Das Pentagramm im Imperium Romanum 753 v. bis 476 n. Chr.)

© Bilder und Text von Werner Robl

 

Das Römerkastell Pfünz und weitere Militärlager am oberrätischen Limes

Zurück mach Europa: Das Kohorten-Kastell Pfünz, auch "Castra Vetoniana" genannt, wurde noch unter Kaiser Domitian ab ca. 90 n. Chr. auf einem Sporn der Jura-Hochebene zwischen den Tälern der Altmühl und des Pfünzer Baches errichtet.

Der Planungsaufriss solch befestigter Römerlager erfolgte nahezu ausschließlich mit Hilfe der Groma im rechtwinkeligen System, das nicht nur die Umfassungswälle und Außenmauern, sondern auch alle Straßenzüge im Inneren einschließlich des Cardo (zentrale Hauptstraße in der Längsachse ) und des doppelt so breiten Decumanus (zentrale Hauptstraße in der Querachse ) sowie alle Nebenstraßen und dazwischen liegenden Gebäude umfasste.

Man sollte annehmen, dass bei solchen streng rechtwinkligen Anlagen für das Pentagramm-Prinzip kein Platz wäre. Doch weit gefehlt! Wie nachfolgende Planzeichnung im ASL-ermittelten Bodenprofil des Lagers Pfünz demonstriert, findet auch hier das Pentagramm seinen Platz, ja sogar seine dringende Notwendigkeit:

Mit Hilfe des Pentagramms ermittelte man auch in vielen Militärlagern wie demjenigen von Pfünz die Achse des Decumanus sowie die Platzierung der Haupttore in dieser Querachse. An den Decumanus und den Cardo grenzten unmittelbar die Principia an, der Gebäudekomplex des Stabes mit dem Fahnenheiligtum und der Stabskasse. Wenn man seine wichtigste Baulinie am Decumanus mit Hilfe des Pentagramms ermittelte, dann verhieß dies Einklang mit göttlichen Recht und deshalb Kriegsglück!

Da Pentagrammlinien und -eckpunkte bei einem Straßensystem nicht inmitten der Fahrbahn zum Liegen kommen konnten, weil hier wegen des Verkehrs alle Meß- und Peilmarkierungen in Kürze verloren gegangen wären, zeigt sich in diesem Fall das Pentagramm leicht achsenverschoben. Seine Südspitzen liegen am Beginn der Krümmungsradien der Umfassungsmauer, seine Nordspitze exakt an einem Pfeiler des Nordtors. Mit seiner Ost-Westachse definiert es die Pfeiler der besondern breiten Tore in Ost-West-Richtung und den Verlauf des Decumanus mit den angrenzenden Principia. Der Straßenverlauf selbst ist in obiger Planzeichnung mit einem gelben Kreuz dargestellt. Das angepeilte Osttor war im Fall von Pfünz wegen des angrenzenden Steilhanges vermutlich nur eine kleine Ausfallspforte mit Fußpfad hinab zu den Bädern am Pfünzer Bach.

Peter Klink hat in ähnlicher Weise die römischen Kastelle von Gnotzheim (1. Jhd. n. Chr.) und Theilenhofen (2. Jhd. n. Chr.) untersucht und dabei dasselbe Konstruktionsprinzip festgestellt.

Einzeichnungen von Peter Klink

Zusätzlich gelang es ihn, den Verlauf des Decumanus im Lager Gnotzheim, also dort, wo sich das Lagerleben am intensivsten abspielte, exakt an der Sonnenuntergangsachse zur Zeit der Wintersonnenwende am 21. Dezember festzumachen.
Südwestecke des Kastells Theilenhofen.
Außerdem war es in beiden Kastellen möglich, den Verlauf weiterer Querstraßen mit Hilfe von Unterpentagrammen zu ermitteln und markante Gebäude-Ecken mit bestimmten Pentagrammpunkten zur Deckung zu bringen. Im Lager Theilenhofen war obendrein das Fahnenheiligtum durch den Schwerpunkt des Hauptpentagramms definiert, im Lager Gnotzheim lag dieser auf dessen Vorplatz!

