Unbekanntes mittelalterliches Hohenburg

Miszellen zur Hohenburger Geschichte

 

© Dr. Werner Robl, Berching, März 2018

 

 

"Jam periere ruinae - Selbst die Ruinen sind zugrunde gegangen." Lukan, Pharsalia.

 

Einleitung                    

Geschichte wird normalerweise geschrieben. Was den Markt Hohenburg an der Lauterach anbelangt, so wird sie ausnahmsweise auch einmal gezeichnet!

Was ist damit gemeint?

Hohenburg war vom 11. bis 13. Jahrhundert Zentrum einer nordgauischen Grafschaft, am Ende sogar Markgrafschaft, ehe Burg und Ort sowie einige Liegenschaften der Umgebung im Jahr 1257 an das Hochstift Regenburg fielen. Dort verblieb die Herrschaft mit geringen Unterbrechungen über ca. 550 Jahre, bis zur Säkularisierung. Am Ende ging sie im Königreich Bayern auf.

Wegen dieser einmaligen Bedeutung und Entwicklung hatten Hohenburg und seine Herrschaft das Glück, nicht nur von einem, sondern gleich von einer ganzen Reihe von Historikern und Heimatforschern untersucht und beschrieben zu werden. Wir erinnern in diesem Zusammenhang an die in Hohenburg bestens bekannten Namen Thomas Ried, Nikolaus Erb, Hans Dachs, Friedrich Spörer, Manfred Jehle, Heribert Batzl und Jürgen Dendorfer. [01]

Nichtsdestotrotz scheinen diesen Historikern nicht alle geschichtlich interessanten Phänomene Hohenburgs aufgefallen zu sein. Den Hinweis entnehmen wir folgenden Karten von 1600, welche der Zeichner Matthäus Stang nach der Registratur des Pfarrers Christoph Vogel im Auftrag des Hauses Pfalz-Neuburg anfertigt hat. [02]

Wenn man mit der Maus über folgenden Kartenausschnitt fährt, werden 4 Strukturen und Orte optisch hervorgehoben, welche in der Hohenburger Geschichtsforschung keinen nennenswerten Niederschlag gefunden haben. Mit ihnen wollen wir uns im Folgenden etwas näher beschäftigen.

Ausschnitt aus der "Tabella Geographica deß Regenspurgischen Bischefflichen Pflegambts Hohenburg auf dem Nordgeu im Fürstentumb Neuburg und dessen Landgericht Lengfeld...", Karte von Matthäus Stang, nach einer Skizze von Christoph Vogel, 1600, BayHStA München, Plan 3693.

- Durch Klick auf die Karte gelangt man zu einer vergrößerten Darstellung! -

Matthäus Stang hat im selben Jahr 1600 zum Amt Hohenburg auch noch 4 Teilkarten angefertigt, deren eine in wenigen Details geringe, aber beachtenswerte Abweichungen zur zuerst gezeigten Karte zeigt:

Teilkarte aus dem Libell zum Pflegamt Hohenburg, 1600, BayHStA München, Plan 3598.

Die heute vergessenen Gebäude weist auch eine weitere Karte aus dem Bayerischen Hauptstaatsarchiv aus, welche nach Hans Dachs aus demselben Jahr 1600 stammen soll, aber möglicherweise doch etwas älter ist als die zuvor gezeigten.

Ausschnitt aus Plan 177 BayHStA München: "Delineation und Abriß der freyen Reichsherrschafft Hochenburg am Nordgau, sambt all desselben gegen Cur- und Junge Pfalz habenden March- und Grenitzstain" (auch enthalten bei Dachs, Markrecht Hohenburg, zwischen Seite 24 und 25).

Beginnen wir mit dem am östlichsten gelegenen Gebäude:

 

Turmburg und Kapelle St. Leonhard                    

Auf dem linken Hochufer der Lauterach ist eine Bauruine erkennbar, die Matthäus Stang im Jahr 1600 zeichnerisch erfasst und mit dem Schriftzug "S(ankt) Leonhar(d)" versehen hat.

Links Ausschnitt aus BayHStA Plan 3693, rechts aus BayHStA Plan 3598, Kolorierung durch uns. Im Folgenden werden die Ausschnitte nicht mehr eigens nach Plannummer gekennzeichnet.

Matthäus Stang hat sich in seinen Abbildungen auf die Ruine einer quadratischen oder rechteckigen Turmburg festgelegt, welche mindestens dreistöckig angelegt war und vermutlich einen Einstieg in mehreren Meter Höhe aufwies. Deutlich wird dies vor allem an der linken Abbildung, die wir als die detailreichere und deshalb authentischere, zuerst entstandene ansehen. Der Turm ist auf beiden Plänen mit einer vorgeschalteten Zwingmauer in Rechteckform versehen, wobei der Detailplan im Gegensatz zum Übersichtsplan auf der Bergseite keinen korrekten Anschluss an den Turm aufweist. Wenn dies zeichnerische Absicht war, dann hat sich der Zeichner möglicherweise nachträglich an ein bergseitiges Eingangstor in den Burgbereich erinnert.

Auf dem weniger sorgfältig gezeichneten Plan 177 ist an entsprechender Stelle - zwischen der "Stettkirchen" und dem nördlichen Ende des zugehörigen Bergrückens - ein Gebäude mit Satteldach erkennbar, das allerdings eher wie ein Beihaus der Kirche und weniger wie eine Burg wirkt. Interessanter ist da eine Strichzeichnung auf dem nach Nordosten angrenzenden Hügel, die wohl einer Turmburg in diesen Bereich galt, aber beim Ausmalen der Karte vergessen wurde.

Ausschnitt aus Plan BayHStA 177.

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Bei einer Begehung des Hügels, die wir am 23. Februar 2018 zusammen mit einigen geschichtsinteressierten Hohenburger Bürgern durchführten, fand sich in der Tat das Korrelat der Turmburg.

Das ALS-gestützte Bodenprofil zeigt die entsprechende Stelle, das 1830 erstellte Ortsblatt des k.-b. Urkatasters gibt im betreffenden Areal auffallend unregelmäßig gezackte Brachflächen wieder, die offensichtlich gezielt von den angrenzenden Nutzflächen ausgespart wurden - wohl in der Absicht, eine für neuzeitliche Bebauung quasi sakrosankte Fläche einer vergangenen historischen Struktur zu kennzeichnen. Nach unseren Ermittlungen zur hochmittelalterlichen Pentagramm-Planung des Marktes Hohenburg lag dort auch einer der wichtigen Peilpunkte.

Überprojektion des durch Airborne Laser Scan (ALS) ermittelten Bodenprofils mit den k.-b. Urkataster von 1830.

Folgende Aufnahme zeigt den vormaligen Turmhügel aus der Distanz.

Der Turmhügel aus der Ferne, Aufnahme vom 21.03.2018.

Heute führt zur ehemaligen Burgenstelle ein Kreuzweg hinauf, mit schönen schmiedeeisernen Wegkreuzen und einem großen Feldkreuz mit einem Oberpfälzer Blechtafel-Christus am Gipfel. Entsprechend der Einzeichnung im k.-b. Urkataster lag der Kalvarienberg 1830 noch auf dem nördlichen Nachbarberg, dort vermerkt als "Calvariberg".

Schon beim Aufgang betritt man historischen Boden: Die Wegrampe, die zu der ehemaligen Burgenstelle und zum Gipfelkreuz hinaufführt, zeigt unter schütterem Bewuchs durchgehend eine Pflasterung mit Feldsteinen, im oberen Anteil finden sich bergseitig schöne Züge von alten Trockenmauern, gesäumt von einigen Bildstöcken. Trockenmauern und Pflasterung sind nicht als mittelalterlich, sondern eher als neuzeitlich anzusehen, möglicherweise zusammen mit der Gestaltung des Kreuzweges entstanden.

Der Aufgang zur ehemaligen Burgenstelle, Aufnahme vom 23.02.2018.

Trockenmauerzüge aus Kalkstein...

... und aus unterschiedlichen Bauphasen säumen den Weg. Aufnahmen vom 23.02.2018.

Oben angekommen, entdeckt man unter Kiefern und Laubbäumen eine Unmenge großer, bemooster Dolomitblöcke, z. T. zusammengewürfelt und aufgehäuft. Es muss sich hierbei um die Überreste des von Stang registrierten Turmes handeln. Soweit bei der Laub- und Schneedecke erkennbar, sind keine behauenen Quader darunter, was jedoch nicht verwundern muss, da solche von den alten Hohenburgern nach dem Verfall des Gebäudes sicherlich zur weiteren Verwendung ins Tal gebracht wurden. Was übrig blieb, sind aber zweifelohne keine Felsen des Mutterbodens, sondern Artefakte aus Menschenhand, und dabei von solcher Stattlichkeit, dass man noch heute grob auf die einstige Masse dieser abgegangenen Turmburg zurückschließen kann. Nicht mehr exakt nachvollziehbar sind beim gegenwärtigen Zustand die Ausrichtung und die Maße des Fundamentes. Der Eindruck, den man mit Tangentialblick von Norden aus gewinnt, nämlich, dass es sich sogar um ein polygonales Gebilde gehandelt haben könnte, wie z. B. der Turm in Ebermannsdorf oder in Sulzbach, trügt vermutlich, denn es könnte sich bei der gesehenen Knickbildung um ein Einsturzartefakt handeln. Man darf aber sicher sein, dass eine Freilegung und exakte Vermessung diese offenen Fragen klären würde.

Aufnahme vom 23.02.2018. Der Anblick der Turmbasis vom südöstlich durchziehenden Feldweg aus.

Aufnahme vom 23.02.2018. Eine verstürzte Turmecke.

Aufnahme vom 23.02.2018. Trümmerfeld aus der Südwestwand des Turmes.

Nicht minder beeindrucken die Reste der einstigen Zwingmauern, welche diese Burg umgaben, selbst wenn ein Großteil davon längst abgerissen und abtransportiert bzw. in barrenförmigen Haufen beiderseits des Feldweges abgelagert ist: Auf der östlichen Seite des Feldwegs, der heute auf die Abhänge des Sandberges hinaufführt und möglicherweise einen aufgeschütteten, heute nicht mehr erkennbaren Halsgraben quert, finden sich aber noch immer lineare Mauerreste aus Bruchsteinen von stattlicher Dimension. Unter Knickbildung setzt sich dieser Mauerzug weit in Richtung Stettkirchen fort, er entspricht in diesem Abschnitt aber nicht mehr einer ehemaligen Zwingmauer der Burg, sondern einer viel niedrigeren Stützmauer zur Ausbildung einer Geländeterrasse (siehe Laserkarte oben).

Die Mauerreste östlich des Feldweges. Aufnahme vom 21.03.2018.

Aber auch westlich des Turmes, an der abschnittsweise auffallend linear verlaufenden Kante des Abhanges in Richtung zum Markt Hohenburg, finden sich noch große Felsblöcke als Reste der einstigen Umfassungsmauer.

Mauerreste an der westlichen Hangkante. Aufnahme vom 23.02.2018.

Nach Süden ist das ehemaligen Burgengelände hangabwärts terrassiert und abgestuft. Der südwestlich des Turms erhaltene, eine Hangebene tiefer gelegene Mauerrest zeigt im Gegensatz zu den oberen Mauerzügen überwiegend kleinteiliges Bruchsteinmaterial. Dabei ist nicht sicher zu entscheiden, ob hier nur die Reste des Mauerkerns übrig geblieben sind oder ob an dieser unbeschatteten Stelle die Witterung mit ihren hohen Temperaturspannen zwischen Sommer und Winter besonders gründlich ihr Erosionswerk verrichtet hat. Stattlich sind auch diese Mauerreste!

Reste eines verstürzten Mauernzuges.

Auf tieferem Niveau lässt das Laser-Bodenprofil und der Aspekt vor Ort auch Reste von Kellern und weiteren Bauten erkennen (siehe Steinwand im Bild). Es ist gut möglich, dass sich hier einst die Gebäude einer kleinen Vorburg befanden.

Häuser- und Kellerreste auf der Südwestterrasse unterhalb der Turmburg, Aufnahme vom 21.03.2018.

Eine alte Postkarte aus der 1. Hälfte des 20. Jahrhunderts zeigt das ganze Areal noch wesentlich freier, weniger bewachsen.

Ausschnitt einer Postkarte.

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Am Ende der Ortsbesichtigung blieben trotz der eindrucksvollen Steinreste viele Fragen offen. So ist z. B. vorderhand nicht klar, warum der Zeichner Stang diese ehemalige Turmburg mit dem Patrozinium des heiligen Leonhards verknüpft hat, zumal weder auf den Stang'schen Karten noch vor Ort auch nur die geringsten Reste einer Kapelle zu entdecken sind. Im Übrigen stellt sich die Frage, wer für diesen Burgenbau verantwortlich war und wann er entstand.

 

Durch Analogieschlüsse und allgemeine geschichtliche Überlegungen kommt man weiter. Am Ende lässt sich ein Erklärungsmodell für diese Burg ableiten, das natürlich so lang als vorläufig zu gelten hat, als keine archäologische Untersuchungsergebnisse oder neuen Quellen dazu vorliegen. Aktuell ist diese Kleinburg wie auch alle anderen gesehenen Ruinenstellen nicht einmal im Denkmal-Atlas Bayern als Bodendenkmal erfasst.

