Byzanz - Ostrom

© Werner Robl

 

Die Hagia Sofia in Istanbul (um 535 n. Chr.)

 

Sie gilt als eine der bedeutendsten Kirchen der Christenheit: Die Hagia Sofia in Istanbul. Die Krönungskirche der oströmischen Kaiser wurde in den Jahren zwischen 532 und 537 n. Chr. unter Kaiser Justinian I. als Kuppelbasilika errichtet und 1453 n. Chr. von den Osmanen in eine Moschee umgewandelt. Die Hagia Sophia ist das letzte große Bauwerk der Spätantike und das bei weitem bedeutendste, denn es brachte nicht nur die byzantinische Architektur und Kunst hervor, sondern war als Hauptkirche des Byzantinischen Reiches auch Staatssymbol, zugleich die Kathedrale Konstantinopels und religiöser Mittelpunkt der Orthodoxie. Heute gilt sie als das bedeutendste Wahrzeichen Istanbuls.

in der ehemaligen Kirche steckt einer außergewöhnliche architektonische Leistung. Bis heute ist die Hagia Sofia der Bau mit der größten Kuppel der Welt auf 4 Tragpunkten geblieben.

Dass die Hagia Sophia "einen finalen Bruch mit der Ästhetik heidnischer antiker Baukunst vollzieht" (Zitat aus Wikipedia, nach dem Kunstkistoriker Slobodan Curcic: Architecture in the Balkans – From Diocletian to Süleyman the Magnificent, 2010), stimmt indes in keiner Weise. Denn die Hagia Sofia ist perfekt nach dem Pentagramm konstruiert - und somit nach einer antiken Tradition, sowohl, was den Grundriss, als auch, was den Aufriss anbelangt.

Werfen wir zunächst einen Blick auf den Grundriss:

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Der zentrale Kuppelsaal ist über zwei gespiegelte Pentagramme konstruiert, aus denen sich die drei Umkreise der Hauptkuppel und der hälftigen Nebenkuppeln ableiten. Die Lage der Tragpfeiler werden von diesen beiden Pentagrammen ebenfalls definiert. Zusammen mit einer Vielzahl weiterer Pentagramme - wir haben hier nur einen Teil der Möglichkeiten eingezeichnet - leiten sich fast alle wichtigen Peilpunkte und Baulinien des Gesamtgebäudes ab. In der Planzeichnung sind aus Gründen der Übersicht die Knotenpunkte als blaue Kreise eingezeichnet, die davon abgeleiteten Baulinien entfallen. Sie lassen sich jedoch unter Beachtung  des rechten Winkels problemlos davon ableiten.

Noch evidenter als im Grundriss wird das aus der heidnischen Antike übernommene Pentagramm-Prinzip im Aufriss der Großkirche:

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Allein auf der Fundamentebene lassen sich 5 nebeneinanderstehende Pentagramme festlegen, welche alle wesentlichen Fluchten und Baulinien, die Stockwerkhöhen und Kuppelradien (gelbe Kreise) etc. festlegen! Auch hier sind aus Gründen der Übersicht die in der Horizontalen und Vertikalen verlaufenden Baulinien weggelassen und nur deren blaue Knotenpunkte eingezeichnet.

In der Hagia Sofia ist demnach das Pentagramm-Prinzip geradezu perfektioniert!

Von Byzanz aus trahlte die neue Baukunst bis nach Oberitalien. Es folgt nun eine der bedeutendsten ravennatischen Kirchen, die wenig nach der Hagia Sofia unter byzantinischem Einfluss entstand.

 

 

Sant' Apollinare in Ravenna (6. Jhd.)

 

Die folgende frühchristliche Kirche steht bei Ravenna in Oberitalien, sie entstand jedoch unter byzantinischen Einfluß, so dass sie hier unter den Stichwort "Byzanz" erscheint.

Das Apsismosaik des Heiligen Apollinaris

Apollinaris gilt als Gründer der christlichen Gemeinde von Ravenna, wo er als deren Bischof und Märtyrer auch starb. Im Jahr 549 n. Chr. wurde über seinem Grab die Kirche Sant' Apollinare in Classe vor den Toren Ravennas eingeweiht. Die mit herrlichen Mosaiken geschmückte Kirche hat die Zeiten überdauert und ist zusammen mit 7 weiteren  spätantiken Bauwerken in Ravenna als UNESCO-Weltkulturerbe anerkannt.