Interessant ist auch nebenstehender Plan, der die rekonstruierten Fundamente des Südwestturms im Lager Theilenhofen zeigt. Wie hier deutlich zusehen ist, wurde auch dieser Turm und seine schrägen Seitenmauern mit Hilfe eines Pentagramms aufgerissen. Der Schnittpunkt der Mittelsenkrechten in der nordöstlichen Pentagrammspitze mit der Verbindungsgeraden zwischen der Südwest- und der Westspitze beschreibt den Zirkelpunkt des Kreises, der einst die gerundete südwestliche Innenkontur des Turmes beschrieb. Der Zirkelpunkt des Umkreises der Außenmauer liegt dagegen bei größerem Radius auf dem Schnittpunkt des nordöstlichen Pentagrammschenkels mit der besagten Mittelsenkrechten.

 

Die beschriebene Definition der Dekumanus-Achse durch das Pentagramm findet sich bei sehr vielen Römerlagern, aber durchaus nicht bei allen. Im Einzelfall ließen Ortsfaktoren (z. B. Nähe eines Flusses) ein Abweichen zu. Dennoch war das Prinzip mit dem Pentagramm wohl das grundlegende, allgemeingültige. Am Schluss noch zwei Beispiele aus Südbayern, die Lager bei Straubing und Ruffenhofen (mit dem Museum Limeseum).

Das Lager Sorviodurum (Straubing).

 

Bei Ruffenhofen in Mittelfranken ist geradezu der Idealplan eines Lagers gegeben. Nicht nur, dass sich das Kastell ziemlich genau an die Sonnenaufgangsachse zur Zeit der Wintersonnenwende hält - die leichte Winkelabweichung ist dem tatsächlichen Sonnenaufgang wegen des Terrains geschuldet -, nein - auch das Lager selbst mit seinem Straßenkreuz, aber auch die Eckpunkte der "Principia" sind über sämtliche Fixpunkte des Planungspentagramms definiert!

Das Lager Ruffenhofen.

 

 

Die Augustus-Stadt Aosta und ihr Sulcus primigenius (25 v. Chr.)

 

Aosta ist die Hauptstadt der Region Aosta-Tal in den italienischen Alpen, knapp südlich des Alpenhauptkamms.

Das Aostatal wurde 25. v. Chr. von den Römern erobert und der dort ansässige Stamm der Salasser in die Sklaverei verkauft. Noch im selben Jahr gründete Kaiser Augustus die Keimzelle der künftigen Stadt, die "Colonia Augusta Praetoria Salassorum" und besetzte das große Römerlager mit Veteranen seiner Prätorianer-Garde.

In Aosta haben sich bis heute weite Teile der römischen Stadtmauer sowie weitere römische Bauten wie der Triumphboden des Augustus, eine Römerbrücke, Reste des Forums und die Bühnenwand des Amphitheaters erhalten.

Wie man in nachfolgender Satellitenaufnahme an der Lage und Orientierung des römischen Viertels von Aosta gut erkennen kann, orientierte sich der Verlauf des einstigen Dekumanus grob am Sonnenaufgang zur Wintersonnenwende, wobei jedoch dieser wegen der Höhe des südlichen Bergkammes stark verzögert und damit weit südlich stattfand. Ausschlaggebend für die Dimensionierung und Ausrichtung des Lagers war sicherlich der Verlauf des Cardo, der sich bezüglich seiner Achse am oberen Aostatal, d. h. in Richtung Südwest orientierte, um in der dunklen Jahreszeit  möglichst lange Abendsonnenlicht in den Cardo und die langen Nebenstaßen des Lagers fließen zu lassen.

Das Lager selbst mit seinem Mauergeviert wurde nach dem im Vorkapitel vorgestellten Schema über ein Pentragamm aufgespannt, dessen zwei Ostspitzen die Ostfront des Lagers in seiner Breite und dessen westlicher Schenkel exakt den Verlauf des Dekumanus mit je einem Tor im Norden und Süden definierte. Der Innenwinkelpunkt im Osten bestimmte eine weitere wichtige Querstraße, die allerdings an der Mauer jeweils blind endete, d. h. nicht durch weitere Tore nach außen führte.