Zunächst: Da nicht anzunehmen ist, dass die namentlich bekannten Grafen und Markgrafen von Hohenburg sowie die Bischöfe von Regensburg den Bau dieser Turmburg vis-à-vis der viel größeren, kurz vor 1100 Chr. entstandenen Hohenburg veranlasst haben, da überhaupt dieser Typus einer Kleinburg zeitlich deutlich vor dem Bau einer solchen Höhenburg, also noch deutlich vor 1100 n. Chr. anzusetzen ist, gehen wir davon aus, dass diese Turmburg zu jenen Burgen gehört, welche die Burggrafen von Regensburg aus der Sippe der Pabonen in dem von ihnen verwalteten Gebiet als Familien- und Vasallensitze errichten ließen. Alternativ käme ein frühes Adelsgeschlecht in Frage, aus dem später die Grafen von Hohenburg hervorgegangen sind. [03]

In den Akten von Hohenburg sind die Pabonen mit einer Ausnahme - Verheiratung einer namentlich unbekannten Tochter Burggraf Heinrichs III. von Regensburg mit Graf Friedrich I. von Hohenburg - nicht expressis verbis erwähnt, dennoch steht ihre Präsenz im Lauterachtal außer Zweifel:

Nach der Machtübernahme in Regensburg im Jahr 976 und der Niederschlagung der Schweinfurter Fehde 1003/4 verwalteten und sicherten die Pabonen u. a. die wichtigsten Durchgangsstraßen in mehreren Gauen, auch in der sogenannten Westermannmark, welche seit der Karolingerzeit das Gebiet zwischen Weißer Laber und Lauterach, bis hinauf zum Grafensitz von Kastl, umfasste. Die Straße von Lauterhofen bis Premberg an der Naab, die am linken Hochufer Lauterach entlangzieht, war eine solche Straße, als Teil einer Handels- und Militärstraße vom Main zur Donau (gegen die slawische Expansion) bereits in Karls des Großen Diedenhofer Kapitulare von 805 n. Chr. erwähnt.

Nur aus der vorherigen Präsenz der Pabonen bzw. ihres Familien- und Ministerialen-Netzwerkes in diesem Gebiet - von 976 bis 1184/96 n. Chr. - erklärt sich auch der eigenartige Umstand, dass vom 16. bis zum 19. Jahrhundert das Fürstentum Pfalz-Neuburg und zuletzt sogar die kurfürstlichen Wittelsbacher gegenüber dem schwächelnden Hochstift Regensburg Ansprüche auf Gebiete links der Lauterach anmelden und z. T. auch durchsetzen konnten.

Auch wenn es urkundlich schwer zu fassen ist, weil die Pabonen seit dem 13. Jahrhundert einer "damnatio memoriae" der Wittelsbacher und bayerischen Geschichtsschreibung unterliegen, darf man heute davon ausgehen, dass sie im betreffenden Gebiet teils als Grundherren, teils als Vertreter des Reichsstifts St. Emmeram in Regensburg auftraten, an dessen Mauern sie residierten. St. Emmeram war im Rahmen der karolingischen Landnahme und Kirchenorganisation in Bayern bereits um 740 n. Chr. gegründet worden und hatte bis 976 n. Chr. den Regensburger Bischofssitz in sich vereinigt. Allein aus diesem Umstand heraus ist es zu erklären, dass später, nach der Entmachtung und dem Aussterben der Pabonen gegen Ende des 12. Jahrhunderts, der Bischof von Regensburg Anspruche auf das Burggut von Hohenburg und Umgebung anmelden konnte. In der Herrschaftszeit der Pabonen wäre dies noch unmöglich gewesen, da diese als Burgrafen von Regensburg und weltliche Repräsentanten von St. Emmeram die "bona saecularia" des Konvents wohl in Absprache mit dem Abt, ansonsten aber sehr eigenständig und in ungeschmälerter Rechtsposition verwalteten. Obendrein waren die Pabonen von den Kaisern Otto II. und Heinrich II. mit umfangreichem Allodialbesitz ausgestattet worden, der in der Folge nicht überall klar von Kloster- oder Bischofslehen zu trennen war (wobei auch niemand an dieser Trennung Interesse hatte).

In dieser Zeit, die wir bewusst etwas überspitzt die "goldene Zeit des Mittelalters" in unserer Region nennen, gab es keine großen Konflikte, da die Pabonen eine sehr kirchen- und klosterfreundliche, bodenständige und vor allem friedliche und auf Interessensausgleich bedachte Politik betrieben, unter allgemeiner Wertschätzung und Anerkennung der Landbevölkerung und des Niederadels. Hätte ein Bischof von Regensburg (der 1061 bis 1089 als Otto von Riedenburg sogar von der Burggrafenfamilie gestellt wurde) in dieser Zeit Ansprüche auf Pabonenland als Bischofslehen geltend gemacht, so wäre er damit mangels eigener Machtmittel krachend gescheitert.

Erst unter Kaiser Friedrich I. Barbarossa (1152-1190) drehte sich der Wind und es begann eine neue Ära der Politik. Der Staufer betrieb als erster Reichssouverän speziell in Bayern eine relativ aggressive Territorialpolitk zu eigenen Gunsten, schielte begehrlich auf das Burggrafenamt Regensburg und entmachtete am Ende gezielt den letzten Burggrafen von Bedeutung, Heinrich III. von Regensburg (nach 1167), nach dessen Widerstand gegen die staufische Kirchenpolitk. Was den Landhunger betraf, so machten es dem Barbarossa, der 1190 auf dem 3. Kreuzzug starb, die Wittelsbacher-Herzöge und Bischöfe nach, und es begann ab ca. 1200 die Zeit der großen weltlichen und geistlichen Territorialherren Bayerns.

Soviel zu Politik im Herzogtum Bayern in großen Zügen, soweit dies zum Verständnis der Verhältnisse in der Region und besonders in Hohenburg notwendig ist.

 

In der neu entdeckten Turmburg auf dem linken Ufer der Lauterach ist die Präsenz eines pabonischen (oder früh-hohenburgischen) Burgmannen aber auch deshalb anzunehmen, weil der Besitz nördlich und südlich davon nachweislich seit langem zum Kloster St. Emmeram gehörte:

Auch der eigenartige Umstand, dass die Turmburg über der Lauterach baulich mit einer Kapelle mit dem Patrozinium "St. Leonhard" verbunden gewesen sein muss, spricht für eine Gründung unter den Einfluss der Pabonen. Denn in ihrem großen Herrschafts- und Einflussgebiet breitete sich als bauliche Variante normaler Türme auch ein Turm-Typus aus, der auf einer Geschoßebene einen Kapellenraum enthielt. Darüber lagen die eigenlichen, profanen Burgräume.

Im 12. Jahrhundert entwickelte sich aus einem ähnlichen Modell unter Einfluß der österreichischen Babenberger das Modell der Profangeschoßkirche - mit dem einzigen Unterschied, dass hier die sakrale Funktion bei weitem im Vordergrund stand, während bei den Kapellentürmen die ritterliche Nutzung dominierte. Zum Thema der pabonischen Profangeschoßkirchen haben wir eine eigene, umfangreiche Übersichtarbeit erstellt, auf die wir hiermit bei weiterem Erklärungsbedarf seitens des Lesers verweisen. [07]

Pabonen-Türme mit Gewölbezügen, die auf eine frühere Nutzung als Kappellenraum hindeuten, finden sich z. B. noch heute in Pfalzpaint an der Altmühl oder in Harlanden über dem Pabonenstammsitz Rosenburg bei Riedenburg. Ansonsten hat die adversative Haltung der scheyrischen Wittelsbach-Herzöge seit Ludwig dem Kelheimer dazu geführt, dass von den Dutzenden ehemaliger Pabonen-Burgen in unserer Region so gut wie nicht übrig blieb - natürlich abgesehen von den Stammsitzen Stefling und Riedenburg. So können heute die kleineren Pabonen-Burgen fast ohne Ausnahme nur noch als Burgställe oder Burgruinen verortet werden, z. T. haben sich Wittelsbacher-Burgen ganz gezielt unmittelbar daneben gesetzt. [08]

Um modellhaft Burgtürme mit Kapellenraum aus der damaligen Zeit aufzuzeigen, muss man deshalb auf andere Herrschaften wie z. B. die Grafen von Lechsgemünd oder die "oberpfälzischen" Wittelsbacher ausweichen, die mit den "scheyrischen" Wittelsbachern wenig gemein haben. [09] Beide waren familiär oder freundschaftlich mit den Pabonen verbunden und übernahmen deshalb ihren Baustil.

Folgenden Aufnahmen zeigen exemplarisch zwei derartiger Kapellentürme:

So in etwa sollte also der Turm mit der Burgkapelle St. Leonhard bei Hohenburg ausgesehen haben!

Es ist gut möglich, dass nach Aufgabe der Burg, als diese bereits zu verfallen begann, eine im Untergeschoß untergebrachte Kapelle mittels Durchbruch einer Eingangstür der Landbevölkerung allgemein nutzbar gemacht wurde und noch lange nach dem Niedergang der Burg in Gebrauch stand. Die Stang'schen Zeichnungen geben davon allerdings nichts wieder - außer den Patron St. Leonhard als Namenszug.

Zeitlich ist der Bau der Turmburg über der Lauterach in etwa auf das erste oder zweite Drittel des 11. Jahrhunderts anzusetzen. In welcher Form beziehungsweise Höhe der Primärbau entstand, muss man offen lassen, es sind spätere Ausbauphasen möglich.

Die in der Stang'schen Zeichnung erkennbaren Zwingmauern haben mit der Gründung sicherlich nichts zu tun: Sie entstanden zum Schutz der Burg wahrscheinlich erst im 14. oder 15.Jahrhundert, als nach der Entdeckung des Schießpulvers die Turmburg ohne distanzierende Vormauer schutzlos einer Kanonade ausgesetzt gewesen wäre. Ähnliche Zwingmauern wie bei Hohenburg finden sich übrigens auch auf der nahen Burg Rossstein, ebenfalls eine Turmburg, deren Errichtung (ohne letzte Sicherheit) auf das späte 14. Jahrhundert festgelegt wird. [10]

Die Turmburg über der Lauterach datiert aus den genannten Gründen mit Sicherheit früher.

Zeitgenössisch könnte ein gleichartiger Turm im nahen Mendorferbuch gewesen sein, über den sich ebenfalls Darstellungen aus der Zeit um 1600 erhielten. Einen solchen Turm krönte vermutlich ein schindelgedecktes Zeltdach.

Links der bereits umbaute Burgturm von Mendorferbuch in einer Karte des StA Amberg (Plannummer?), Abb. aus Batzl, Geschichte Hohenburg, S. 374. Ursprünglich stand dieser Turm frei. Rechts Mendorferbuch in der Stang'schen Karte von 1600. Ein bei Batzl auf S. 374 wiedergegebener, später Nachdruck der Stang'schen Karte (vermutlich von Carl von Flad, 18. Jhd.) hat aus dem deutlich nach dem Turm entstandenen Schlossgebäude ein Kirchenschiff mit Langfenstern gemacht, so dass das Ensemble nun wie die Dorfkirche wirkt. In Wirklichkeit lag diese als relativ kleine Kapelle nördlich von Schloss und Turm (siehe folgendes Bild).

Links eine Zeichnung des Amberger Heimatforschers Anton Dollacker, wiedergegeben bei Batzl, Geschichte Hohenburg, S. 380. Dollacker hat die Situation einer Turmburg aus dem 10. bis 12. Jahrhundert relativ gut erfasst. Dasselbe gilt für den Zeichner des k.-b- Urkatasters von 1830, der den zwischenzeitlich umbauten, mittelalterlichen Turm von Mendorferbuch mit seinen dicken Mauern quasi wieder freigestellt und als wichtigen Messpunkt mit einem Dreieck markiert hat.

Welche Bedeutung hatte früher der heilige Leonhard für die Hohenburger?

Sicher ist, dass der heilige Leonhard von Noblat/Limoges (ca. 500 bis 559 n. Chr.) als Bauernheiliger in Hohenburg alle Zeit eine große Wertschätzung genoss. Wenn man in Batzls Chronik die alten Namenslisten, die mit den Häusern des Marktes Hohenburg verbunden sind, durchsieht, so taucht der Taufname Leonhard vergleichsweise sehr häufig auf. [11]

Von der untergegangenen Martinskirche auf dem Martinsberg, mit welcher wir uns bereits andernorts ausführlich beschäftigt haben, [12] ist bekannt, dass sie in der Barockzeit Ziel einer Pferdewallfahrt war, wohl zu Ehren des heiligen Leonhard. Wenn damals die Reiter der näheren Umgebung, wie anekdotisch überliefert ist, dreimal die Kirche umritten und dann "in schneidigem Galopp" davonstürmten, dann zeigten sie noch so etwas wie eine Ritter-Attitüde. Dieser gestreckte Galopp war allerdings auf dem abschüssigen Gelände des Martinsberges eine gefährliche Angelegenheit, denn in nur wenigen Metern Entfernung lag bereits der tiefe Felsensturz hinunter zur Hammermühle (siehe Bild).

Die Pferdewallfahrt zur Martinskirche, barocke Darstellung auf dem ehemeligen Altarbild der Martinskirche, heute im Rathaus Hohenburg.

Bei dieser anekdotischen Schilderung bekommt man den Eindruck, dass diese besondere Form des Leonhardi-Rittes ein hohes Alter aufwies und ursprünglich an ganz anderer Stelle vollzogen worden war.

