dass auch diesbezüglich die Nachfrage gesunken sein mag.

Wie dem auch sei: Die Grundprinzipien der historischen Stadtplanung blieben über ca. 500 Jahre völlig vergessen!

Auch die Fortentwicklung und Spezialisierung der historischen Fachdisziplinen änderte an diesem misslichen Umstand nichts. Sicherlich wurden in jüngerer Zeit von verschiedenen Seiten wiederholt professionelle Versuche unternommen, das Geheimnis der antiken Feldmesskunst und der Stadtplanung zu lüften, und es ließ sich dabei auch durchaus punktuell ein gewisser Erkenntnisgewinn verbuchen, doch die Ergebnisse blieben inkohärent, und der entscheidende Schlüssel, das zugrundeliegende Prinzip, wurde dabei nicht erkannt.

 

 

Die Wiederentdeckung

Peter Klink vor dem geschmiedeten Stadtmauerring Pfullendorfs und dessen Planungspentagramm in Messing.

Es blieb einem historischen Amateur, Peter Klink aus Denkingen, Gem. Pfullendorf im LK Sigmaringen, vorbehalten, Licht in das Jahrhunderte währende Dunkel zu bringen. Die Voraussetzungen zu seiner epochalen Entdeckung, die 2015 erstmals in Grundzügen veröffentlicht wurde, und die wir im Folgenden aus eigenem Blickwinkel vorstellen, hatte sich der 54-jährige Kunstschmiedemeister schon in jungen Jahren in einem UNESCO-geförderten Stipendium in Venedig geschaffen, das ihn auch in die anderen Städte Italiens führte und ihm reichlich Gelegenheit bot, sich mit den Arbeitstechniken der italienischen Meister von der Antike bis zur Renaissance vertraut zu machen. Diese Ausbildung sowie sein handwerkliches Können und seine gestalterischen Fähigkeiten haben Herr Klink auch einen überregionalen Ruf als bildender Künstler verschafft. Inzwischen stehen in vielen Städten, mit Schwerpunkt im südwestdeutschen Raum, seine Großplastiken aus Schmiedeeisen und Bronze, und es werden alljährlich mehr:

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Durch intensive Studien der Lichtverhältnisse zur Zeit höchsten und niedrigsten Sonnenstandes und durch Vergleiche mit zeitlosen Modellen idealer Proportionalität und Flächengeometrie konnte Peter Klink als erster am Beispiel der nahen Mittelalter-Stadt Pfullendorf nachweisen, dass deren Planung zum Ende des 12./Anfang des 13. Jahrhundert kein Produkt von Zufällen, bloßen Geländegegebenheiten oder simplen geometrischen Mustern war, sondern konsequent auf zwei verschiedenen Verfahren des planimetrischen Aufrisses beruhte, wobei diese in idealer Weise kombiniert wurden. Es handelt sich im Einzelnen um

 

 

Der Mythos

Beide Prinzipien - Lichtachsen und Pentagramme - folgen einer jahrtausendealten Tradition:

Aus fortlaufender Linienführung ohne Ende ist das regelmäßige Fünfeck oder Pentagramm auf planem Grund allein mit 5 gleich langen Seilen oder der 4-Knoten-Schnur aufzuspannen, alternativ sogar allein mit einem Zirkel zu konstruieren, der in alter Zeit nur aus zwei Stäben und einer Schnur bestand. Es entstand damit eine äußerst stabile, unverrückbare Figur. Komplizierte Berechnungen, Lineale oder weitere technische Hilfsmittel bleiben späteren Zeiten vorbehalten; für ein Pentagramm waren sie von vorn herein nicht nötig.

Aus der Ebenmäßigkeit und einfachen Konstruierbarkeit des Pentagramms resultiert auch seine Wirkmächtigkeit:

Seit grauer Vorzeit gilt das Pentagramm als Symbol der Stabilität und des Schutzes, in der Prä-Antike und Antike auch als Symbol einer Gottheit wie der Venus, aber auch noch im Mittelalter als Bannzeichen gegen das Böse.