 

Das Besondere an der Römergründung Aosta liegt jedoch darin, dass sich hier bei kürzlichen Grabungen am Eckturm des Lagers im Nordosten, an der Südostecke des "Torre dei balivi" (gelber Punkt oben), ein skulpierter Eckstein unter dem heutigen Straßenniveau fand, der mit hoher Wahrscheinlichkeit bei der augusteischen Gründung und Errichtung des Turmes gesetzt wurde und nicht nur die nordöstliche Pentagrammspitze (gelber Punkt), sondern auch den Start- und Endpunkt des sogenannten "Sulcus primigenius" definierte. Ein derartiger Markstein ist eine äußerste Rarität. Obwohl es früher eine Menge von Markierungspunkten und Peilstellen gegeben haben muss, so sind sie heute in der Regel nicht mehr oder nur noch durch indirekte Anzeichen nachweisbar.

Im Fall von Aosta zeigt der Eckstein auf seiner südlichen Front einen Pflug (roter Pfeil), darunter auf beiden Seiten je einen Penis mit Hoden als Hinweis auf den Priapus-Kult, und in Höhe des Pflugs auf der anderen Seite ein Tiersymbol, vermutlich ein Capricorn (Tierzeichen Widder). Diese Symbole werden von den Experten heute als relativ spezifisch für Kaiser Augustus angesehen.

An dieser Stelle interessiert aber weniger der Gründungsherr als die Bedeutung des Pfluges.  Er symbolisiert ein Ritual der Römer, das mit der Landvermessung und damit auch mit der Pentagramm-Projektion in unmittelbarem Zusammenhang steht:

 

Exkurs: Die Landnahme der Römer

Der Ausdruck "Sulcus primigenius", wörtlich "die allererste Furche" oder "Urfurche", bezieht sich auf eine Furche, die im Rahmen einer uralten Zeremonie mit einem Ochsen-Kuh-Gespann gepflügt wurde, um damit das heilige, unverletzliche Gebiet einer neuen Siedlung festzulegen.
Grabrelief, Petosiris, Nekropole von Khum/Hermopolis, ptolemäisches Reich, hellenistische Ära.

Der Brauch des "Sulcus primigenius" wurde schon in römischer Zeit als sehr alt angesehen. Gemeinhin wird er mit den Etruskern als Präkursoren der Römer in Italien in Zusammenhang gebracht. Wir allerdings konnten das Ritual durch ein Relief in Oberägypten nachweisen, allerdings in ptolemäischer Zeit, also unmittelbar vor den Römern, so dass hier nur bedingt der Rückschluss auf die geographische Herkunft des Brauches möglich ist. Zur Darstellung kommt auf diesem Relief je ein Ochse und eine Kuh kurz vor dem Anspannen. Relativ spezifisch für das anstehende Ziehen der Urfurche ist nicht nur das zweigeschlechtliche Rinderpaar, sondern auch die Art, wie der dahinterstehenden Treiber sein Toga umgeschlungen hat, sowie die haltung seines Ritualstabs/Ochsenziemers.

Schon Romulus soll 753 v. Chr. zur Gründung der Stadt Rom die Urfurche gezogen haben. Der Sage nach tötete er seinen Bruder Remus, als dieser im Übermut über die soeben von Romulus gezogene, heilige Furche gesprungen war und damit Unheil heraufbeschwor.

 Dionysos von Halikarnass (Urgeschichte der Römer, 1. 88) spricht davon, dass dieser Akt des Romulus allen späteren römischen Stadtgründungen als Vorbild diente. Das Gründungsritual mit dem Rindergespann ist häufig auf der Rückseite der Münzen römischer Kolonien dargestellt, z. B. in Brundisium, Philippi, Caesarea Maritima, Caesar, Akko-Ptolemais, Ninica Claudio, Berytos, Petra, Rhesaena und Antiochia. Es folgt eine subjektive Auswahl solcher Münzen: Man erkennt jeweils einen hinter dem Gespann stehenden Mann, mitunter mit Stab.

Es handelt sich hier jeweils um die Münzrückseite, die Vorderseite trägt das Herrscherportrait. Von links nach rechts: 1. Oktavian, Imperator et consul, 30-29 v. Chr. 2. Augustus, Philippi, Mazedonien, 27-14 v. Chr. 3. Caligula, Caesaraugusta, Hispania Tarraconensis, 41-37 v. Chr. 4. Oktavian, Triumvir et Imperator, Colonia Julia, Cilicia, 31-30 v. Chr. 5. Antoninus Pius, Komama, Pisidia, 138-161 n. Chr. 6. Elagabalus, Petra, Provincia Arabica, 218-222 n. Chr.