Wenn man die Achse der Martinskirche, welche nach unserem Dafürhalten ebenfalls eine pabonische Gründung ist, verlängert, dann zeigt diese nicht nur in die Heimat der Hohenburger Grafen, das ehemalige "Poigreich" im heutigen Niederösterreich, sondern auch exakt auf dem Turm St. Leonhard auf dem anderen Ufer der Lauterach. Wir haben dies in folgender Abbildung optisch deutlich gemacht.

Blick von der ehemaligen Turmburg hinüber zum ehemaligen Standort der Martinskirche.

Demzufolge ist gut denkbar, dass beide Bauten inhaltlich zusammenhingen und die Hohenburger Leonhardi-Wallfahrt zu Pferd ursprünglich bei der Ritterkapelle der Turmburg vollzogen wurde, welche nun sicher dem heiligen Leonhard geweiht war. Dort jedenfalls war es weitaus problemloser möglich und wegen der Ritter-Vergangenheit aus weitaus sinnhafter, "in schneidigem Galopp" davonzustürmen!

Bei diesen und anderen Traditionen entsteht der Eindruck, dass sich die Hohenburger unabhängig von ihrer von Regensburg aus fernverwalteten, ansonsten eher unpersönlichen Burgherrschaft über lange Zeit eine Ortstradition bewahrt haben, welche in die "guten alten Zeiten" zurückverwies, in der vor Ort noch das Kloster St. Emmeram der maßgebliche Grundherr war, und die Pabonen und ihre Verwandten seine Repräsentanten. Immerhin lag ja über lange Zeit auch die Hohenburger Pfarrkirche nicht im Markt, sondern bei der ehedem emmeranisch-pabonischen Kirche bei der Allersburg! [13]

Die dortige romanische Rundkapelle wird übrigens mit dem Patrozinium des heiligen Leonhard verbunden. Dies könnte ein Irrtum sein, zumal zur Zeit der Gotik (um 1480) im Inneren der Kapelle keine Leonhard-, sondern eine Laurentius-Statue stand (laut Kunstdenkmäler von Bayern, BA Neumarkt). Wenn eine Regensburger Matrikel aus dem frühen 17. Jahrhundert (sicher vor 1620) davon sprach, dass zur "parochia vetus" (alten Pfarrei) Allersburg eine Kapelle St. Leonhard gehörte, so ist damit noch lange nicht gesagt, dass es sich dabei um die besagte Rundkapelle handelte. Es könnte genausogut die Kapelle St. Leonhard in der Turmburg über der Lauterach gemeint gewesen sein, nur wusste man später nichts mehr davon! [14]

 

Am Ende dieser Ausführungen über die abgegangene und vergessene Turmburg über der Hohenburger Lauterach, die zugleich christliche Kultstätte war,  bleibt der Versuch, diesen alten Ansitz grundherrlich etwas genauer zu verorten und eine Erklärung dafür zu finden, wann und unter welchen Umständen die Burg außer Benutzung kam und zugrunde ging:

Zunächst: Die Hohenburger Heimatforscher haben trotz intensiven Quellenstudiums die Turmburg über der Lauterach nicht registriert, den dazugehörigen Burgmannen nicht identifiziert. Sollte es tatsächlich der Fall sein, dass beide nie aktenkundig wurden?

Wir halten dies für eine Unmöglichkeit. Dieses "hohe Haus" muss personell besetzt gewesen sein, der zugehörige Besitzer oder Ministeriale muss in den oft ellenlangen Zeugenlisten der Urkunden örtlicher Institutionen - wir denken hierbei weniger an Regensburger Bischofsakten als z. B. an die umfangreichen Traditionen des nahen Klosters Ensdorf - aufgetaucht sein.

Nach langer und reiflicher Überlegung kommen wir zum Schluss, dass es sich bei der vergessenen Turmburg über der Lauterach um die Veste von Adertshausen gehandelt hat, welche sehr wohl und wiederholt aktenkundig wurde.

Dazu bedarf es einleitender Erklärungen:

Dafür, dass der "locus Eidrateshusa" einst viel näher am heutigen Hohenburg lag als jetzt, gibt es ein von der besagten Turmburg unabhängiges Indiz:

Die zwischen der Turmburg und dem heutigen Ort Adertshausen gelegene Kirche von Stettkirchen war nämlich nicht immer Wallfahrtskirche, wie bisher angenommen, sondern einst auch Pfarrkirche und damit relativer Mittelpunkt einer Gemeinde - und dies bereits in den Anfängen zur Karolingerzeit! Anders ist es nämlich nicht zu erklären, dass unmittelbar bei der heutigen Kirche Stettkirchen, deren Vorgängerbau erstmals im Jahr 1391 urkundlich fassbar ist, ein dicht belegter Friedhof ergraben werden konnte, dessen früheste Gräber auf das 8. Jahrhundert, der Schwerpunkt der Grablegen auf das 9. und 10. Jahrhundert nach Chr. zurückgehen. Erst zu der Zeit, als auf dem Berg am gegenüberliegenden Ufer der Lauterach die Hohenburg errichtet wurde, etwa um 1100, brach die Belegung des Stettkirchener Friedhofs ab. [15]

In der Zeit der Karolinger, Ottonen und Salier wurde also hier am Abhang über der Lauterach kontinuierlich bestattet, und es ist durchaus möglich, dass hier eine erste größere Kirche als Gemeindemittelpunkt gerade zu der Zeit auf Initiative Kaiser Ottos II. entstand, nachdem er soeben beim nahen Mendorferbuch erfolgreich eine Schlacht mit Herzog Heinrich dem Zänker geschlagen hatte. So jedenfalls will es die Hohenburger Ortssage, die dabei recht präzise das Jahr 976 n. Chr. nennt. Die Itinerarien des Kaisers und Herzogs widersprechen nicht, und in der Nähe finden sich eigenartige alte Flurnamen wie "Bluttal" und "Kriegsäcker", die durchaus mit einer Schlacht vereinbar sind.

Frappierend ist für uns jedoch das Jahr, in dem dieses Kriegsereignis stattgefunden haben soll!

Es handelt sich nämlich dabei exakt um jenes Jahr, in dem Graf Pabo I. aus der Sippe der Kühbacher Pabonen vom Kaiser als neuer Burggraf von Regensburg installiert wurde (als Ersatz für den luitpoldingischen Burchard). Von diesem Jahr an übernahmen der Burggraf und seine Ministerialen den alten Emmeramer Besitz im Lauterachtal und bauten ihn aus.

Unter diesem Aspekt ist es besonders plausibel, wenn nur wenig später in 500 Metern Entfernung von dieser Urgemeinde Adertshausen, deren Gehöfte sich wohl entlang der Straße bei Stettkirchen gruppierten, auf einem Bergsporn eine Turmburg entstand!

Interessanterweise ist schon im Jahr 1186 in einer Papstbulle von einer "parochia Adratshusen", d. h. Pfarrei Adratshausen, die Rede, als die heutige Kirche bzw. deren Vorgängerbau noch gar nicht stand! [16] Den Pfarrsitz in dieser frühen Zeit können wir deshalb nur in der Kirche von Stettkirchen bzw. einem weiteren mittelalterlichen Vorgängerbau sehen.

In dieser Zeit müssen an der Kirche jene Steinmetz-Künstler aus der Metropole Regensburg tätig gewesen sein, welche wir auch auf der Allersburg vermuten und von den Pabonen finanziert wurden (vgl. Endnote 13). Das erhaltene romanische Südportal und die Qualität seiner Ausführung sprechen jedenfalls dafür!

Obere Hälfte des romanischen Portals von Stettkirchen. Die sorgfältig ausgearbeiteten Kämpfer mit Platte, Wulst, Kehle und nochmals Wulst, sowie der Rundboden mit doppeltem Kerbschnitt, Wulst und glatter Oberfläche weisen eine hohe Qualität auf, wie man sie in der Region und Zeit (2. Hälfte des 12. Jahrhunderts) nur von Vertretern der sog. Donauschule her kennt, die unter pabonischer Förderung standen.

Zur Filialkirche der heutigen Pfarrkirche Adertshausen und zur Wallfahrtskirche kann die Kirche von Stettkirchen, deren Name ja einen alten Warenumschlagsplatz verrät - Kirche an einer Ladestätte am Steilufer der Lauterach [17] - auf jeden Fall erst lang nach 1186 geworden sein, zu einer Zeit, als sich der Siedlungsschwerpunkt flußabwärts an die heutige Stelle verlagerte, also dorthin, wo später Schmiede und Taverne von Adertshausen lagen und der viel breitere Wiesengrund der Lauteracher Talaue eine viel extensivere Landwirtschaft ermöglichte!

Da wir an vielen Orten der Region die Erfahrung gemacht haben, dass die Institutionen/Machthaber, die nach 1185/96 den ehemaligen Besitz der Pabonen - meist unter rechtlich dubiösen Umständen - an sich zogen, die alten Strukturen aus der Pabonenzeit gezielt zerstörten, um etwaige spätere Besitzansprüche von Pabonen-Nachfahren zu verunmöglichen, und daneben eigene, neue Orts- und Burgenschwerpunkte gründeten, mag der Bischof von Regensburg nach 1220 n. Chr. der eigentliche Initiator der Ortsverlagerung gewesen sein, nachdem er Dorf und Kirche Adersthausen endgültig übernommen hatte.

Noch wenige Jahre zuvor, um 1200, hatte sich Graf Friedrich II. von Hohenburg um Wahrung der alten Verhältnisse bemüht, indem er sich bei der Überschreibung der Hohenburg an das Hochstift das Dorf Adertshausen ausbedingte. Dies machte nur einen Sinn, wenn auch der Burgensitz Adertshausen, den er vielleicht als Altersitz avisierte, in seinem Händen lag. Dies konnte sehr gut der Fall sein, denn dieser gehörte wahrscheinlich als Allod zu seinem pabonischen Muttererbe. Zur Erinnerung: Friedrichs Mutter war eine leibliche Tochter Burggraf Heinrichs III. von Regensburg gewesen! Allerdings starb Graf Friedrich II. schon am 15. Mai 1209, ohne einen Stammhalter und Erben zu hinterlassen, und er wurde weit entfernt von der Hohenburg am Begräbnisort seiner Mutter, im Stift Altenburg in Niederösterreich, zur letzten Ruhe gelegt. So nahm das Schicksal nicht nur der Burgherrschaft Hohenburg, sondern auch von Adertshausen seinen Lauf. Die alte Ministerialenburg der Pabonen/Hohenburger blieb allerdings an ihrem Platz, nun weitab des neuen Dorfes, zu einer Neugründung stromabwärts an der Lauterach kam es nicht.

Schon dem lokalkundigen und sehr sorgfältig arbeitenden Pfarrer Nikolaus Erb (ein gebürtiger Schuhmachersohn aus Hohenburg), fiel in seiner Ortschronik von Adertshausen auf, dass er zwar die Besitzer der "Veste" Adertshausen in nach-pabonischer bzw. hochstiftischer Zeit gut  rekonstruieren konnte, dass "man (aber) in genanntem Orte auch nicht die geringste Spur von diesem ehemaligen Edelschlosse, das immer in den Urkunden als  V e s t e  v o n  A d e r t s h a u s e n  bezeichnet wird, finden kann..." [18]

Im weiteren Verlauf seiner Ausführungen machte Erb allerdings einen Platzierungsversuch, den man bei gründlicher Überlegung nicht nachvollziehen kann. Zwar bemerkte Erb richtig, dass diese Burg, die keine Spuren hinterlassen hatte, früh in Verfall geraten sein muss und in Urkunden von 1610 und 1656 nur noch als "altes Gemäuer des alten Schlosses" oder "altes Schlossgemäuer" vermerkt wurde, doch an die von Stang festgehaltene Turmburg dachte er nicht. Uns geht der Schluss Erbs, dass das alte Schloss unmittelbar neben der heutigen Kirche Adertshausen gestanden haben muss, weil es hier einen "Gmäuerhof" gebe, viel zu weit. Es handelt sich nämlich dabei um den "Moierhof" oder "Maierhof", der ab ca. 1220 den Zehent des Hochstifts Regensburg verwaltete und sozusagen der erste Hof am neuen Platze war. Dementsprechend erschien einer seiner Inhaber 1323 in einer Urkunde zu Adertshausen auch richtig als "Otto der Mair von Adrazhausen". [19]

Mit einem Schlossgemäuer hat dessen Moierhof jedoch rein gar nichts zu tun. Später, um 1794, als das Hochstift Regenburg seinem Ende entgegen ging, wurde aus diesem großen Hof ein Halbhof ausgelöst und innerhalb derselben Familie Kohn einem anderen Besitzer übertragen, so dass nun in der Häuserliste von Adertshausen, die Heribert Batzl ohne Datumsangabe veröffentlicht hat, aber wohl aus dem 20. Jahrhundert stammt, tatsächlich neben dem Haus Nr. 2 oder "Maierhof" unter der Hausnummer 9 ein Halbhof auftaucht, der zusätzlich als "Schloßgemäuerhof" bezeichnet wird. Schon aus der Formulierung ist zu erkennen, dass die Rückschlüsse des Nikolaus Erb zu dieser Formulierung beigetragen haben, und nicht Wissen aus alter Zeit.

Links im Bild die Situation von Adertshausen im k.-b. Urkataster: Zwischen der Kirche und dem Maierhof mit der Nr. 2 platziert sich der ausgelöste Halbhof mit der roten Nachtragsnummer 9, den Nikolaus Erb für den "Schlossgemäuerhof" hielt. Er liegt genau dort, wo die alte Furt über die Lauterach, im Bild gut als eine gestrichelte Doppellinie zu erkennen, hinaufführt. Hof und Schloss hätten also hier den Passanten (Vieh und Bauern) den weiteren Weg versperrt, eine Unmöglichkeit. Im rechten Bild hat Philipp Apian in seinen Landtafeln aus dem Jahr 1568 eine Kirche von Adertshausen links der Lauterach eingetragen, was seinen Grund haben muss.