Da die durch seine Schnittpunkte gebildeten Teilstrecken des Pentagramms sich untereinander und in Bezug auf die Gesamtstrecke im Verhältnis des Goldenen Schnitts verhalten, galt das Pentagramm seit alter Zeit auch als Symbol für eine perfekte, geradezu göttliche Harmonie.

Obwohl das Pentagramm entstehungsgeschichtlich ein heidnisches und kein primär christliches Symbol war - die 5 Wundmale Christi sind hier z. B. als nur relativ schwaches Argument heranzuziehen -, wurde es nach der Verbreitung des Christentums von der Amtskirche toleriert bzw. es konnte von dieser nicht beseitigt, ja nicht einmal übergangen werden. So nahm das Pentagramm der heidnischen Hochkulturen über die Byzanz und Rom, über die fränkischen Karolinger und mittelalterlichen Dombauhütten Einzug in den Grundriss und das Maßwerk so mancher großen Kathedrale. Auch hierzu liefern wir auf Unterseiten ein Fülle von Beispielen.

Selbst von den sektiererischen Freimaurern wurde das Pentagramm übernommen. Bei ihnen symbolisierte es die 5 Kardinaltugenden: Klugheit, Gerechtigkeit, Stärke, Mäßigkeit und Fleiß.

In jüngster Zeit hat der deutsche Naturwissenschaftler Harald Specht mit seinen privaten Forschungen zu den astrologischen und mythologischen Bedeutungen der Zahl 72 - als Symbolzahl Träger eines Jahrtausende alten Mythos in mehreren frühen Kulturen! - die Kenntnisse über die Bedeutung des Pentagramms erheblich erweitert.

Notabene: Als Gradzahl bescheibt die Zahl 72 den Komplementärwinkel der 108° in Bezug zum Halbkreis von 180° und den 5. Teil des Vollkreises von 360°, mithin den Innenwinkel des Pentagramm-Sterns, der durch die Mittelsenkrechten desselben gebildet wird.

An dieser Stelle geht es zu weit, die bedeutsame Forschung Spechts, die in dem Buch "Das Erbe des Heidentums" (Marburg 2015) auf immerhin 700 Paperback-Seiten niedergelegt ist, im Detail vorzustellen, wenngleich sie in weiten Teilen den kulturhistorischen Unterbau zur Entdeckung Peter Klinks liefert. Wer sich damit näher befassen will, sei auf das Original verwiesen. Eine Zusammenfassung findet sich in einem weiteren Buch desselben Autors, "Liebe, Laster, Leidenschaft - Geheimnisse großer Gemälde" (Leipzig 2014), welches ab Seite 162 das Mysterium der Zahl 72 und die Pentagramm-Symbolik ebenfalls beschreibt und in den Werken des Malers Nicolas Poussin (1594-1165) und anderer Meister wiederentdeckt. Mit der antiken und mittelalterlichen Stadtplanung hat sich Harald Specht allerdings nicht beschäftigt, so dass sich seine und Peter Klinks Entdeckungen, der seine Forschungen inzwischen ebenfalls auf die Malerei ausgedehnt hat, bestens ergänzen.

Es dürfte auch Harald Specht gewesen sein, der den Begriff "pentagonale Geometrie" schuf und für den zugehörigen Artikel verantwortlich zeichnete, der für kurze Zeit in der Online-Enzyklopädie Wikipedia zu lesen war, inzwischen aber dort unter dem Vorwand "Theoriefindung" gelöscht worden ist. Wer sich auch nur ein bisschen mit den Nachweisen unserer Seite und den Forschungen Peter Klinks und Harald Spechts beschäftigt, weiß, dass die "pentagonale Geometrie", selbst wenn sie solange im Verborgenen schlummerte, ein unumstößliches Faktum ist, das längst in jede Enzyklopädie gehört.

4-zipfliger Pfennig, Bodensee, 1160/80.

Auf dieser kurzen Einführung zum Pentagramm wollen wir es bewenden lassen. Über die moderne Verballhornung des Pentagramms, über seinen angeblichen Bezug zum Satanismus etc. äußern wir uns lieber nicht. Es handelt sich um nichts anderes als um esoterischen Unfug.