Am anschaulichsten ist das Ritual des "Sulcus primigenius" jedoch auf einem Relief aus der römischen Stadt Aquileia in Oberitalien wiedergegeben:

Relief aus Aquileia, julisch-claudische Epoche, heute im Museo Archeologico Nazionale in Aquileia. Der auf der älteren Detailaufnahme unten noch zu sehende Ochsenziemer oder Kultstab ist auf der jüngeren Abbildung oben verschwunden! Das Gleiche gilt für den Nasenring des Ochsen. Hier hat also jemand höchst ungeeignet nachgearbeitet.

Deutlich ist zu sehen, dass die Rinder unter dem Joch per Nasenring von einer Hilfskraft geführt werden, während der Mann hinter dem Pflug mit seinem Stab die Richtung weist. Beide Personen sind durch ihre hochgeschürzte Togen als hochstehende Persönlichkeiten gekennzeichnet. Hinter dem Pfugführer steht eine Gruppe römischer Honoratioren, ebenfalls erkennbar an ihrer Toga. Dass es sich hier um eine Gruppe von Priestern handelt, ist nicht ausgeschlossen, aber auch nicht an spezifischen Insignien erkennbar. Bei dem Stab handelt es sich vermutlich um einen Ochsenziemer, der aber vermutlich weniger ein gewöhnliches Arbeitsgerät als einen Kultgegenstand mit besonderer Bedeutung darstellte. Ihn als "lituus" zu bezeichnen, wie das mitunter geschehen ist, halten wir für verfehlt. Der "lituus" als Zeichen imperatorischer Macht und Insignie der Auguren war in jedem Fall ein Krummstab, oft sogar mit Spirale, was an dieser Stelle nicht zutrifft.

Der römische Landvermesser Hyginus Gromaticus (1. Jhd. n. Chr.) beschreibt den Gründungsakt einer Kolonie sehr genau; er versäumt es allerdings, darauf hinzuweisen, dass schon zuvor bei der Ausmessung des Geländes, das mit der Urfurche umrissen werden sollte, römische Agrimensoren tätig gewesen sind:

Einfaches Modell eies Sciotherum.
Als erstes wurde von den Agrimensoren der Verlauf von Cardo und Dekumanus festgelegt, der Hauptachsen des Lagers/der Siedlung. Dabei ging es in der Regel darum, sich nach dem Verlauf der Sonne zu den Sonnwenden zu richten, manchmal aber bevorzugte man alternativ die exakte Ost-West-Ausrichtung. In diesem Fall geschah die Festlegung der ersten Achse mit einer Art von transportabler Sonnenuhr, dem Sciotherum. Das Gerät bestand aus einer Platte mit Halbkreis und einem senkrechten Stift, der auf die Platte den Schatten den Sonne warf. Der Halbkreis musste dabei kleiner sein als die größte Schattenlänge des Stabes. Sowohl am Morgen als auch am Abend wurde der Schatten so lang, dass er den Kreisbogen schnitt. Die beiden Schnittunkte auf dem Kreisbogen ergaben, miteinander durch eine Gerade verbunden, die exakte Ost-West-Achse.

Römischer Agrimensor mit Groma.
In nördlichen Breiten wurde aber wegen der Lichtausbeute meistens eine der Sonnenachsen zur Zeit der Wintersonnenwende am 21. Dezember zur Ausrichtung bevorzugt. Um die zweite Achse im rechten Winkel zur Hauptachse festzulegen, bediente man sich der Groma, eines fixen Lattenkreuzes mit hängenden Loten, das als Ausleger an einem großen Stab angebracht war. Mit Hilfe dieses Gerätes konnte man unabhängig davon, ob der Trägerstab exakt senkrecht stand oder nicht, anhand der Lotschnüre die aufeinander senkrecht stehenden Achsen exakt anpeilen, um sie auf größere Distanzen mit Pflöcken markieren zu können.