Selbst wenn es im Hochmittelalter Niederungsburgen an Flussläufen gab - dann in der Regel eingeschlossen von einem breiten Wassergraben, wie z. B. bei der Turmburg von Rieshofen an der Altmühl von Ende 13. Jahrhunderts -, halten wir es für ausgeschlossen, dass in Adertshausen dieselben Verhältnisse vorlagen. Die erste Pfarrkirche St. Peter von Adertshausen wurde, wie das Patrozinium belegt, erst errichtet, als der Bischof vom Regensburg Ortsherr war, und sie muss, wie die Landtafel von Philipp Apian aus dem Jahr 1568 belegt, eher auf dem linken Ufer der Lauterach als auf dem rechten gelegen sein. Dass man aber, wie aufgrund des erhaltenen Turms und einiger Rundbogenblenden eindeutig zu datieren ist, um 1600 eine große gotische Hallenkirche an Stelle der heutigen, von 1899 stammenden Kirche jenseits der Lauterach auf dem Wassergraben einer alten Burg errichtet hätte, halten wir allein aus statischen Gründen für ein Ding der Unmöglichkeit, selbst wenn dieser Graben zuvor verfüllt worden wäre. Reste eines solchen Wassergrabens lassen sich sowieso nicht verifizieren. Im Übrigen wäre der Schlossgemäuerhof nach dem Urkastaster von 1830 exakt an der Stelle gestanden, wo die alte Furt über die Lauterach an deren breitester Stelle auf das Land hinaufführte.

Die "Veste Adertshausen" im Bereich der heutigen Kirche ist also nichts als ein Mythos, der unfreiwillig von Nikolaus Erb erschaffen wurde, da er von der viel weiter nordöstlich gelegenen Burgstelle am Rand des sog. Sandbergs nichts wusste. Wir hoffen, diesem Mythos hiermit ein Ende bereitet zu haben.

 

Völlig richtig lag Nikolaus Erb allerdings mit der Einschätzung, dass der Edelsitz von Adertshausen frühzeitig in Verfall geriet und der Niedergang "zur Zeit des langwierigen Streites zwischen den Scharfenbergern und Plankenfelsern" stattfand, zumal "letztere, weil sie sich ohnehin in dem Besitz von Adertshausen nicht sicher wussten, auf Unterhaltung der Baulichkeiten wenig verwendet haben werden. Und als die Bischöfe von Regensburg Adertshausen durch Kauf an sich gebracht hatten, so mochten sie wohl auch keine Lust haben, das schon ruinöse Gebäude in gutem Stand herzustellen, umso weniger, da sie diesen Besitz nicht fernerhin als Lehen verleihen wollten, und die nah gelegene, ihnen gehörige Hohenburg zur gastlichen Aufnahme im Überflusse Raum bot, und auch zur baulichen Unterhaltung jährlich nicht geringe Opfer forderte..." [20]

Es ist interessant zu vernehmen:

Selbst wenn das Dorf Adertshausen mit allem Zubehör - "villa Eudratshusen cum praediis er familia illi attinentibus" [21] - nach dem Tod des letzen Grafen von Hohenburg im Jahr 1209 als ehemaliges Lehen an den Bischofsstuhl von Regensburg fiel, so war der Burgensitz von Adertshausen hiervon nicht betroffen. Dies spricht dafür, dass er noch im 12. Jahrhundert allodischer Eigenbesitz gewesen war, was wir bereits weiter oben angedeutet haben. Damit kommt ihm eine Bedeutung zu, die den einer normalen Ministerialenburg der Pabonen oder Hohenburger überschreitet, zumal sich bis dato auch keine Urkunde fand, die einen anderweitigen Ministerialen das 11. oder 12. Jahrhunderts wiedergeben würde. Lediglich aus dem Jahr 1186 existiert eine Adertshausen betreffende Urkunde, entstanden kurz nachdem der letzte mächtige Burggraf von Regensburg, Heinrich III., und sein noch im Amt verbliebener Sohn Heinrich IV. soeben verstorben waren und damit die ganze burggräfliche Linie erloschen war. In diesem Jahr 1186 hatte das 1127 gegründete Kollegiatstift St. Johann in Regensburg einen Hof in Adertshausen in Besitz, wie ein Brief Papst Urbans III. bestätigt. Ein solcher päpstlicher Schutzbrief war genau dann notwendig, wenn es darum ging, Ansprüche anderer abzuwehren, in diesem Fall vermutlich des Bischofs von Regensburg. Wegen des zeitlichen Bezugs kann man annehmen. dass auch diese "curia in Parochia Adratshusen", ein Hof, der als letztes und vermutlich jüngstes Schenkungsgut in einer langen Reihe von Liegenschaften auftaucht, aus pabonischem Allodialbesitz stammte und kurz zuvor durch eine Schenkung oder testamentarische Regelung der letzten Pabonen an das Stift St. Johann in Regensburg gefallen war! [22]

Um es zu wiederholen: Zur Zeit der Pabonen und Grafen von Hohenburg erfährt man nichts von edelfreien Ministerialen auf der Turmburg von Adertshausen, sie gehörte also zum unmittelbaren Eigenbesitz (vielleicht nur besetzt von einem nicht-adeligen oder sogar unfreien Burgmannen)!

Erst zur Zeit der Markgrafen (1210-1256), genauer gesagt, in einer Urkunde Markgraf Diepolds VIII. von Hohenburg aus dem Jahr 1243, erscheinen Edelleute von Adertshausen als deren Ministerialen, als erste ein gewisser Friedrich und Rabanus. Später erfährt man aus weiteren Urkunden von anderen Edelleuten von Adertshausen, von weiteren Friedrichen, einem Konrad und zuletzt auch einem Otto. Nicht nur die zuvor Genannten, sondern auch letzterer Otto müssen in Adertshausen selbst residiert haben, da in Urkunden bis 1404 immer wieder der Ausdruck auftaucht "zu Adertshausen gesessen". [23] Im Jahr 1405 erlosch mit dem Tod Ottos des Adertshauseners die männliche Linie dieser Edelfreien, welchen man aufgrund der Leitnamen Otto und Friedrich u. U. auch eine gewisse Nähe zu den ausgestorbenen Pabonen attestieren könnte.

Über eine Erbtochter Osana fiel der Sitz erstmalig an einen adeligen Sinzenhofer aus Lengenfeld, der nicht mehr in Adertshausen saß. Noch im selben Jahr wird die Veste an einen Telwanger (von Döllwang) zu Lengenfeld weiterverkauft, im Jahr 1427 an die Scharfenberger, ab 1487 über eine weibliche Linie an die Punzinger von Allersburg. Spätestens von diesem Zeitpunkt an war der Sitz Adertshausen nur noch Pfand- oder Kaufobjekt, das man beliebig hin und herschob, und um das man bedarfsweise stritt. Mit der alten Ritterherrlichkeit war es nun vorbei. In jener Zeit kommt es zu jenen Streitigkeiten der Scharfenberger mit den angeheirateten Plankenfelsern, von denen Nikolaus Erb berichtet hat. Im Jahr 1532 fiel nach diversen Auseinandersetzungen, die Erb minutiös aufgeschlüsselt hat, die unbewohnte Veste Adersthausen inklusive der zugehörigen Liegenschaften für 450 Gulden an das Hochstift Regensburg, dass seinerseits für keine weitere Besetzung mehr sorgte und die Burg verfallen ließ.

So erklärt es sich, dass um 1600 Matthäus Stang nur noch eine Ruine zeichnerisch erfassen konnte.

Nur die damaligen Hohenburger Bürger scheinen diesen steinernen Zeugen einer besseren Zeit in lieber Erinnerung behalten zu haben, sonst hätten sie nicht die enthaltene Kapelle St. Leonhard weiter gepflegt und mit einer Pferdewallfahrt verbunden.

Nach dem 30-jährigen Krieg war es auch damit vorbei, und die letzten Quader der Burg wurden 1656 zum Erweiterungsbau der Wallfahrtskirche Stettkirchen verwendet.

So stellen wir uns der Geschichte der Burg vor, deren letzten Reste wir im Februar 2018 besichtigt haben.

Wir fassen zusammen:

 


Kirche St. Salvator                    

Ca. 560 Meter nordöstlich der untergegangenen Turmburg von Adertshausen steht am linken Ufer der Lauterach, im Bereich des Vormarktes Altach (früher Altau), die heutige Friedhofskirche des Marktes Hohenburg, St. Salvator.

Abbildung der Salvatorkirche aus Batzl, Geschichte Hohenburg, S. 99.

Folgende historische Luftaufnahme zeigt schöner als eine heutige die einstige Disposition dieser Kirche (rechts im Bild):

Der Markt Hohenburg und der Vormarkt Altach, Luftaufnahme aus der Zeit um 1950.

Die wichtigsten Kunstinventarien wollen, dass es sich bei St. Salvator um einen rein gotischen Kirchenbau aus dem späten 14. Jhd. handelt. [24]

Auszug aus den Kunstdenkmälern von Bayern, BA Parsberg, a. a. O.

Schon die Ausrichtung der Kirche lässt an dieser Datierung des Kirchenbaus Zweifel aufkommen: Die Kirche ist, wenn man von einer leichten Missweisung absieht, die sich durch den geländebedingt verzögerten Sonnenaufgang an den Tag- und Nachgleichen erklärt, an dem die Kirchenachse ausgerichtet wurde, relativ exakt geostet. Das deutet auf eine Entstehung in der Zeit zwischen dem 10. und 12. Jahrhundert hin.

Ausschnitt aus dem k.-b. Urkataster von 1830. Als rote Linie eingezeichnet die Bauachse der Kirche.

Der 3/6-Chor der Kirche wurde offensichtlich auf wenig stabilem Untergrund errichtet, so dass schon zum Zeitpunkt der Erbauung eine Serie von seitlichen Stützpfeilern angefügt werden musste. Der so abgestützte "gotische" Chor harmoniert wenig in sich, da er auch barocke Stilelemente aufweist (barocke Fensterordnung, barocker Türsturz an der Scheiteltür), aber auch wenig mit dem Kirchenschiff, das zwar die notwendige "gotische" Höhe, ansonsten aber einen auffallend gedrungenen, im Verhältnis zum Chor disproportionierten Korpus aufweist, den noch dazu eine höchst ungewöhnliche, eher barock anmutende Fenstergestaltung ziert. So finden sich keine gotischen Spitzbogenfenster, sondern barocke Rundbogenfenster, dazu zwei Okuli, deren weites Lumen zwar barock imponiert, deren primäre Zeitstellung man aber offenhalten muss, da es solche Okuli in kleinerer Ausführung schon in der Zeit der Romanik gab. Das Seitenportal zeigt zwar ein schlichtes gotisches Gewände, es handelt sich aber dabei um eine eher "romanisch" anmutende Platzierung an der Südfront. In der Zeit der Gotik wäre für eine einschiffige Saalkirche ein Westportal, ggf. mit Vorbau, das Übliche gewesen.

Die Südseite der Kirche St. Salvator am 21.03.2018.

Historische Darstellung der Kirche St. Salvator vom Beginn des 20. Jahrhunderts, in den Kunstdenkmälern von Bayern BA Parsberg, a. a. O. Die Okuli an der Südwand waren, wie zuvor vermutet, einst viel kleiner und und sind deshalb als vor-gotisch bzw. romanisch anzusprechen.

Die Nordseite der Kirche St. Salvator um 1930.

Zur endgültigen Überzeugung, dass es sich bei der Kirche St. Salvator ursprünglich um einen romanischen Kirchenbau handelt, der lediglich nachträglich gotisiert wurde, gelangten wir, als wir im Inneren der Kirche an den Schiffswänden bemerkten, dass diese in ca. 2-3 m Höhe einen Mauerversatz aufweisen, wobei die unteren Maueranteile deutlich gröber verputzt sind, etwas dicker und damit älter imponieren.

Unter Einbeziehung der leicht erhabenen Lage an einem Anhang äußerten wir deshalb schon im Januar 2018 den Verdacht, dass es sich hier ursprünglich um eine sogenannte Profangeschoßkirche aus dem Pabonenkreis gehandelt haben könnte, deren Bau auf das 12. Jahrhundert zu veranschlagen wäre, also auf die Zeit der Pabonen von Regensburg und der Grafen von Hohenburg.

Diesem eigenartigen Kirchentypus, der einen Sakralraum mit einem Profanraum über dem Kirchenschiff oder im Turm verbindet und in der üblichen Literatur nicht oder nur bruchstückhaft beschrieben ist, haben wir eine eigene, umfangreiche Arbeit gewidmet, in der wir nicht nur alle noch heute existierenden Kirchen dieser Art, sondern auch die historischen Hintergründe ihrer Erbauung vorzustellen. Die romanischen Profangeschoßkirchen, die wir in der Quintessenz unserer Ermittlungen auch als Schutzkirchen bezeichnen, finden sich schwerpunktmäßig nur im Einflussgebiet der burg- und landgräflichen Pabonen, also in der Mitte Bayerns, aber kaum im restlichen Herzogtum.

