Eine Auswahl deutscher Planstädte des Mittelalters

 

Die Entstehung der Bundeshauptstadt Berlin

Kaum jemand, der heute die Bundeshauptstadt Berlin mit ihren 3,5 Millionenen Einwohnern besucht, weiß, dass die Stadt einst in äußerst bescheidenem Umfang und sozusagen im Doppelpack gegründet wurde. Im 12. Jahrhundert entstanden die Marktorte Berlin und Neu-Cölln zu beiden Ufern der Spree als wichtige Umschlagplätze zwischen Land- und Wasserweg. Am rechten Spreeufer lag Berlin und auf einer Spreeinsel die Stadt Cölln.

Die Stadtgründung Berlins vermutet man um 1230, Cölln wurde erstmals 1237 urkundlich erwähnt. Ab 1244 wird bereits eine Doppelstadt beurkundet. Auf der Langbrücke stand das gemeinsame Rathaus - an jener Stelle, an der sich 2 Hauptplanungsachsen schneiden.

Im Jahr 1319 wurde erstmals eine mittelalterliche Stadtmauer um beide Städte herum erwähnt, mit einer nachgewiesenen Länge von 2,5 km. Eine weitere Brücke über die Spree ließ die Stadt zusammenwachsen. Brücken, Tore, Kanäle, Flussverlauf und Stauanlagen wurden nach dem Planungsaufriss mit dem Pentagramm angelegt und initiierten einen außergewöhnlichen wirtschaftlichen Aufschwung. Die Bevölkerung wuchs entgegengesetzt zum allgemeinen Trend von 2000 Einwohnern um 1250 auf 7000 Einwohner um 1450.

Der Winkel zwischen Sonnenaufgang und -untergang zur Zeit der Wintersonnenwende am 21. Dezember beträgt in Berlin 105°, er entspricht also annähernd einem Pentagramm-Innenwinkel. Das Gründungspentagramm wurde bei der Stadtplanung um 1,75° nach Osten geneigt. Eine Gründungsachse verlief vom Dominikanerkloster aus über die Langbrücke zum Oderberger Tor. Der Pentagramm-Schnittpunkt beim Keckhof wurde Zirkelpunkt der nordöstlich verlaufenden, radial angelegten Stadtmauer. Das südliche Köpeniker Tor liegt auf dem Schnittpunkt zweier Kreise, welche aus dem Planungspentagramm gezirkelt wurden.

Der Spreekanal bildet mit einer Uferseite die Hauptachse des Planungspentagramms. Außerhalb der Stadt liegende Straßenkreuzungen liegen in der Flucht mit der stadtplanerischen Geometrie. Das Planungsprinzip wurde mit großem Aufwand eingehalten. Teilweise gründeten im sumpfigen Gelände die Fundamente der neuen Gebäude bis 5,5 Meter Tiefe und wurden zudem mit Holz unterfangen.

Im abschließenden Bild, das durch Klick vergrößert werden kann, sind die Schlüsselstellen der Stadtplanung Berlins mit Ziffern markiert:

(1) Spandauer Tor, (2) Oderberger Tor, (3) Langbrücke, (4) Keckhof, (5) Cöllner Rathaus, (6) Stralauer Tor, (7) Köpeniker Tor, (8) Götzen-Tempel.

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Haldensleben

Die am Flüsschen Ohre gelegene mittelalterliche Planstadt von Haldensleben in Sachsen-Anhalt (heute ca. 19000 Einwohner) geht in ihrem Grundriss auf das beginnende 13. Jahrhundert zurück.

Folgendee Stadtplans beruht auf einem Abgleich des heutigen Plans mit einer Planzeichnung Gebhards von Alvensleben, die sich in seiner "Topographie des Erzstifts Magdeburg" aus dem Jahr 1655 fand.