Was aber Pfullendorf, die Heimatstadt Peter Klinks, und die gesamte Bodenseeregion anbelangt, so konnten wir inzwischen das Pentagramm sogar als Prägefigur von Münzen nachweisen, welche dort zur Zeit der Entstehung Pfullendorfs kursierten. Kein Wunder, wenn das Pentagramm als allgegenwärtiges Symbol und quasi Talisman in den städtischen Grundriss Pfullendorfs einzog.

 

 

Das Pentagramm als Peilungsfigur

Selbst der größte Skeptiker, der mit oft stark esoterisch überfrachteten Symbolik des Pentagramms nicht viel anfangen kann, muss einräumen, dass das Pentagramm unabhängig von seinem Sinnbehalt ein sehr robustes, einfach zu konstruierendes Hilfsmittel der Peilung darstellt, das geradezu die Idealeigenschaften der Geodäsie aufweist und sich für den flächigen Entwurf einer Stadt, ihrer Bauwerke und ihrer Grenzen hervorragend eignet:

Alle diese Ziele und Prinzipien waren zu allen Zeiten bereits mit einfachsten Hilfsmitteln, im Grunde genommen mit ein paar Pflöcken und Seilen zu bewerkstelligen, ohne dass astronomische oder trigonometrische Messungen, Theodolit, Winkelmesser, Astrolab oder Diopter nötig gewesen wären. All diese Methoden und Geräte der Geodäsie wurden erst in der Neuzeit erfunden.

Es resultierte am Ende ein urbanes Gitternetz, welche mit seinen Innenabständen an unzähligen Stellen das Zahlenverhältnis des Goldenen Schnitts 1: 1,618 wahrte, ein Gebilde vollendeter Harmonie!

 

 

Die Verbreitung über Raum und Zeit

Diese genial-einfache Methode der Stadtplanung, die Peter Klink wiederentdeckt hat, ist in der Tat beeindruckend. Weitaus frappierender ist jedoch der Umstand, dass sich die planerischen Prinzipien und Phänomene nicht nur im Grundriss der oberschwäbischen Stadt Pfullendorf nachweisen lassen, sondern in nahezu jeder beliebigen mittelalterlichen Stadt!

Peter Klink hat inzwischen in einem geographischen Rahmen, der von Süditalien über Westfrankreich bis nach Norddeutschland reicht, die Probe aufs Exempel gemacht und ist nahezu ausnahmslos auf dasselbe Grundprinzip gestoßen, wobei sich wegen der Flexibilität der Anwendung multiple Grundrissvarianten rekonstruieren lassen. Die unten stehenden Stadtpläne geben einen Eindruck davon.

In Einzelfall gab es auch überraschende Analogien: So weist gerade das stauferzeitliche Pfullendorf (gegründet um 1170, entscheidend gefördert von Kaiser Friedrich II.) in Bezug auf die Stadtmauer exakt denselben Grundriss auf wie das stauferzeitliche Aachen (unter Kaiser Friedrich Barbarossa ab 1172 mit einer zweiten Mauer erweitert) - allerdings im Spiegelbild! Solche Analogien lassen vermuten, dass hier an zwei weit entfernten Stellen des Stauferreichs ein- und derselbe Agrimensor tätig war!

Peter Klink hat inzwischen mehrere Dutzend Städte und Siedlungen mit Hilfe der Pentagramme und Sonnwend-Achsen untersucht. Seine Funde überspannen aber nicht nur einen großen örtlichen, sondern auch großen zeitlichen Rahmen: Er reicht im Grunde genommen von der Prähistorie über die Antike, die Karolinger- und die Stauferzeit bis in das Spätmittelalter. Auch in Städten, deren heutiger Grundriss nachweislich nicht in einem Guss, sondern über diverse Epochen verteilt entstand - wir werden nachfolgend ein Beispiel liefern -, blieb das Grundprinzip der Konstruktion zu allen Zeitpunkten gewahrt.

All diese Phänomene belegen die Mächtigkeit von Idee und Methodik!

 

 

Das Geheimnis

Nun wäre es naiv zu glauben, man müsste als Unbedarfter nur einen kurzen Blick auf einen mittelalterlichen Stadtplan werfen, und schon sprängen einem die besagten Pentagramme und Lichtachsen ins Auge. Dies ist nicht der Fall, und es kann auch gar nicht anders sein, sonst wäre das Planungsprinzip schon viel früher entdeckt worden.