Titelbild unserer Arbeit zu den romanischen Schutzkirchen Altbayerns. Links im Bild Burggraf Heinrich III. von Regensburg (dargestellt als Minnesänger im Codex Manesse), den man als den eigentlichen Initiator des Kirchenbaus mit Profangeschoßen ansehen muss. Links oben befindet sich sein Wappen mit den 3 Pabonenrosen, recht unten das Wappen der Domkirche von Regensburg. Im Hintergrund ist die Profangeschoßkirche von Schönfeld im bayerischen Vorwald abgebildet, eines der schönsten und am reinsten erhaltenen Exemplare dieses Kirchentypus.
Durch Klick auf das Bild gelangt man zum zugehörigen E-Book!

Zurück zur Kirche St. Salvator in Hohenburg:

Das offene Mauerwerk an der Südwand könnte den letzten Beweis über einen Kirchenbau in pabonischer Tradition liefern. Leider gelang es bis dato nicht, Fotografien oder Pläne der letzten Kirchenrenovierung beizubringen, welche die freigelegte Südwand zeigen.

Bei diesem Stand der Dinge muss man es schon als ausgesprochenen Glückfall bezeichnen, wenn uns einmal mehr der pfalz-neuburgische Zeichner Matthäus Stang unter die Arme greift und die letzten Zweifel darüber beseitigt, dass hier ursprünglich eine romanische Kirche stand, welche später gotisiert wurde.

Wie auf folgender Abbildung zu erkennen, hat Matthäus Stang in seinen beiden Planzeichnungen verweigert, einen gotischen Chor abzubilden, und stattdessen eine romanische Rundapsis eingezeichnet, die der Apsis der Kirche von Schönfeld in obigem Bild ähnelt, aber deutlich kleiner als der spätere gotische Chor von St. Salvator war.

Ausschnitte aus den Stang'schen Planzeichnungen von 1600.

Da auch Plan 177 BayHStA aus der Zeit vor 1600 diese Form der Apsis bestätigt, ergibt sich der Bildbeweis, dass der Chor der Kirche erst nach 1600 - als pseudo-gotischer Chor - entstand. Immerhin sind Renovierungsmaßnahmen an der Kirche um 1620 bekannt. Damit wäre der Chor nur deshalb so ausgefallen, damit er besser zum gotisierten Schiff passt. Nun erklären sich auch seine barocken Fenster und Türelemente.

Hohenburg kurz vor 1600.
Bitte zur besseren Darstellung mit der Maus über das Bild fahren!

Dass hier einst ein Kirchenschiff mit romanischer Flach- bzw Balkendecke nachträglich mit einem gotischen Gewölbe überspannt wurde, bestätigte indirekt der Schuhmacher Martin Erb, ein direkter Verwandter des Heimatforschers Pfarres Nikolaus Erb, aus dessen Einlage zur Erb'schen Kirchenchronik (Manuskript von 1876) der Hohenburger Heimatforscher Friedrich Spörer (1896-1972) im letzten Jahrhundert gewisse Teile exzerpiert hat. [25]

Bei einer Renovierung der Kirche in den Jahren 1910/11 habe das gotische Gewölbe die Seitenwände der Kirche derart auseinandergedrückt, dass Einsturzgefahr drohte. Auch wenn auf dem Gewölbe eine Schuttschicht lag, die Martin Erb für den Schaden an der Kirchenstatik verantwortlich machte, so ist hier ein Phänomen beschrieben, das weniger mit der Schuttauflage zu tun hat, sondern vielmehr mit dem baulichen Grundfehler, einen romanischen Bau mit einer relativ leichten Flachdecke aus Holz mit einem tonnenschweren Steingewölbe zu überwölben. Das romanische Mauerwerk ist für solche Lasten nicht ausgelegt, seine Fundamentierung zu schwach. So kippen unter der Last die Seitenwände nach außen. Das gleiche Phänomen lässt sich übrigens an der Kirche St. Lorenz in unserer Heimatstadt Berching nachvollziehen, nur dass hier ein barockes Gewölbe die Mauern so auseinandergedrückt hat, dass die romanischen Wände und alle inneren Seitenpfeiler massiv in Schieflage geraten sind.

Bei St. Salvator in Hohenburg hat man sich offensichtlich 1910/11 damit beholfen, indem man ein durchgängiges Gestänge aus Eisen mit Mauerankern einzog und die Außenmauern damit zusammenspannte. Noch heute verunzieren diese Eisenteile die Kirche, innen wie außen, wie folgende Aufnahme zeigt.

Links eine südseitige Mauernische im Chor, die zu einem früheren Emporen-Einstieg gehört, rechts die Maueranker an der Nordseite des Kirchenschiffs, ganz rechts eine eiserne Zugstange im Gewölbe.

Dem Manuskript des Nikolaus Erb von 1876 entnimmt man ein weiteres Indiz dafür, dass es sich bei St. Salvator in der Tat um eine romanische Profangeschosskirche gehandelt haben muss:

Der Heimatforscher berichtete davon, dass noch zu seiner Zeit die Empore der Kirche einen Außeneingang an der Südwand besaß, zu dem von außen eine (eiserne?) Seitentreppe hinaufführte. 1910/11 wurde dieser Zugang vermauert und die Treppe beseitigt, so dass sich heute selbst die ältesten Hohenburger nicht mehr daran erinnern. Wie die vorangehende Abbildung zeigt, ist dieser Südausgang auf der Empore im Kircheninneren als vermauerte Nische zu erkennen, wobei die flache Überwölbung nicht ursprünglich sein kann, sondern ebenfalls auf eine Renovierung in der Barockzeit hinweist. Ursprünglich waren solche Einlässe mit einem flachen Sturz versehen, deren Höhe allerdings im Lauf der Jahrhunderte nicht mehr genügt haben mag, so dass man sich zur erweiterten Überwölbung, knapp unter dem Dach, entschloss.

Sicher ist, dass dieser hohe Aus- und Einlass im Ursprungsbau der Kirche einen aufgesetzten Profangeschoß galt, zu dem man Zutritt über die Empore gewann. In späteren Zeiten war der Einbau solch hoher Eingänge an einer Seitenwand, speziell im Bereich der Empore, absolut unüblich.

Um dem Leser dieser Seite einen Eindruck zu verschaffen, wie eine derart hohe, fast burgenartige Kirche des 12. Jahrhunderts wirkte, fügen wir an dieser Stelle Abbildungen von zwei Profangeschosskirchen ein, die ihr ursprüngliches Gepränge (ohne Verputz) erhalten haben:

Ob auch die Kirche bei Hohenburg, welche anfangs sicher nicht das Patrozinium des "Salvator mundi" trug, sondern eher das eines Johann Baptista, Nikolaus oder Ägidius, in derart vollendeter Qualität quasi für die Ewigkeit gebaut (und finanziert) wurde, wissen wir nicht, da heute ein Blick auf das Mauerwerk wegen des Verputzes nicht möglich ist.

Es soll nicht unerwähnt bleiben, dass es auf der Empore im Bereich der West- und Nordwand noch weitere Nischen von vermauerten Durchlässen gibt, die einst zu einem Haus hinüberführten, das noch heute unmittelbar an die Westfassade dieser Kirche anschließt. Dies ist eine ganz ungewöhnliche Baumaßnahme, welche mit der Situation im 12. Jahrhundert, als diese Kirche ein freistehender romanischer Apsidensaal mit Profangeschoß war, nichts zu tun hat und deshalb einer Erklärung bedarf.

Glücklicherweise zeigt eine Fotografie vom Anfang des 20. oder Ende des 19. Jahrhunderts, wie dieses Haus einst ausgesehen hat. Es besaß ebenfalls Außeneingänge in der Höhe auf zwei Etagen, äußerst kleine Fensteröffnungen und einen hölzernen Nordanbau. Als solcher wirkt dieser Anbau wie ein gotisches Haus, das wahrscheinlich parallel mit der Gotisierung des Kirchenschiffes, jedenfalls erst nach dem 12. Jahrhundert, entstand.

Historische Aufnahme über den Kirchenanbau von St. Salvator.

Seit alter Zeit nennt man die Kirche St. Salvator in Hohenburg "Kopelkirche" - so, wie im k.-b. Urkataster der Berg dahinter auch "Koppelberg" und die Straße daneben "Koppelgasse" heißt. Mit der Bezeichnung der Kirche in der Stiftungsurkunde von 1345 - "Kappel gen Hohenburg" - oder in einer Urkunde von 1451 - "capella Sancti Salvatoris extra muros opidi Hohenburg" - muss das nicht zwingend zu tun haben, wie Nikolaus Erb und Heribert Batzl meinten. [26]

Wie Hans Wolfsteiner aus Hohenburg richtig bemerkt hat, wurden in Bayern Siechenhäuser spätmittelalterlich auch als "Siechenkobel" bezeichnet. Da in Hohenburg kein anderes Siechenhaus oder Bürgerspital identifiziert werden kann, ist es durchaus denkbar, dass zu gegebenem Zeitpunkt direkt an die Westfassade der Kirche ein "Siechenkobel" in Form eines festen Hauses angebaut wurde, der anschließend der Kirche, dem Weg und dem Berg - in etwas verballhornter Form - den spezifischen Volksnamen gab.

Ein derartiges Bürgerspital sollte ursprünglich entsprechend dem christlichen Gebot der Armenfürsorge Mittellosen, Kranken und Behinderten als vorübergehende Unterkunft dienen. Dazu war eine Spitalstiftung nötig, die Pfleger/innen (meist aus einem Spitalorden) anstellen konnte. Hinzu kamen die Seelsorge als zwischenmenschliche und der Anschluss vor Frisch- und Fließwasser als seuchenhygienische Erfordernis. Beides scheint im Vormarkt Altach gegeben gewesen zu sein. Zumindest glaubt man im ALS-Profil unmittelbar hinter der Kirche noch heute einen Quelltopf zu erkennen.

Dennoch muss man mit dem Klischee aufräumen, dass es sich hierbei um eine Unterkunft nur für Minderbemittelte gehandelt hätte. Da eine Spitalstiftung von den Gaben der Geistlichkeit und reicher Bürger abhängig war, richtete man nicht selten in einem abgetrennten Obergeschoß ein sogenanntes "Herrenbett" mit entsprechender Privatpflege ein, das den schwer- oder gar totkranken, meistens aber betuchten Stiftern ermöglichte, einem würdigen und christlichen Ende entgegenzugehen, falls keine Rettung und Genesung mehr möglich war. Ein solches Herrenbett - heute würde man sagen: "Einzelzimmer mit Chefarzt" - haben wir z. B. als Stiftungsziel des Jahres 1452 für das um 1353 gegründete Bürgerspital zu Berching nachgewiesen. [27]

Diese Einrichtung für betuchtere Kranke muss es auch in Hohenburg gegeben haben, denn die von Heribert Batzl veröffentlichte Hohenburger Hausnamensliste bermekt bei dem an die Kirche St. Salvator angebauten Haus Nr. 135 (heute Mendorferbucherstraße 13): "fr(üher) Herrenherberg, angebaut an die Salvatorkirche".

Durch diese "Herrenherberg" erklärt sich also der von der sozialen Unterschicht getrennte, separate obere Hauseingang, auch die eingebaute Heizung und die Möglichkeit, als Kranker vom Obergeschoß durch einen inneren Mauerdurchlass auf die "Herrenempore" in der Kirche hinüberwechseln zu können, um den dortigen Gottesdiensten beiwohnen und so für sein Seelenheil sorgen zu können. Mit dem Spitalgedanken erklärt sich auch das Patrozinium der Kirche: "St. Salvator" meint "Christus, den Retter".

 

Mit diesen Eckpunkten und weiteren Literaturhinweisen lässt sich nun grob die Geschichte der Kirche St. Salvator rekonstruieren:

Was aber die Kirche St. Salvator selbst anbelangt, so ist es evident, dass ihre Geschichte weit über Zeit des Barocks und der Gotik hinaus, in die Zeit der Romanik zurückreicht, mithin in eine Zeit, in der weder die Herrschaft des Hochstifts Regensburg noch die Spitalbewegung eine Rolle spielte. Kurz: Es handelt sich vermutlich um die älteste Kirche Hohenburgs und um die Keimzelle der ersten Besiedlung, zumindest am linken Ufer der Lauterach. [30] Damit ordnet sich diese Kirche ca. 200 Jahre nach dem ersten Burgenbau von Adertshausen, der im Vorkapitel besprochen wurde, und ca. 150 Jahre nach der Errichtung der Hohenburg ein. In etwa zeitgleich entstand die Kirche auf dem Martinsberg.

Dies war - wir haben es schon erwähnt - die "goldene Zeit" der Pabonen und der Hohenburger Grafen.

Deshalb empfinden wir es heute als besonders originell, wenn der namentlich unbekannte Baumeister des gotischen Gewölbes über diese hohe Zeit des Rittertums noch Bescheid wusste. Die Schlusssteine des gotischen Kreuzgewölbes im Kirchenschiff zeigen nicht nur das Konterfei des Salvator, das Wappen der Markgrafen von Hohenburg und des Hochstiftes Regensburg, sondern auch den Wappenschild in schwarz-weiß-rot, den einst die Grafen von Hohenburg-Wildberg-Poigen führten, den daraus entstandenen österreichischen Bindenschild in rot-weiß-rot, dazu die rote Rose der Pabonen und das päpstliche Wappen, das wir auf Papst Alexander III. zur Zeit des großen Schismas beziehen. Für diesen Papst hatten die Pabonen bei in ihrem Widerstand gegen die desaströse Reichskirchen- und Italienpolitik des Staufers Friedrich Barbarossa alles in die Waagschale gewrofen. Am Ende zogen sie den Kürzeren, verloren das Burggrafenamt von Regenburg und starben wenig später in der männlichen Linie aus (eventuell mit gewaltsamer Nachhilfe)!