Wie an den Konturen des Bischofsgewandes und der Achsstellung der Arme und Beine des Heiligen unschwer zu sehen ist, wurde das Apsismosaik des Bischofs Apollinaris über zwei aufeinander stehenden, an der Querlinie gespiegelten Zentralpentagrammen aufgespannt. Aber nicht nur die Heiligenfigur selbst, sondern auch das Kreuz über dem Heiligen und die Seitenpartien der Apsishalbkuppel sind nach den Regeln des Pentagramms gestaltet, wobei hier der mythische 72°-Winkel überwiegt. Leichte Abweichungen sind durch die Wölbung im Original bedingt, die in der planen Fotographie nicht vollständig ausgegleichen werden können.

 

Grundriss und Aufriss der Kirche Sant'Apollinaris

Dass sich der gestaltende Künstler von Sant' Apollinare auf die Anwendung der pentagonalen Geometrie verstand, hat der Leser erfahren. Dass dies im gleichen Maß für den Baumeister der Basilika (in Personalunion mit dem Künstler?)zutrifft, kann man den Grund- und Aufriss der Kirche entnehmen:

Zunächst zum Grundriss:

Obige Abbildung wirkt nur auf den ersten Blick hin etwas unübersichtlich. Wenn man von den Ecken der südwestlichen Eingansghalle mit ihren beiden Fluchten zwei Großpentagramme in das Schiff hineinprojiziert, errreicht man mit den gegenüberliegenden Spitzen der Pentagramme einmal den Treppenfuss zum erhabenen Prsbyterium, mithin die Abgrenzung des Volksraumes zum Pristerraum, zum anderen Mal direkt das Zentrum des Hauptaltars mit seinen Reliqueien (im Plan gelbes und rotes Großpentagramm). Der östliche Querschenkel des gelben Pentagramms schneidet obendrein zudasmmen mit der Zentralachse desBaus die Heiligengruft inmittten der Kirche. Die Trennung von Schiff und Chor bzw. Volks- und Priesterraum durch eine Pentagramm-Konstruktion findet sich übrigens nicht nur hier in Oberitalien, sondern auch bei etlichen romansichen und gotischen Basiliken und Kathedralen Europas (siehe auch die Kapitel Romanik und Gotik).

 Unter zusätzlicher Anwendung von Nebenpentagrammen lassen sich sämtliche Baulinien und Fluchten der 3 Kirchenschiffe ableiten (blaue Linien; die entscheidenden Schnittpunkte sind rot markiert). Selbst das Presbyterium ist über ein kleineres Zentralpentagramm konstruiert, zwei daraus resultierdnde Innenwinkel definieren exakt die Breite der Aufgangstreppe, die Spitze des Chor-Pentagramms markiert das Scheitelfenster der zentralen Rundapsis.

Doch damit nicht genug. Auch der Aufriss der drei Kirchenschiffe ist von der Pantagramm-Geometrie geprägt. Ein Großpentagramm lässt zusammen mit Unterpentagrammen an seinen Spitzen die Ableitung sämtliche Geschosshöhen des Mittelschiffs und der Seitenschiffe zu, definiert außerdem die Höhe der Säulen, des Obergadens, der unteren Seitenfenster u. v. a. m.

 

Fazit: Mit dieser durchdachten Konstruktion atmet die frühchristliche Basilika bei Ravenna noch ganz den Geist der Antike. Exemplarisch macht sich hier das Christentum ein ursprünglich paganes Progamm für eigene sakrale Zwecke zunutze!

 

 

Zu byzantinischen Kunst gehört auch die sakrale Kunst der Ikonenmalerei, die sich nach dem Byzantinischen Bilderstreit im 8./9. Jahrhundert auf alle orthodoxen Kirchen ausbreitete.

Wegen ihrer besonderen Tradition der Pentagramm-Technik, die sich bis in das 6. Jahrhundert n. Chr. zurückverfolgen lässt und sich trotz des Bilderstreits unabhängig von westlichen Traditionen immer weiter entwickelte, haben wir ihr ein eigenes Kapitel gewidmet.

Zu diesem Kapitel gelangt man durch Klick auf das nebenstehende Bild!

 

 

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