Peter Klink schreibt hierzu:

Der Ort Haldensleben in Sachsen-Anhalt wurde erstmals um 966 n. Chr. als "hahaldeslevo" urkundlich erwähnt. Nach langer Belagerung im Jahr 1181 stauten die Truppen des Magdeburger Erzbischofs Wichmann den nahen Fluss Ohre an, dadurch wurde die Stadt geflutet und völlig zerstört. Im Jahr 1223 begann der Wiederaufbau der Stadt Neu-Haldensleben; im Jahr 1277 wurde der erste Stadtrat gebildet, was man als Zeichen der Fertigstellung werten kann.

Man darf davon ausgehen, dass die neue Stadt in ihren Planungsstrukturen und Straßenverläufen noch die Prägung der Vorgängersiedlung hatte. Die alte Burg und auch die Marienkirche wurden beide vor der Zerstörung 1181 an gleichem Ort erwähnt.

Der "Haldenslebener Roland" gilt als einzige berittene Rolandsfigur überhaupt. Das Reiterstandbild stand ursprünglich an der Hauptstraßenkreuzung der Stadt und stellt damit das markante Planungszentrum der Stadt dar. Möglicherweise war sein Standort bereits bedeutender Peilpunkt der alten Siedlung vor 1181.

Die Hauptplanungsachse der Haldenslebener Stadtgeometrie bildnt die Büstringer Straße und die Magdeburger Straße. Der gestaffelte Straßenzug bildet nicht exakt die Lichtachse der Wintersonnenwende ab, sondern hat sein winterliches Lichtmaximum am 10. Januar und liegt vermutlich auf einem bereits vor Orts-/Stadtgründung bestehenden Wegedamm.

Gleichwohl war diese Ausrichtung wie die der künftigen Parallelstraßen (siehe Planzeichnung unten) dazu geeignet, die Hauptwege der Stadt in der dunklen Jahreszeit mit genügend Tageslicht zu füllen, so dass man bei Gründung der neuen Stadt diese Achse übernahm und als Mittelsenkrechte des Planungspentagramms heranzog, das sich wie folgt aufspannt:

Zu den Einzelheiten:

Vom Roland aus verläuft im 18°-Winkel die Achse Marienkirche in Richtung südöstliches Stadtmauereck an der Burg.

Ein großer Umkreis um den Roland verläuft durch das Stendaler- und das Hagentor und wird so zur Mitte des Planungspentagramms. Die exakte südliche- und die nordwestliche Tangente bilden die dortigen Stadtmauerzüge. Die südöstliche Stadmauer mit Wassergraben wird über ein Erweiterungspentagon geformt.

Immer wieder bringt man eine Rolandsfigur oder ein Marktplatzkreuz (z. B. Trier) in Verbindung mit der Stadtgründung. In Haldensleben kann man mit dieser geometrischen Deutung davon ausgehen, dass es sich hier beim Roland um den Mittelpunkt einer eigens angelegten Planung handelt. Sicherlich findet man in anderen Rolandstädten ebenfalls eine pentagonale Stadtplanung, welche der hiesigen nahe kommt.

Wie folgende Abbildung zeigt, lassen sich aus dem Planungspentagramm und einem Unterpentagramm im Südwesten auch nahezu alle zur Hauptachse parallelen Straßenzüge bezüglich ihrer Lage ableiten, außerdem die verschiedenen Zirkelpunkte der runden Stadtmauerabschnitte.

Die Bedeutung des Haldenslebener Roland für die Lage und Ausrichtung der Marienkirche

Wie foldende Detailzeichnung zeigt, lässt sich im Innenpentagon des Planungspentgramms ein weiteres, zentrales Pentagramm legen - mit Mittelpunkt "Roland". Von dort aus verläuft eine Achse direkt nach Süden zum Magdeburger Turm. Exakt 45° Grad nach Südwesten verläuft vom Mittelpunkt aus die Hagenstraße zum Hagentor.

Auf einer um 18° Grad (= ein halber Pentagrammspitzenwinkel) geneigten Geraden, welche in ihrem Verlauf die Mauerecke im Südosten der Stadtbefestigung trifft, liegt auch die Mittelachse der Marienkirche. Die östliche Erweiterungsraute des zentralen Pentagramms definiert den Beginn des Kirchenschiffs an ihren einstigen Türmen. Ebenfalls bilden verlängerte Schenkel dieser Geometrie die Länge der Kirche bis zum beginnenden Chor ab.