Der Gewölbescheitel des Kirchenschiffs von St. Salvator mit den verzierten Schlusssteinen.

 


Die Kapelle St. Jakob beim unteren Vormarkt                    

Matthäus Stang hat im Jahr 1600 eine Bildinformation zu einem weiteren Kirchen- oder Kapellenbau hinterlassen, der nicht erhalten ist und in der Geschichtsschreibung Hohenburgs offensichtlich keinen Niederschlag gefunden hat. Es handelt sich um eine kleine, einschiffige Kirche am südöstlichen Fuß des Burgberges, knapp oberhalb des unteren Vormarktes, in Nähe eines Wegs, der zu den zur Burgherrschaft gehörenden Weilern Viehhausen und Frabertshofen (heute Wüstungen im TÜP Hohenfels) hinaufführte.

Die Stang'sche Planzeichnung, die uns hier sogar in 3 Versionen vorliegt (inklusive der kolorierten Ausgabe Carls von Flad aus dem 18. Jhd., die Heribert Batzl auf S. 60 seiner Ortschronik wiedergegeben hat), zeigt jeweils einen gotischen Kirchenbau, eindeutig erkennbar an einem 3/6 oder 5/8-Chorschluss, je nach Version. Dabei ist der erste wahrscheinlicher, da auch St. Salvator und Stettkirchen nur einen 3/6-Chorschluss haben.

Diese Darstellung steht ganz im Gegensatz zu den romanischen Rundapsiden von St. Martin und St. Salvator auf denselben Karten und ist bezüglich der Datierung der Kirche recht eindeutig: Sie muss ca. zwischen 1300 und 1600 errichtet worden sein. Dieses Kirchlein ist von einem kleinen, mauerumfriedeten Kirchhof umgeben, wobei die kolorierte Ausgabe wie die Stang'schen Karten die Lage auf einem Hügel oder einer Geländeterrasse andeutet.

Die Kirche St. Jakob vor dem unteren Tor, nach Matthäus Stang.

Der Zeichner Stang hat dieses Gotteshaus mit dem Schriftzug "S: Jacob" versehen. Dass diese Kirche dem Pilgerheiligen Jakobus geweiht war, korreliert gut mit der Tatsache, dass der zu Füßen liegende Weg, der von der Lauterachbrücke in den Markt hineinführt, noch heute Jakobusstraße heißt. Dass aber hier am bayerischen Jakobspilgerweg dasselbe Patrozinium vorliegt, das auch die nahe Marktkirche auszeichnet, welche Stang ebenfalls relativ detailgetreu in seine Pläne eingezeichnet hat, ist schon ungewöhnlich.

Burg und Markt Hohenburg mit der Kirche St. Jakob nach Carl von Flad, Kopie der Stang-Pläne aus dem 18. Jhd.

Dabei ist ein zeichnerischer Irrtum Stangs ausgeschlossen: Auch Christoph Vogel hatte zuvor in seiner Schemazeichnung an entsprechender Stelle eine Kirche St. Jakob deutlich vor den Markt Hohenburg platziert.

Schematische Skizze von Christoph Vogel, StA Amberg Plansammlung 256, Blatt 9.

Historische Bewertung

Bei der historischen Bewertung dieser abgegangenen Kapelle St. Jakob "vor dem unteren Tor" können wir uns relativ kurz fassen:

In den aktuell zur Verfügung stehenden Primärquellen und in der Hohenburger Sekundärliteratur findet sich mit einer einzigen Ausnahme nicht der geringste Hinweis darauf, was es mit der Errichtung, Funktion und dem Untergang dieser Kirche auf sich hat.

Den anfänglichen Verdacht, dass diese Kirche mit der Errichtung des Engelmess-Benefiziums in Hohenburg im Jahre 1502 zu tun hat, mussten wir am Ende fallen lassen. [31] Zwar ist bei der Auflistung des Stiftungsguts von der Einnahme 1 Guldens "aus dem langen Acker auf dem Capellberg" die Rede, doch einen solchen gibt es nur auf dem Kapellberg hinter St. Salvator (dem besagten "Koppelberg"; siehe oben), nicht jedoch bei St. Jakob am unteren Vormarkt. Im Übrigen war das eh nur sporadisch besetzte Benefizium, das bereits 1591 wieder erlosch bzw. mit der Frühmess-Stiftung in Allersburg vereinigt wurde, nicht an diese Kirche, sondern an den Johannes-Altar im Vorgängerbau der Marktkirche St. Jakob gebunden - "in der Capelle zu Hohenburg in dem Markt". Und das Benefiziatenhaus stand nicht, wie zuvor vermutet, hier, sondern unmittelbar hinter der Marktkirche, als Haus Nr. 119 im Urkataster, wo zuvor auch der Frühmesser von Hohenburg untergebracht war.

Die zur Verfügung stehenden "langen Äcker" auf dem Kapellberg (heute Koppelberg). Am wahrscheinlichsten gehörte zum Stiftungsgut des Engelmess-Benefiziums von 1502 der südlichste, quer verlaufende Langacker, der noch heute unverändert besteht.

Hellhörig machte uns lediglich eine Anekdote, welche Nikolaus Erb in seinem Manuskript von 1876, zur Kirchengeschichte von St. Salvator, wiedergibt. Sie bezieht sich auf die Stiftung eines neuen Altarbildes von St. Salvator im Jahre 1595, aus der Hand des Wittelsbacher-Bischofs Philipp Wilhelm (1576-1598). Philipp Wilhelm war der Sohn des bayerischen Herzogs Wilhelms V. und wurde bereits im Alter von 3 Jahren auf den Stuhl von Regensburg erhoben, um mit dieser Aktion das hoch verschuldete Hochstift zu retten und dem vordringenden Protestantimus Paroli zu bieten. Im Alter von 20 Jahren, im Jahr 1596, wurde Philipp Wilhelm auch noch zum Kardinal ernannt, starb jedoch bereits 2 Jahre später.

Dieser "politische" Bischof war als erst 19-Jahre alt, als ihm einer Hohenburger Sage zufolge eine Vision widerfuhr, die ihn zur Stiftung des Altarbildes von St. Salvator anregte.

Wir zitieren Nikolaus Erb wörtlich:

"Eine Sage, die sich auf das gegenwärtige Bildnis bezieht, erzählt, dem Bischofe habe geträumt, dass im "Totenkaperl" zu Hohenburg ein Bild vergraben liege, das er zur Verehrung aufstellen solle. Darauf habe er nachgraben lassen und es sei wirklich das Bild gefunden worden. Es wurde feierlich in die Salvatorkirche übertragen und dort auf dem Altar zur Verehrung aufgestellt. Diese feierliche Übertragung aus der Totenkapelle des Gottesackers, welcher der Salvatorkirche gegenüberliegt, ist sogar an der Empore in einem Bilde ausgeführt..."

Der Heimatforscher Friedrich Spörer präzisierte, dass dieses Bild in einer Seitenempore hing, die von der Orgelempore aus über den Haupteingang der Kirche zu besagtem Obereinstieg führte. Heute ist dieses Bild verloren. Gleichzeitig sprach Spörer der Geschichte jegliche Historizität ab, da ja 1595 noch gar kein Gottesacker bei St. Salvator existiert habe, was sicherlich richtig ist. [32]

Nichtsdestotrotz gibt uns das "Totenkaperl" dieser alten Ortstradition zu denken. Welche Toten wären bei St. Jakob vor den unteren Tor bestattet gewesen oder verehrt worden?

Zur Einschätzung muss man wissen, dass der Markt Hohenburg seit Beginn seines Bestehens bis in jüngste Zeit zur Pfarrei Allersburg gehörte. Früher musste jeder Hohenburger Leichnam per Leichenzug auf den dortigen Friedhof transportiert werden, wozu man bei der Passage der Martinskirche auf dem Martinsberg die dortige Glocke läutete. Ein regulärer Friedhof hat also in Hohenburg bis zum Jahr 1673 nicht existiert!

Und dennoch kann es schon zuvor einen solchen als vorübergehendes Phänomen gegeben haben:

Im Fall von Seuchen wie die Pest, bei denen viele Tote auf einmal zu beklagen waren, können reguläre Begräbnisse in Allersburg allein aus seuchenhygienischen Gründen nicht stattgefunden haben, sondern man musste die Toten in aller Eile vor Ort in Massengräbern bestatten. In der Tat scheinen in Hohenburg Seuchenzüge und Notbestattungen dieser Art stattgefunden zu haben: Im Jahre 1516 raffte die Pest fast die Hälfte der Hohenburger Einwohnerschaft hinweg, und der Lehrer Friedrich Spörer spekulierte in seinem Geschichtlichen Führer über Hohenburg darüber, ob Pesttote nicht vielleicht im Bereich des nördlichen Vormarktes, am sogenannten "Brunnen- oder Kellergraben" hinter den heutigen Anwesen Haagweg Nr. 5 und 7, bestattet worden seien, da man hier diverse Male Menschenknochen gefunden habe. [33] Nach Nikolaus Erb seien am Fuß des Schlossberges "ganze Wägen voll solcher Gebeine" gefunden worden, welche Erb zwar mit Schlachten assoziierte (die anderweitig nicht referiert sind), aber auch eine Pestfolge gewesen sein können, zumal Erb für das Jahr 1630 von einem weiteren Pestzug berichtete. [34]

Auch an Kinderseuchen wie die Pocken, die normalerweise nicht aktenkundig wurden, ist zu denken. Es ist unwahrscheinlich, dass man eine Vielzahl gleichzeitig oder zeitnah verstorbener Kinder von Hohenburg nach Allersburg gebracht hätte, um sie dort zu bestatten. Hierbei käme das bereits argumentativ aufgegebene Engelmess-Benefizium von 1502 wieder ins Spiel, denn selbst, wenn es vordergründig zur Installation eines zweiten Priesters in Hohenburg diente und in dieser Funktion in der Oberpfalz und in Franken weite Verbreitung erfuhr, so darf man dennoch nicht vergessen, dass die dazugehörigen "stillen" Engelmessen ursprünglich dem Gedenken toter Kinder unter 7 Jahren galten, denen man nicht einen Trauer-, sondern eben einen speziellen Dankgottesdienst widmete. Manche Engelmessen könnten in der Bergkapelle gelesen worden sein. [35]

Dass ein Notfriedhof aus Seuchen- oder Kriegszeiten direkt bei dieser Kapelle St. Jakob errichtet worden sei, erscheint allerdings unwahrscheinlich. Da aber Seuchenbegräbnisse kaum unter regulären christlichen Trauerriten stattgefunden haben dürften - selbst die ansonsten verbotenen Verbrennungen sind hier nicht ausgeschlossen -, ist es gut möglich, dass man später die Gebeine der behelfsmäßig Bestatteten exhumierte, in ein eigene Gruft oder Gebeinhaus am unteren Vormarkt verbrachte und darüber eine Gedenkkapelle errichtete, eben das Kirchlein St. Jakob.

Dem "Totenkaperl" des Jahres 1595 kommt also bei genauerer Betrachtung durchaus eine geschichtliche Wahrscheinlichkeit zu!

Wenn diese Theorie stimmt, dann kämen folgende Zeitbezüge in Frage:

Soweit unser vorläufiges Statement zu diesem Geschichtsort. Selbstredend können neue Quellen oder eine archäologische Exploration das Bild modifizieren.

 

Die Frage des Standortes

Wo mag die abgegangene Kapelle St. Jakob, welche vielleicht eine Totenkapelle der besonderen Art war, einst gestanden haben?

Diese Kirche St. Jakob ist heute von der Bildfläche verschwunden, ein potenzieller Standort lässt sich jedoch mit Hilfe des ALS-Bodenprofils und alter Postkartenansichten annähernd plausibel definieren, wenn man berücksichtigt, dass Matthäus Stang die Kirche auf einem Hügel oder an einer Hangkante platziert hat.

Zunächst nehmen wir den fast baumlosen Hügel hinter den Anwesen Jakobusstraße 4 bis 8 ins Visier, der heute zum Niemandsland des TÜP Hohenfels gehört.

Möglicher Standort der Kirche St. Jakob auf einem Hügel oberhalb des unteren Vormarktes (roter Pfeil). Aufnahme vom 21.03.2018.

Überprojektion von k.-b. Urkataster und ALS-Bodenprofil, mit nochmaliger Abschnittsvergrößerung (rechts unten).

Wenn man diesen felsigen und relativ steil ansteigenden Hügel über den geschwungenen Zugangsweg hinaufsteigt, kommt man an vier markanten Stellen -a-, -b-, -c- und -d- vorbei, wo sich noch heute unter der Grasnarbe Reste von Steinbauten finden:

Historische Postkartenansichten und Fotografien geben die betreffenden Stellen gut wieder und liefern weitere Zusatzinformationen:

So erkennt man z. B. auf der folgenden Aufnahme von 1885 oberhalb der beschriebenen Ruinenstellen, vor einem Haus, das heute ebenfalls verfallen ist und im letzten Kapitel noch näher besprochen wird, eine Art von Sockel mit Steinsäule (linker Kreis). Unterhalb des Kellergrabens am Bergfuß (rechter Kreis) findet sich ein heller Punkt, der am ehesten einem Entwicklungsartefakt des Films und weniger einer realen Struktur entspricht. Leider ist durch dieses Artefakt die Übersicht an der betreffenden Stelle erschwert. Das beschriebene Mauerareal auf dem Plateau (mittiger Kreis) ist deutlich höher als heute.