War diese Arbeit erledigt, kam das Pentagramm ins Spiel, das im einfachsten Fall aus 5 gleichlangen Schnüren oder Segmenten einer 4-Knoten-Schnur ohne weitere technische Hilfsmittel ausgepflockt wurde. Im Fehlen einer mechanischen Einrichtung wie beim rechten Winkel per Groma sehen wir einen der Gründe dafür, dass die Bedeutung des Pentagramms solange verborgen blieb, ehe sie von Peter Klink wiederentdeckt wurde. Hätte es dafür ein materielles Substrat gegeben, wären sicherlich schon die Archäologen auf die Idee der Verwendung gekommen!

Beim Aufspannen des Planungspentagramms legte man einen der Schenkel an den schon zuvor definierten Dekumanus und die beiden gegenüber liegenden Spitzen definierten 2 Ecken des künftigen Lagers - oder umgekehrt. Man beachte, dass man bei Verlängerung der Pentagrammschenkel damit beliebige große Flächen und zuvor anhand von Längenmaßen definierte Distanzen aufspannen konnte. Was das Pentagramm aufgrund seiner Stabilität und den  harmonisierenden Eigenschaften des enthaltenen Goldenen Schnitts garantierte, war das optimale Verhältnis von Breite und Länge des Lagers und seiner Hauptstraßensegmente. Es war also das entscheidende Hilfsmittel zur Wahrung der besten Proportionalität! Wenn auf diese Weise 2 der 4 Lagerecken definiert waren, dann konnte man die fehlenden beiden wiederum durch die Groma anpeilen. Im Idealfall spannten sämtliche Eckpunkte des Pentagramms das Lager auf, wie dies z. B. in Ruffenhofen der Fall ist. In Aoasta kam der westliche Eckpunkt außerhalb des Lagers zum liegen, was auch häufig der Fall ist. Externe Landmarken, später auch Zinken (von lat. "signum") genannt, konnten wegen der fehlenden überbauung oft besser bewahrt und markiert werden (z. B. durch Radialfelder mit Spitze) als interne!

Weiteres Hilfsmittel waren bei der Vermessung im abschüssigen Gelände auch Schlauchwaagen und der Chorobat, ein Nivelliergerät aus Holz mit einer Art von Wasserwaage und Pendelloten. Distanzstangen definierter Größe (römischer Schritt und Fuß) und endständigen Kontaktknaufen, die sogenannten "perticae", kamen bei der Längenmessung zur Anwendung.

Zivilsiedlungen ermöglichten und erforderten im Vergleich zu Militärlagern wegen ihrer variablen Umrisses natürlich komplexere Vorgänge, die Grundverfahren blieben jedoch die gleichen.

Zum Zeitpunkt, als der endgültige Grundriss  des Lagers/der Siedlung in Aosta per Urfurche festgelegt werden sollte, war also bereits eine Menge geodätischer Vorarbeit geleistet, die Grundform und das Zentrum der künftigen Ansiedlung waren bereits komplett abgesteckt.

All dies hat leider Hyginus Gromaticus verschwiegen. Im Weiteren darf man aber getrost seiner Schilderung folgen:

Das Pflugsymbol von Aosta, darunter die Genitalien des Priapus, Symbole der Fruchtbarkeit.

Nachdem in Anwesenheit der künftigen Siedler die Auspizien, d. h. die priesterliche Vogelschau, vollzogen und der Segen der Götter herabgerufen war, umpflügte der "legatus coloniae deducendae", der "Anführer der zu gründenden Kolonie" im kaiserlichen Auftrag das vorgesehene Areal. Bei diesem Legaten scheint es sich also nicht um einen Oberpriester, wie oft kolportiert wird, sondern um eine politische bzw. militärische Persönlichkeit gehandelt zu haben!

Mit Hilfe eines Ochsenführers und seines stilisierten Ochsenziemers zog dieser Legat nun feierlich seine Bahn mit dem Pflug - gegen den Uhrzeigersinn und mit einem weißen Ochsen/Stier außen und einer weißen Kuh innen.