Die Bezugspunkte "Roland" und "Breiter Stein" bestimmen die Breite des Kirchenschiffs:

Die Breite des Kirchenschiffs bildet eine Parallele zur Kirchenachse durch den Messpunkt "Breiter Stein", welcher im zentralen Pentagramm zudem noch auf dem Schnittpunkt einer ihrer Querachsen liegt. Im gleichen Abstand zur Achse bildet sich die gegenüberliegende, parallele Seite des Schiffs.

Zum Abschluss eine typische Ettergasse:

Die Achsen des "Schmalen Gangs" und in Verlängerung des "Breiten Gangs" bilden eine "Ettergasse", d. h. eine Passage, die aus der Erstplanung stammt und offensichtlich frei bleiben musste. Im südwestdeutschen Raum werden solche ehemaligen Konstruktionsbahnen auch "Winkele" genannt.

Abschließend die Verifizierung des Planungsentwurfs in einer Google-Satellitenaufnahme vom 1.8.2016:

 

 

Donauwörth

Die große Kreisstadt Donauwörth in Bayerisch-Schwaben wurde, eingezwängt zwischen dem Fluss Wörnitz und dem Schellenberg, im 12. Jahrhundert als wichtiger Donauübergang errichtet und 1193 vom Stauferkaiser Heinrich VI. zur Stadt erhoben.

Die Stadtanlage von Donauwörth wurde oberhalb von Suebenwörth an leicht abfallendem Gelände geplant. Der vorliegende Plan stammt aus dem königlich-bayerischen Urkataster von 1816 und gibt die Gründungsplanung anschaulich wieder. Die staufische Ringmauer wurde erst zu Beginn des 13. Jahrhundert angelegt. Da zu dieser Zeit schon eine nicht unbedeutende Bebauung von der Insel aus vorhanden war und die topographische Situation mit Hanglage die Planung erheblich beeinflusste, wirkt die Befestigungsform wie aufgezwungen. Trotzdem sind die Tore und Straßen klar ins System eingebunden. Besonders auffällig ist das weit im Norden liegende Nördlinger Tor, welches sich trotz seiner exzentrischen Lage in Abstand und Lage aus dem Pentagrammschema erschließt.

Der Münsterturm liegt nahezu exakt auf dem westlichen Pentagramm-Schenkel. Freiflächen, Brunnenstandorte, Häuserfluchten und Stadttore liegen auf den Haupt- oder Nebenlinien der einstigen Planung. Häufig liegen Visier-oder Peilpunkte außerhalb der Stadt und sind uns als Mitte einer kleinen Parkanlage, als Bildstock oder als Wartturm bis heute erhalten.

Die aufgehende Wintersonne zum 21. Dezember (Wintersonnenwende), welche in Donauwörth einen annähernden 108 Grad-Winkel von der aufgehenden zur untergehenden Sonne beschert, begünstigt in Donauwörth ein um die Lichtachse gespiegeltes Planungspentagramm. Der am Hang liegende Marktplatz (Reichsstrasse), die Sonnenwirtsgasse, die Kapelgasse bekommen ihr erstes Licht um den 21. Dezember herum, morgens bei Sonnenaufgang.

Bei den Wasserläufen um die Insel herum scheint die aufgehende Sonne wie auch die untergehende Sonne zur Wintersonnenwende in die hinteren Wasserläufe der Wörnitz. Ob dieses Phänomen einst geplant war, liegt im Ungewissen, jedoch bietet sich jedem Fotografen bei klarer Witterung zu Weihnachten Weihnachten ein eindrucksvolles Motiv.

Der künstliche Verlauf der Wörnitz um den Klosterberg ergibt sich aus einem Zirkelpunkt M auf der Pentagramm-Spitze, welcher noch lange durch eine kleine Gartenanlage gekennzeichnet war.