Nein - es ging den Planern und Machern in früherer Zeit nicht darum, eine Stadt sozusagen im sichtbaren Zwangskorsett eines Pentagramms zu errichten, was ja zu Folge gehabt hätte, das alle Städte mehr oder weniger gleich ausgesehen hätten. Da dies nicht der Fall ist, sollten alle Städte trotz durchdachter Planung durchaus ihre Varianz und Individualität behalten, was ja auch wegen der höchst unterschiedlichen Geländeprofile zwingend erforderlich war.

Es ging also um ein nicht mit dem bloßen Auge zu erfassendes, sondern eher verborgen-immanentes Planungsprinzip, um einen geheimen Masterplan, der den topographischen Grundrahmen mit bedeutungsbeladenen und geodätisch effektiven Figuren abstecken ließ. Damit verlieh dieser der betreffenden Stadt einen Weihezustand und einen Genius, der den Bewohnern und Besuchern im Unterbewusstsein spürbar werden sollte.

Dazu bedurfte es in der Tat einer okkulten Wissenschaft, deren größtes Geheimnis darin bestand, eine möglichst hohe Genialität und Komplexität der Konstruktion mit möglichst einfachen Mitteln zu erreichen: Zur Zielerreichung genügte es, einzelne markante Punkte und Gebäude der Stadt als Eckpfeiler der Planung zu definieren - sei es, dass sie schon zuvor bestanden, sei es, dass sie erst errichtet werden mussten. So bildeten z. B. Außenecken und markante Mauerabschnitte von Kirchen, Burgen, Spitälern und anderen geschichtsträchtigen Gebäuden im Inneren der Stadt das, was die moderne Vermessungswissenschaft Polygon- oder Vermessungspunkte nennt (wobei ein Pentagramm in der Tat bereits ein regelmäßige Polygon war, wohingegen heutzutage in der Regel unregelmäßige Polygone vergemessen und abgesteckt werden).

Bis zum Mittelalter kam es vornehmlich auf die Dauerhaftigkeit dieser Strukturen an, weshalb gerade Kirchen oder Brunnen beliebte Markierungspunkte wurden. Mit den daraus aufgespannten Fünfecken und Lichtachsen wurde dann vornehmlich der avisierte Mauerring der Stadt, seine Ecken, Abschnitte und Tore definiert. Was die Lichtachsen anbelangt, so  konnten sich durchaus leichte Missweisungen zum Idealverlauf ergeben, da sich die Agrimensoren selbstredend nicht nach dem theoretischen, durch einen Idealhorizont bedingten Sonnenauf- oder -untergang richteten, sondern nach dem tatsächlichen Lauf der Sonne, welche z. B. hinter Baumgruppen oder Hügel verspätet und dadurch um einige Grad verschoben aufgehen konnte. Dieses Phänomen ist übrigens konkret bei dem oben genannten Hyginus nachzulesen.

Parallelverschiebungen aus den ermittelten Hauptachsen heraus führten mitunter ebenfalls zu wichtigen Stellen der Stadt, und wenn sich zwei derartige kreuzen, entstanden dabei nicht selten Rauten, mitunter in einem Seitenverhältnis nach dem Goldenen Schnitt.

Zusätzliche Planfiguren entstanden durch Umkreise und deren Schnitt. So lässt sich im Grundriss von Pfullendorf bei einem Stadtviertel das christologische Symbol der Fischblase (ICHTHYS) nachweisen.

Napoleonischen Kataster zu Le Pallet/Loire Atlantique/Westfrankreich: Die Radialfelder an einer Flussbiegung sind für den Feldbau ungeeignet und deuten vermutlich auf die Lage eines alten Etterpunktes hin. Auch bei dieser angevinischen Gründungsstadt des Jahres 984 n. Chr., welche später im Stadium des Dorfes steckenblieb, lassen sich die Klink'schen Prinzipien eindrucksvoll nachweisen.