Bei dieser alten Aufnahme bitten wir um besondere Beachtung des rechten Kreisareals: Es besteht hier obendrein der Eindruck, als ob von der Kellerruine am Hangsockel eine Treppe zum Plateau hinaufführte, denn oben erkennt man deutlich zwei Torpfosten aus Stein mit sich anschließendem, niedrigem Mauerring!

Historische Aufnahme von 1885.
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Die folgende Aufnahme aus späterer Zeit zeigt die Situation aus etwas anderer Perspektive: Erneut ist der Steinring (rechter Kreis) gut erkennbar, die vorbeschriebene Stele ist verschwunden oder nur unscharf zu erkennen, dagegen zeigt sich eine ähnliche, vielleicht etwas niedrigere Steinstruktur an anderer Stelle (linker Kreis). Heute liegen an dieser Position zwei große Felsbrocken, welche, falls sie ein Stück herabgerollt worden sind, letztlich diesem Geländemerkmal entsprechen könnten. In diesem Fall hätten sie keine weitere Bedeutung.

 Im Hintergrund, vor dem Haghaus, erkennt man einen größeren Sockel an einem Querweg. Seine Funktion bleibt unklar (Steinfundament eines abgegangenen Gebäudes?). Der vorbeschriebene Kellerbereich unten im Bild wirkt auf dieser Aufnahme wie ein großes Grabungsartefakt. Gut erkennbar auch der Serpentinenweg, der in die Höhe führt, sowie ein Trampelpfad, der links vom Steinring nach oben verläuft. Von einem darüber stehenden Tor sieht man nichts mehr.

Historische Aufnahme unklaren Datums.

In der älteren Aufnahme haben wir eine Stele mit Steinsockel postuliert. Vielleicht trug sie einst ein schmiedeeisernes Kreuz oder ein Bild. Dafür findet sich ein Korrelat in früheren Ausgaben der Topographischen Karte Bayern. Bis ca. 1980 fand sich in den Kartenversionen wiederholt an dieser Stelle ein Kreuzsymbol (siehe folgendes Bild), das in den neueren Ausgaben verschwunden ist. Auf jeden Fall besteht aufgrund dieser Bildinformation der Eindruck, dass hier bis in jüngste Zeit eine religiös bedeutsame Stelle markiert war.

Auszug aus der Topographischen Karte Bayern 1955-1960.

Eine Aufnahme aus der 2. Hälfte des vorigen Jahrhunderts, die von der gegenüberliegenden Turmburg-Ruine aufgenommen wurde, zeigt im Bereich des unterstellten Kapellen/Kirchen-Standortes einen ansehnlichen, nach oben horizontal glatt begrenzten, also vermutlich konservatorisch hergerichteten Mauerring!

Nicht minder interessant ist der Aufgangsbereich. Ein größerer Baum beschattet den Eingang des Kellers/Souterrain-Raums. Seinen Stumpf kann man heute noch finden.

Historische Aufnahme unbekannten Datums.

Es folgen zwei historische Luftaufnahmen, ebenfalls aus späterer Zeit, die nun von oben ein Zerstörungswerk zeigen, dabei jedoch weitere Details wiedergeben:

Auf der ersten ist sehr gut der besagte Stein-/Mauerring (linker Kreis) und seine irreguläre Form zu erkennen. Im südwestlichen Bereich erscheint der Ring unterbrochen gewesen zu sein; die Mauerreste wirken hier zur Schaffung eines Durchgangs geradezu auskragend. Leider ist der Rückschluss, dass es sich hierbei um ein vormaliges Tor im Mauerring der Kirche gehandelt hat, verfrüht; das Artefakt könnte auch erst geschaffen worden sein, als die Mauer bereits in Ruinen lag. Em ehesten entsprechen diese Strukturen den Resten eines gemauerten Schafspferches.

Auf dieser Aufnahme erkennt man sehr gut die beiden Geländefurchen im ehemaligen Keller-/Souterrain-Bereich.

Historische Aufnahme um 1930.
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Dasselbe gilt für die folgende Luftaufnahme, von der wir leider nicht die Zeitstellung im Vergleich zur vorangehenden wissen. Der besagte Mauerring scheint auf den ersten Blick hin geschlossen, ein Eindruck, der aber vermutlich nur projektionsbedingt zustande kommt. Der Kellergraben gähnt weit und offen, der sich anschließende südöstliche Bereich des Hanges zeigt leider wie der Graben Schlagschatten. Die wichtigste Information dieses Bildes besteht jedoch darin, dass zum Zeitpunkt der Aufnahme am Aufgangsweg vis-à-vis des Kellerbereichs ein großes Feldkreuz aufgestellt war. So scheint dieser Bereich auf halber Höhe des Hügels in der Tat eine religiöse Bedeutung gehabt zu haben!

Ob hier einst eine in den Hang hinein gebaute Kapelle oder gar ein Beinhaus stand?

Luftaufnahme unbekannten Datums.
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Es folgen Aufnahmen von Begehungen am 23. Februar und 21. März 2018:

Die ersten Aufnahmen zeigen den Grabenbereich am Aufgang aus jeweils unterschiedlichen Positionen:

Sicht von unten, mit Blickrichtung nach Südwest: Deutlich erkennbar ist die tiefe Kerbe in der felsigen Hangkante zur Rechten, zur Linken ist ein aus dem Felsen herausgeschlagenes Halboval zu erkennen, dazwischen findet sich ein Geländesteg. Die ganze Partie wirkt stark durch Menschenhand verformt, ja geradezu zerrissen, ohne dass vorderhand der Anlass dazu erkennbar ist.

Aufnahme vom 21. März 2018.

Die zweite Fotografie zeigt die Situation von oben, Blickrichtung Nordwest: Im Hintergrund die lange Geländekerbe, halblinks vorne die aufgelöste Oberkante des Fels-Halbovals. Oben wie getreppt wirkendes Gelände, also dort, wo man einen einstigen Torbereich (siehe Fotografie oben) vermuten kann.

Aufnahme vom 21. März 2018.

Wie bei so vielen historischen Gräben anderer Funktion, die wir bereits untersucht haben, ist festzustellen, dass Menschen, die von der historischen Bedeutung der Bodenstruktur nichts wissen (wollen), Gräben gerne als Mülldeponie benutzen. Im vorliegenden Fall verunmöglicht das in den Graben entsorgte Astzeug eine Beurteilung der eigentlichen Länge und Tiefe der Exkavation.

Aufnahme vom 23. Februar 2018.

Oben auf dem Plateau ist der vormalige Stein-/Mauerring noch gut an einer entsprechenden Bodenverwerfung zu erkennen. Das Oval steigt zum Berg hin leicht an. Sichtbares Steinmaterial findet sich aber nur noch an wenigen Stellen, der Großteil ist bereits von Grasnarbe überzogen.

Aufnahme vom 23. Februar 2018, Blick von Nordwesten.

Aufnahme vom 21. März 2018, Blick von Südosten.

Weiter hangaufwärts, in Nähe der oben mit -c- bezeichneten Stelle, finden sich weit verstreute, moosüberwachsene Felsbrocken unterschiedlicher Größe, dazwischen ist das Gelände unregelmäig exkaviert. Möglicherweise standen hier einst ein/mehrere Gebäude (mit Keller?). Oder es wurde hier gezielt in den Fels gegraben. Aus welchen Gründen?

Richtig schlau wird man aus der Ortsbesichtigung auch hier nicht. Es bräuchte schon eine Nachgrabung oder wenigstens oberflächliche Freilegung, um eine bessere Übersicht zu gewinnen.

Aufnahme vom 23. Februar 2018.

Noch ein Stück weiter oben, beim Punkt -d- in obiger Karte, zeigt sich ein von großen Steinen gesäumter Querweg, davor eine Art Plateau mit zahlreichen, z. T. recht großen Felsbrocken. Es steht zu vermuten, dass entweder hier oder ein Stück weiter nordwestlich ein Gebäude stand, dessen Sockel auf einer historischen Fotografie noch auszumachen ist (siehe oben).

Aufnahme vom 21. März 2018.

Soweit der aktuelle Status des fraglichen Kapellenberges. Viele Fragen müssen beim derzeitigen Stand der Dinge offen bleiben. Es bleibt zweifelhaft, ob einst auf der Kuppe die Kirche St. Jakob stand. Das Terrain erscheint zu felsig, für Bestattungen nicht geeignet und die sich nördlich anschließenden Terrassen waren kein Gemeinschaftsgrund, sondern gehörten Ackerbürgern des Marktes, die sie zur landwirtschaftlichen Nutzung benötigten.

Ssollte die Grabungsstelle von 1595 etwa jener Kellersturz gewesen sein, den wir bereits beschrieben haben? Lad dort etwa eine Totenkapelle? Hat das gesehene felsige Halboval damit zu tun? Oder jene Exkavationen bei Punkt -c-, für die wir keine rechte Erklärung fanden, bei denen früher eine Stele stand? Die Stellen sahen in der Tat wie frühere Grabungsstellen aus! Das Bild wäre dann allerdings nicht im, sondern am Totenkaperl aufgefunden worden. Nach der Bergung eines heiligen Bildes hatte man die Auffindungsstelle sicherlich in irgendeiner Weise erhalten und geehrt, was u. U. dort am Berg mit einem Feldkreuz geschah.

Am Ende bleibt eine gehörige Portion Skepsis, zumal uns alte Hohenburger versicherten, sie hätten nie von irgendeiner Bebauung auf diesem Hügel gehört.

 

Dies ist Grund genug, einen alternativen Standort der Kapelle St. Jakob ins Auge zu fassen:

Es geht um eine Platzierung im unteren Vormarkt, südlich des Wegs nach Frabertshofen. Aufgrund der Darstellung in Plan 177 BayHStA wäre dies möglich (siehe linker Kreis in folgender Abbildung).

Ausschnitt aus Plan 177 BayHStA München.

- Bitte mit der Maus über das Bild fahren! -

Der hier eingezeichnete Wegeverlauf passt nicht zum Standort auf dem soeben vorgestellten Bergrücken, den nur die Stang'schen Darstellungen suggerieren, nördlich des Wegs nach Frabertshofen, auf derselben Seite wie das dahinter liegende Haghaus, mit dem wir uns im letzten Kapitel näher befassen (rechter Kreis in vorangehender Abbildung).

Der alternative Standort links des Wegs nach Frabertshofen hat durch die Meldung eines Hohenburger Bürgers, Herr Wittl, Unterstützung erhalten. Er erzählte uns, im Haus Keissing Nr. 8 seien vor vielen Jahren bei der Renovierung an einer Wand unter jüngeren Farb-/Malschichten sehr alte Malereien zum Vorschein gekommen, mit dunkel gekleideten Gestalten als Bildmotiv. Wenn das echte Fresken waren, dann sprechen sie in der Tat für einen Sakralbau, denn Privathäuser hat man früher wohl kaum derartig ausgemalt! [36]

Am 20. Oktober 2018 haben wir deshalb mit Zustimmung der Besitzer dieses Haus Keissing Nr. 8 besichtigt:

Das verlassene Haus hat eine für eine Vormarkt-Bebauung ganz ungewöhnliche, auffallend schmale Bauform und unterscheidet sich von den üblichen Bürgerhäusern in Zeile auch durch seine freie Lage auf einer Geländeterrasse, ähnlich wie es Stang in seiner Karte eingezeichnet hat. Dies passt zu einer profanierten, zum Wohnhaus umgebauten Kapelle vorzüglich. Es ist gut möglich, dass das Haus im Gegensatz zu heute einst auch von einer Ringmauer umgeben war, denn das angrenzende Haus mit der Nr. 20 im Urkataster wurde wohl erst neuzeitlich eingefügt und die eckige Vormauerung von heute ist sicher Folge des modernen Straßenbaus.

Das unbewohnte Haus Keissing Nr. 8 in Hohenburg.

Lage des Hauses Keissing Nr. 8 im k.-b. Urkataster von ca. 1830.

Wie die Seitprojektion des Hauses zeigt, ist aufgrund der Putzunterschiede der südöstliche Anteil des Hauses wohl der ältere, mit etwas dickeren Mauern und offensichtlich besserer Fundamentierung, da sich an diesen Bauteil im Gegensatz zum nordöstlichen Vorbau der Schimmelbefall in Grenzen hält (eventuell erst entstanden durch Aufschüttung des Geländes).

Nordwestfassade des Hauses Keissing Nr. 8.

Wenn dies eine Kapelle war, dann wurde offensichtlich der eingezogene gotische Chor, der einst analog zur Stang'schen Karte in Richtung Straße und Lauterach wies, in der Barockzeit profaniert, abgerissen und anschließend das Haus auf Schiffsbreite an Stelle des alten Chors verlängert.

Mit dieser Sicht der Dinge korreliert gut, dass nur dieser Abschnitt des Hauses im Obergeschoß ein barockes Stuckgesimse aufweist, sonst keiner.

Besonders auffällig ist jedoch, dass in der Mitte des Obergeschosses - an der Südostwand im Bereich der eingemauerten Kamine, jedoch unabhängig von diesen - große behauene Steine durch den Anstrich hindurchscheinen, welche oben die Form eines gotischen Bogens bilden. Es könnte sich hierbei durchaus um Spolien des einstigen Kapellenportals, von der vermauerten und aufgeschütteten Südwestseite handeln.