Dabei symbolisierte der aussen gehende Ochse/Stier die Kraft, mit der man diese Siedlung nach außen verteidigen würde, und die innen gehende Milchkuh beschwor die wirtschafliche Tragkraft, gute Ernährungsgrundlage und Prosperität der künftigen Gemeinde.  Während des Gespannführens hatte der Legat einen Teil seiner Toga "ritu Gabino", d. h. nach Art der Gabiner (eines frühen Nachbarvolkes der Römer), um den Kopf und die Lende gewunden (wohl um sie nicht zu beschmutzen), so wie es auf obigen Abbildungen zu sehen ist. Der Pflugführer hielten den Knauf am Pflugbaum immer so, dass, die Scholle nach innen fiel. Sie symbolisierte mit ihrer Erhabenheit die künftige Mauer der Siedlung, die Furche den davor liegenden Graben. An Stellen, an denen später die Tore vorgesehen waren, hob der Legat den Pflug an, so dass hier die Furche gezielt unterbrochen wurde. Nur hier durfte der Fuß des Menschen die Demarkationslinie durchschreiten, an der Furche selbst nicht! (Vgl. Varro, De lingua Latina, 5.143).

Nachdem die Pflugbahn vollendet und das Gespann wieder an seinem Ausgangsort angekommen war, ging es an die "sortitio", d. h. an die Landverteilung per Losentscheid. Nach der Festlegung der Lageraußengrenzen hatten die Agrimensoren auch schon die Innenflächen und den avisierten Lager-Vicus mit der Groma in "insulae" (Viertel) und Parzellen, sowie das umgebende Ackerland in "centuriae" von 710 m Kantenlänge eingeteilt und mit Nummern und Los versehen ("sortes acceptae").

Die Zuteilung des Landes geschah, wie man durch die Schriften des Hyginus Gromaticus weiß, per Losverfahren in 3 Schritten: Zunächst wurden die Bewerber in "decuriae" oder "conternationes" eingeteilt (10 bzw. 3 Berechtigte pro "centuria"), dann wurde die Reihenfolge festgelegt, in der diese Gruppen ("consortia") die Lose ziehen sollten. Erst danach wurde der eigentliche Losentscheid, die  "sortitio centuriarum" durchgeführt. Der "legatus" hatte dazu auf seinem Kurulensitz, der "sella curulis",   Platz genommen und vor seinen Füßen die Urne mit den Losen stehen. Aus dieser Urne wurden die Lose - wahrscheinlich beschriftete Holzstäbchen - gezogen und so jedem sein Stück Land zugeteilt.

Bleibt noch zu ergänzen, dass nach Varro an definierter Stelle inmitten des künftigen Zentralheiligtums der zu gründenden Siedlung ein Erdkeller, auch "mundus" genannt, angelegt wurde, in den man aus rituellen Gründen die Erstlinge aller angebauten Feldfrüchte hineinwarf. Sein Eingang war nur an drei Tagen im Jahr offen und ansonsten mit einem Manenstein, dem "lapis manalis", verschlossen. Es handelte sich hier um den verbliebenen Rest eines archaischen Kultes tellurischer Gottheiten.

Die Inbesitznahme und Gründung eines Römerortes wie Aosta bestand demnach aus drei sukzessiven Verfahren:

  • Die Vorvermessung des Lagers und der Zenturien - mit Pentagramm, Groma und anderen Hilfsmitteln.

  • Die rituale Definition der Außenumfriedung des Lagers/der Kolonie durch den "Sulcus primigenius". Dieser sakrosankte Gründungsakt beinhaltete auch die Erklräung des zuvor fremden Landes ("ager peregrinus") zum "ager publicus populi Romani", d. h. zum offiziellen römischen Staatsgebiet.

  • Die "sortitio", d. h. die Verteilung des Landes an die Siedler, Handwerker etc. geschah durch den Legaten per Losentscheid.

Im Fall von Aosta verewigte man den zweiten dieser Vorgänge, die unter Kaiser Augustus stattfanden, mit einem skulptierten Stein am Nordostturm des Lagers - also gerade dort, wo man das rituelle Pflügen der Lagerbegrenzung begonnen und geendet hatte.