 

 

Nürnberg

Nürnberg in der Schedel'schen Weltchronik, kolorierter Holzschnitt von 1493.

Die Anfänge Nürnbergs als Siedlung liegen im Dunkeln. Als frühe Zentren gelten zwei Königshöfe um St. Egidien und St. Jakob sowie das Areal zwischen Sebalduskirche und Burg.

Schon kurz nach 1050 erlangte die mittelalterliche Stadt überregionale Bedeutung, nachdem ihr Kaiser Heinrich III. (1030-1056) das Markt-, Zoll- und Münzrecht übertragen hatte. Auch ein Fernhandel mit Pfeffer ist für diese frühe Zeit bereits belegt. Zollfreiheit für den Nürnberger Markt erhielten die Wormser Kaufleute und die Juden im Jahr 1112. Eine erste Burganlage dürfte bereits im 11. Jahrhundert entstanden sein.

Die Stadt unterhalb der Kaiserburg wuchs schnell und gedieh. In der zweiten Hälfte des 13. Jahrhunderts entstand die vorletzte Stadtbefestigung mit Tiergärtner Torturm, Laufer Schlagturm, Schuldturm, Weißer Turm und Wasserturm.

Bis zur Mitte des 15. Jahrhunderts musste ein nochmals erweitertes Stadtareal mit einem neuen Stadtmauerring umgeben werden.

Zum weiteren Schutz wurden im 16. Jahrhundert die Befestigungsanlagen der Burgbastei errichtet und die vier Tortürme mit massiven Mauermänteln verstärkt.

Diese beiden letzten Ausbauphasen im 15. und 16. Jahrhundert gibt in etwa nachfolgende Karte wieder. Wie nicht anders zu erwarten, folgte auch die mittelalterliche Stadtplanung Nürnbergs nicht dem Zufalls-, sondern dem Pentagramm-Prinzip. Auch die Sonnwendachsen lassen im Stadtentwurf Nürnbergs nachweisen, finden aber hier keine gesonderte Darstellung.

 

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Zum mittelalterlichen Stadtentwurf Nürnbergs folgende Anmerkungen Peter Klinks:

Bei einer Stadtburg wie in Nürnberg beginnt die Stadtentwicklung meistens von dort aus. Der Auslass oder das Tor Freyung dürfte eine historische Stelle markieren. Als Friedrich II. 1219 die Stadt zur freien Stadt bzw. zur Reichsstadt erhob, war Nürnberg sicher schon zu einer ordentlichen, stadtähnlichen Siedlung herangewachsen. Die Stadtplanung in der Pentagramm-Geometrie entwickelte sich dann aus dem Zentrum der Doppelstadt heraus (zum Vergleich die Skizzen zu Berlin-Neucölln), wobei durchaus ältere Gebäude in die Befestigung integriert wurden.

Planerische Punkte waren ganz sicher der Marktplatzbrunnen, der Südturm der Lorenzkirche sowie der Brückenkopf mit dem Tor auf der Saumarkt-Insel. Man sollte den Blick genauer auf diese Insel im Fluss halten. Gab es bereits eine vorstädtsche Besiedelung der Insel? Ein Beispiel dazu wäre Donauwörth, das einst Schwabenwörth hieß und eine Insel bezeichnete, auf der schon die Sueben gesiedelt hatten.

 

Die aussen liegenden Tore und Türme der letzten Stadterweiterung im 15. Jahrhundert liegen auf Schnitt- und Peilpunkten, die sich aus den planerischen Pentagrammen der Innenstadt ergeben. Die Planung weist auf die Anlage eines zur Siedlung gehörigen Pomerium (Obstgarten) hin. Früh festgelegte Wege, Türen, Tore Ausschautürme, Stiegen, Etterwege oder Zäune waren im Allgemeinbesitz und konnten später problemlos zu erweiterten Befestigung benutzt werden. So findet eine frühe Geländevermessung und -verteilung durchaus ihren Niederschlag im späteren Stadtbild.

 

 

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