Wenn das sakrosankte Grundmuster der Stadt und der sie umgebende Mauerring erst einmal festgelegt waren, dann konnten sich in den Jahrzehnten danach zwischen den Maschen des konstruierten Gitternetzes die einzelnen Stadtviertel mit ihren Gebäude- und Straßenzügen dem praktischen Nutzen oder den jeweiligen Besitzverhältnissen entsprechend relativ regellos entwickeln. Hier blieben die amtlichen Agrimensoren außen vor, und es war ihnen vermutlich sogar recht, wenn ihre Fluchten und Markierungspunkte nach und nach durch die Häusergruppen wieder verdeckt wurden. Nur wenn diese im Verborgenen wirkten, dann war über die Zeiten hinweg am besten ihr Erhalt gewährleistet!

 

Notwendig war dieser Erhalt allerdings schon: Niemand hatte das Recht, im Nachhinein ein so wichtiges Schutzsymbol wie das Pentagramm wieder aufzulösen oder seine Regeln zu verletzen; er hätte damit dem Glaubensverständnis nach nur Unglück über die Stadt gebracht!

Damit die Verschworenen, die es wohl alsbald in jeder Stadt gab, die Messpunkte von einst nicht vergaßen, wurden diese oft mit den speziellen Geheimzeichen resp. "Zinken" markiert, welche erst der Neuzeit, als sie nicht mehr beachtet wurden, als Zeichensprache der Strolche zu sogenannten "Gaunerzinken" degenerierten.

Mitunter wurde bei der Planung auch von weit außerhalb der Stadt in die künftige Überbauungszone hineingepeilt. Speziell an den sogenannten Ettergrenzen ergaben sich oft sehr wichtige Peilstellen, welche mit Felsen, Radialfeldern (von P. Klink ebenfalls Zinken genannt) oder Markbäumen ebenfalls markiert wurden.

Summa summarum ist es nicht so, dass dem modernen Betrachter die geschilderten Grundmuster einer mittelalterlichen Stadt ins Auge fallen, ganz im Gegenteil: Es bedarf vielmehr einer ausführlichen Einweisung und gehöriger Übung, um mit den modernen Hilfsmitteln des Zirkels und Geodreiecks die mittelalterlichen Konstruktionsprinzipien im Sinne Peter Klinks nachzuvollziehen.

Wir hatten das Glück und die Ehre, mit Herrn Klink in vielen gemeinsamen Stunden die einzelnen Pläne und ihr verborgenes Konstruktionsprinzip durchzugehen und diese durchaus auch dialektisch zu diskutieren. Dabei konnten wir uns, nachdem unsere anfängliche Skepsis verflogen war und wir gelernt hatten, wie ein Agrimensor von einst zu denken, von der Validität und Belastbarkeit die Klink'schen Hypothese überzeugen. Heute zweifeln wir nicht im Geringsten an ihrer Richtigkeit.

Diese Hinführung zum Thema soll an dieser Stelle genügen. Unterseiten dieser Internet-Präsenz füllen die Klink'sche Theoreme mit anschaulichen Bildbeispielen.

 

 

Weitere Informationen

Wer sich näher mit der Methodik beschäftigen will, sei auch auf Peter Klinks Homepage verwiesen, wo man eine medial und didaktisch gut gemachte Karte zum Grundriss der Mittelalter-Stadt Pfullendorf und anderen Städten zum Selbstkostenpreis erwerben kann.

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Ein 50-seitiger Aufsatz ist auch in der Reihe der sog. Ramsberger Hefte erschienen, als Sonderband Nr. 11/2015.

Ansonsten ist Peter Klinks Forschung nach wie vor im Gang. Nahezu täglich kommen weitere Stadtgrundrisse hinzu, die die vorherigen Befunde belegen und diese stellenweise auch erweitern. Bei entsprechendem Interesse hat Herr Klink sicher nichts gegen eine persönliche Kontaktaufnahme, am besten e-postalisch.

Ausführliche Erläuterungen und zahlreiche Bildbeispiele zum Pentagramm finden sich auch im kulturgeschichtlichen Abriss zum Pentagramm, der als Teil 1 und Vorspann die Stadtplanungs-Seiten Pater Klinks argumentativ untermauert.

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