Aus Frontinus, "De agrorum qualitate".
Es ist durchaus denkbar, dass auch Vorlager-Areale, der künftige Lager-Vicus, und auch agrarische Flächen in diesen Vorgang des Umpflügens einbezogen wurden. Diese Ansicht wird vor allem durch nebenstehende mittelalterliche Abbildung in einem Werk des Sextus Julius Frontinus (um 35-103 n. Chr.) unterstützt. Die gezackte Linie beschreibt dabei den Sulcus primigenius, das Gitternetz die Zenturiation. Unten verläuft ein Fluss. Das zentrale Rechteck ist wohl das eigentliche Militärlager.

Dass in den Alpen das Pflügen des "Sulcus primigenius" noch zur Karolingerzeit stattfand, nunmehr unter der Ägide eines Bischofs, und noch um 1500 in seiner Signifikanz erkannt war, hat Peter Klink für den Vintschgauer Ort Naturns anhand eines Freskos an der dortigen Prokuluskirche nachgewiesen.

 

Die drei Grazien - Fresko aus einem Haus in Pompeji (79. n. Chr.)

 

Dieses Fresco fand sich in einem Haus der Ruinenstadt Pompeji. Pompeji galt als eine der schönsten Städte des Römischen Reiches, ehe es bei einem Ausbruch des Vulkans Vesuv im Jahr 79 n. Chr. in wenigen Minuten unter einer dicken Schicht von Asche begraben wurde. Die schreckliche Naturkatastrophe ist heute ein Glücksfall für die Kunstgeschichte, denn nirgends sonst blieben Fresken und Kunstgegenstände der römischen Glanzzeit so vollständig erhalten.

Das Original dieses Frescos aus dem 1. Jhd. n. Chr. befindet sich heute im Archäologischen Natiuonalmuseum in Neapel. Es ist gut zu erkennen, dass sich der namentlich unbekannte Künstler bei der Disposition der drei nackten Frauengestalten eines Pentagramms bedient hat, über dessen Achsen er Köpfe, Arme und Beine festlegte. Den Schwerpunkt des Pentagramms bildet der Ansatz der "Rima ani" der mittleren Grazie, welche dem Betrachter als einzige ihre Rückseite anwendet.

 

 

Gladiatoren in der Arena - Fresko aus Pompeji (79 n. Chr.)

 

Peterr Klink hat für uns folgendes Fresko aus Pompeji analysiert und einen weiteren Pentagramm-Entwurf aufgedeckt:

 

 

Das Pentagramm im Grundriss zweier spätrömischer Basiliken

 

Die hier vorgestellten Basiliken, die Konstantinbasilika in Trier und die Maxentiusbasilika in Rom, sind insofern interessante Untersuchungsobjekte, als sie das architektonische Bindeglied zwischen der paganen Architektur des Römischen Reiches und der christlichen Architektur des Frühmittelalters darstellen. Die Maxentiusbasilika ist dabei um wenige Jahre die ältere von beiden.

In seiner eigentlichen Bedeutung weist das griechische Lehnwort "basilica" auf eine Königshalle hin (von griechisch "basileus", der König), mithin auf einen weltlichen Repräsentanzbau, wie er sich in der Zeit des Hellenismus (336-30 v. Chr.) entwickelte. In dieser Form wurde der Bautypus als "domus basilica", d. h. königliches Haus, von den Römern übernommen; die erste datierbare Basilika in Rom stammt aus dem Jahr 185 v. Chr. und hieß "basilica portia".

Die Maxentiusbasilika in Rom wurde in den Jahren zwischen 307 und 313 n. Chr. am Rand des "forum Romanum" errichtet. Mit einer Fläche von 70 x 100 m fiel sie ungewöhnlich groß aus und erinnert so mehr an die großen Thermenhallen in Rom als an ihren eigenen Prototyp. Daher auch die zeitgenössische Bezeichnung "basilica nova", d. h. "neue Basilika" oder "Basilika im neuen Stil". Bauherr war der letzte nicht-christliche Herscher in Rom, Kaiser Maxentius (278-312). Noch vor Fertigstellung des Baus wurde Maxentius im Jahr 312 an der Milvischen Brück von seinem Rivalen Konstantin besiegt, der als Kaiser um 324 n. Chr. erstmals in der römischen Geschichte den christlichen Glauben zur Staatsreligion erhob. Noch aber war es bei der Fertigstellung der Basilika noch nicht soweit; sie wurde allerdings als weltliches Gebäude von Senat dem Kaiser und amit auch dem Kaiserkult gewidmet.

Obwohl dieser Bau, von dem sich heute nur noch ein Seitentrakt erhalten hat, insgesamt stark überdimensionert und allzu wuchtig wirkt und wenig Ähnlichkeit zu frühchristlichen und romansichen Kirchen aufweist, so hat er dennoch für diese den architektonischen Prototypus abgegeben: Zu den Parallelen gehört nicht nur der dreigliedrige Aufbau mit 2 Seitenschiffen, sondern auch die Stirnapsis als Kultort und die Überwölbung aller Joche (in Ablösung der traditionellen Kassettendecke).

Wie die Analyse belegt und nachfolgende Abbildung zeigt, findet sich der Grundriss der Maxentiusbasilika über ein großes Innenpentagramm aufgespannt. Ein kleines Pentagramm erschließt die Rundapsis. Daraus können mehrere Baulinien abgeleitet werden, sowohl in der Längs- als auch in der Querachse.

 

Die Konstantinbasilika in Trier wurde nicht mehr unter Maxentius, sondern erst unter Konstantin dem Großen begonnen, daher ihr Name. Dieser hohe Apsidensaal aus Backstein ist mit 69,8 x 27,2 m deutlich kleiner als die Maxentiusbasilika in Rom, aber die 2,7 m dicken Außenmauern tragen die gesamte Dachkonstruktion, so dass die Halle im Inneren ohne Zwischenpfeiler auskommt. Als Teil des Kaiserpalastes diente die Aula ursprünglich für Audienzen und öffenbtliche Auftritte des Kaisers, wenn er in Trier weilte. Wenn sich diese Palastaula noch heute in erstaunlich guter Qualität dem Besucher präsentiert, dann ist das weniger der Güte der Originalsubstanz zu verdanken als einer stilreinen Rekonstruktion im 19. Jahrhundert und einem Wiederaufbau nach weitgehender Zerstörung im Zweiten Weltkrieg. Man beachte, dass die Bezeichnung "basilica" kunstgeschichtlich insofern ein wenig in die Irre führt, als damit ja dreischiffige Gebäude gemeint sind, aber nicht eine stützenlose Saalkirche wie im vorliegenden Fall. Gerade in dieser Disposition wurde die Konstantinbasilka mit ihrer Flachdecke zum Vorbild unzähliger vorromanischer und romanischen Saalkirchen. Mehr noch: Sie wies deren Baumeistern sogar die G´renzen des Möglichen auf, sowohl was die Höhe als auch die Spannweite anbelangt. Die Umwidmung in einen Sakralraum erfolgt in Trier erst im Jahr 1956. Heute wird der Apsidensaal auch für Ausstellungen und Konzerte genutzt.

Auch wenn nicht alle Bauteile aus der Römerzeit stammen: Als original römisch darf man getrost den Grundriss der Konstantinbasilika gezeichnen, selbst wenn nach der Zerstörung im Zweiten Weltkrieg einige kleinere Anbauten bei Wiederaufbau weggelassen wurden. In der Panzeichnung präsentiert sich der Grundriss, wie folgt:

Erneut zeigt sich das Grundprinzip der Planung mit dem Pentagramm:

Mit zwei Großpentagrammen lässt sich der gesamte Kirchenraum inklusive Apsis erschließen. Bezugspunkte sind bei dem allergrößten Teil der frühen Kirchenbauten die inneren und nicht die äußeren Gebäudeecken; so auch hier. Dies ist gut verständlich unter dem Aspekt, dass zum Bau der Plan durch ein Schnurgerüst aufgespannt wurde, das im Inneren des Raumes möglichst lange erhalten bleiben konnte, selbst dann, wenn die Außenmauern schon ein gutes Stück hochgezogen waren. Mit Unterpentagrammen erschließen sich im Fall der Konstantinbasilika weitere Baulinien, die Position einiger Fenster, die Spannweite der Rundapsis. Selbst ein heute nicht mehr vorhandener Westbau, dessen ehemalige Fundamente bekannt sind, sowie die Dimension der Südwestportale und -fenster lässt sich über ein Pentagramm erschließen.

 

 

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