Links die Überreste von behauenen Steinen in Form eines gotischen Portals, rechts dass barocke Stuckgesmins an der Obergeschoßdecke.

Weitere Hinweise eines gotischen Kapellenbaus finden sich nicht, auch keine sichtbaren Überreste der von Herrn Wittl gesehenen Wandmalereien. Zwischen den Wirtschaftsräumen des Untergeschoßes mit ihren verschimmelten Wänden und den noch einigermaßen passablen Wohnräumen des Obergeschoßes findet sich eine flach überwölbte Kappendecke der Neuzeit, von einfachster Bauart. Auch diese Decke wirkt wie ein nachträglicher Einbau.

Unter dem gesamten, längs-gestreckten Gebäudetrakt zieht sich durchgängig ein aus zugerichteten Kalksteinen gemauertes Tonnengewölbe in der gesamten Hausbreite, das man als vor-barock ansehen muss. Am Ende desselben findet sich eine Wandnische, einstiger Standort für eine Laterne o. ä.. Der Keller zeigt Zeichen wirtschaftlicher Nutzung, mit flachen Sockeln zu beiden Seiten, auf denen man früher relativ trocken Vorräte lagern konnte. Ein kleiner, schon auf dem Urkataster sichtbarer Vorbau, der erst jüngst mit einer neuen Eingansgtür versehen wurde, trennt das eigentliche Kellergewölbe von der Außenwelt.

Eindeutige Zeichen einer sakralen Nutzung finden sich in diesem Keller nicht, eine Nutzung als Gebeinhaus kann man jedoch im Hinblick auf das tradierte "Totenkaperl" nicht ausschließen, wenn das Haus Keissing Nr. 8 in der Tat ein gotische Kapelle war. In diesem Fall steht, wie schon eingangs erwähnt, zu vermuten, dass sie den Querelen des 30-jährigen Krieges zum Opfer fiel und später zum Wohnhaus umgebaut wurde.

 

Es stehen also für die abgegangene Vormarkt-Kapelle St. Jakob grundsätzlich mehere Standorte zur Verfügung - zwei oben am Berg, der dritte unten im Vormarkt. Dem aktuellen Sachstand nach geben wir dem heutigen Haus Keissing Nr. 8 den Vorzug, zumal ja hier auch die Jakobusstraße vorbeizieht.

 


Das Haghaus                    

Wir kommen zur letzten historischen Struktur vor den Mauern des Marktes Hohenburg, welche uns im Rahmen der Recherche zu den drei anderen ins Auge gefallen ist und bisher keine Beachtung erfahren hat.

Es handelt sich um eine alte, heute ruinöse Hofstelle der besonderen Art, welche nur ca. 120 Meter oberhalb der abgegangenen Kapelle St. Jakob (so diese auf dem Berg stand) am Waldrand liegt und im Plan 177 BayHStA abgebildet ist.

Im k.-b. Urkataster von 1830 ist dieses Doppel-Anwesen mit der alten Nr. 121 bezeichnet, die von Batzl publizierte Häuserliste des Jahres 1840 weist es als "das Haaghäusel" aus. [37]

Das Haghaus im k.-b. Urkataster von 1830 (Überprojektion mit dem ALS-Bodenprofil). Der helle Kreis bezeichnet den Standort des Hauses, die roten Flächen den dazugehörigen Grundbesitz.

Auch die Topographische Karte Bayern aus dem Jahr 1815 kennt dieses Anwesen unter der Bezeichnung "Haaghäusel", registriert es allerdings an ganz falscher Stelle (was in dieser Karte des Öfteren zu bemerken ist), bei der sogenannten Weihermühle.

Auszug Topographische Karte Bayern 1815.

Der mundartlich bedingte Diminutiv "Häusel" ist etwas irreführend, denn in Wirklichkeit handelte es sich um einen langgestreckten, stattlichen Bau, so dass wir im Folgenden bei der Bezeichnung "Haghaus" bleiben. In deutlicher Diskrepanz dazu gestaltet sich der bescheidene Grundbesitz dieses Anwesens, der lediglich 2,85 TW Bergwiese umfasste.

Allein deshalb kann es sich um keinen regulären Bauernhof gehandelt haben. Dieser Eindruck hat sich bei unseren Begehungen im Februar und März 2018 bestätigt:

Der Unterbau des Haghauses bestand aus grob vermörtelten Dolomitbrocken unterschiedlicher Größe, die zwar glatt gebrochen, jedoch mit wenigen Ausnahmen nicht speziell zugerichtet waren. Speziell im Unterbau nimmt dieses grobe Steinmaterial mitunter eine beträchtliche Größe und Dicke ein und wirkt sehr archaisch. Buckelquader der Burg, wie sie sich im Markt Hohenburg finden, konnten wir nirgends entdecken, einzelne Steine sind aber zugerichtet und könnten dennoch von der Burg stammen. Der Hausgrundriss ist trotz der Schäden gut auszumachen, zumal speziell von der Nordwestwand noch ein gutes Stück steht.

Die Ruine des Haghauses am 21.03.2018, Blickrichtung nach Nordwesten, in Richtung Burgberg. Gelb der Umriss des Gesamtkomplexes./font>

Es handelt sich um einen langgestreckten, zweiteiligen Baukörper von ca. 15 m Länge und 6 m Breite, mit einem zusätzlichen, talseitigen Gebäudeauszug von ca. 2,5 m x 5 m Größe, dessen Sockel und Umfassungsmauern innig mit dem Hauptgebäude verbunden sind, so dass es sich bei den Auszug vermutlich um eine Primärstruktur des Hauses und nicht um eine nachträglich entstandene Erweiterung handelt. Das Haus muss einst zweistöckig gewesen sein, vom Obergeschoß und Dachstuhl ist nichts mehr vorhanden.

Die Ruine des Haghauses im Schnee, Aufnahme vom 23.02.2018.

Aufnahme vom 23.02.2018. Die Hausruine besteht aus Bruchsteinmaterial unterschiedlicher Größe. Behauene Steine finden sich nur an den Ecken und auch hier nur sporadisch. Im Unterbau des Gebäudes imponieren zum Teil sehr große Dolomitbrocken.

Zu den einzelnen Gebäudeabschnitten des Haghauses:

Um es zu wiederholen: Ein Bauernhof war das Haghaus nicht, eher ein Funktionsgebäude mit speziellen Aufgaben, die sich aber durch die Ruine selbst nicht erschließen.

Damit lebten hier in spät- und nach-hochstiftischer Zeit auch keine Bauernfamilien, sondern Handwerker: Um 1751 ist ein gewisser Paul Geislehner noch ohne Berufsangabe vermerkt, nach 1826 ein Uhrmacher namens Leonhard Federl, der am 11.09.1826 das Anwesen von seiner Schwiegermutter Margarete Wiesner gekauft hatte und für den angrenzenden Hochwald namensgebend wurde (Federlhag). [38]

Zuvor aber muss dieses Doppelhaus zum Hochstiftsbesitz gehört haben, denn im Steuerbuch von 1721 ist  im Bereich des IV. Viertel von Hohenburg (am Platz, beim unteren Markttor) von 13 freieigene Behausungen die Rede, aber auch von 2 Behausungen als "Regensburger Lehen", worunter wir mangels eines anderen Gebäudes in dem einen Bischofslehen die profanierte Kapelle St. Jakob (so sie im unteren Vormarkt lag) verstehen, in dem anderen eben das Haghaus. [39]

Dass das Haghaus einst ein Funktionsgebäude des Hochstifts Regensburg gewesen sein muss, ist aber auch schon aus dem Umstand seines speziellen Namens erkennbar. Denn der Begriff "Hag" - oder "Haag", je nach Schreibweise - bezeichnet einen umfriedeten herrschaftlichen Bezirk, in diesem Fall den seit ältester Zeit bestehenden Feld-Waldgürtel um den Kegel des Burgberges herum, an dessen südöstlichem Mauerrand der Hagweg nach Frabertshofen und das "Haghaus" lagen.

Aufnahme vom 21.03.2018. Obwohl weitgehend verfallen, sind die Mauern, die den Hag säumen und durchziehen, noch immer stellenweise beeindruckend und sprechen für eine immense Kulturleistung in früheren Zeiten. Hier ist der Hagweg, der vom Haghaus zu einem Sattel in Richtung Frabertshofen und Viehhausen hinaufzieht, abgebildet; er war auf langer Strecke bergabgewandt von einer niedrigen und bergzugewandt von einer höheren Mauer gesäumt.

In dieser Bedeutung findet sich das Wort "Hag" im k.-b- Urkataster von 1830, aber auch schon auf den Stang'schen Karten von 1600:

Ausschnitt aus dem k.-b. Urkataster von 1830.

Der Hag der Hohenburg in der Stang'schen Karte von 1600 (Kolorierung durch uns).

Eine Ölmalerei aus der Zeit um 1600, die sich heute im Bayerischen Hauptstaatsarchiv in München befindet, zeigt das historische Haghaus am schönsten - als Einzelgebäude an einer gemauerten und ziegelgedeckten Einfriedigung, die vielleicht einst der Schlossherrschaft als Tiergehege gedient hat. Eine solche Einfriedung rechtfertigte den Begriff "Hag" nun vollends.

Das Haghaus auf einer Ölmalerei aus der Zeit um 1600 (heute Plan 1075 BayHStA).

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Der Flurname "Hag" war früher und ist sicherlich auch heute den Hohenburgern noch bestens bekannt. Friedrich Spörer berichtete z. B. in Zusammenhang mit der spätmittelalterlichen Ringmauer des Marktes davon, dass wegen der natürlichen steilen Felshänge die Mauer den Berg hinauf rasch schwächer wurde und sich beim "Federlhag" nach Nordwesten wandte, entlang der Hangkante bis hin zur sogenannten "Schanze". Mit dem "Federlhag" kann, wie bereits erwähnt, nur der Hag des Uhrmachers Federl gemeint sein, der nach 1826 im Haghaus wohnte.

Folgende historische Fotografie zeigt genau den einstigen Mauerverlauf über dem Bergrücken und den "Federlhag" zur Linken. Da der Rest des Burgbergs zu dieser Zeit kaum bewaldet war, erkennt man noch gut die zahlreichen Trockenmauerzüge im Inneren des Hags, mit den zugehörigen Parzellen, welche das Wort "Hag" im Sinne von "Einfriedung" ebenfalls untermauern.

Um 1600 kann der Burgberg durchaus noch stärker bewaldet gewesen sein, wie wiederum die Stang'sche Karte suggeriert.

Das Haghaus als Doppelhaus links am Bildrand, dahinter der Federlhag, ein Mischwald, der sich von der gut sichtbar den Berg hinaufziehenden Umfassungsmauer des Marktes aus noch ein Stück in Richtung Burg erstreckte.

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Unter diesen Aspekten dürfte das Haghaus mit der früheren Forstwirtschaft des bischöflichen Amtes Regensburg zu tun gehabt haben, wobei allerdings die Forstverwaltung selbst schon 1520 mit einem eigenen Haus nahe an den Markt herangerückt war.

Im späten 16. Jahrhundert, genau zwischen 1562 und 1590, scheint das Forstwesen bei Hohenburg vorübergehend so darnieder gelegen zu haben, dass die Forsthäuser verwaist lagen bzw. als Schulgebäude zweckentfremdet waren: So liest man in den alten Matrikeln davon, dass um 1580 oberhalb der Marktkirche im Forsthaus des letztmalig im Jahr 1562 erwähnten Försters Peter Peg (alte Hausnummer 127, heute Nikolaus-Erb-Straße 6) die Schule von Hohenburg eingerichtet worden sei. Zuvor aber sei der Unterricht in einem Haus "außerhalb des Marktes in steiler Hanglage" erfolgt, was man aus Sicherheitsgründen hatte aufgeben müssen. Das einzige Haus, das diese Kriterien aufwies, war wohl ein anderes Forstgebäude, eben das Haghaus!

So gehen wir zusammenfassend davon aus, dass das Haghaus zum Hochstift Regensburg gehörte und in spät-hochstiftischer Zeit als Forstbetriebsgebäude, vielleicht auch als Wald- und Feldarbeiterunterkunft und zeitweise auch als Schulhaus diente, ehe es um 1813 wie die anderen Hochstiftsbesitzungen an Privatpersonen, in diesem Fall an ein Ehepaar Wiesner veräußert wurde. Über die Nachbesitzer des Jakob Federl ist uns nichts bekannt; sie ließen sich sicherlich leicht aus den Liegenschaftsverzeichnissen des Marktes rekonstruieren.

Zum Forstbetriebsgebäude passt die räumliche Disposition des Haghauses: Im Gegensatz zu den Jägern brauchte ein Forstmeister und seine Unterförster und Waldarbeiter eine Menge an Gerätschaften, Hacken, Sägen, Äxte und Ketten, vielleicht dazu sogar eine eigene Schmiede und Zimmerei, die in einem solchen Haus gut unterzubringen waren!

Es folgen nun zur Veranschaulichung einige Aufnahmen aus dem letzten Jahrhundert, wobei das Haghaus in unterschiedlichen Konfigurationen erscheint. Leider ist bei fehlendem Datum der Aufnahmen ein genaue zeitliche Einordnung nicht möglich.

Historische Fotografie unbekannten Datums. Links am Bildrand das Haghaus. Der Gebäudeauszug nur schwer zu erkennen, die Firsthöhe des Beigebäudes überschreitet die des Haupthauses.

Das linke Bild, das einem Ausschnitt der vorherigen Fotografie entspricht, zeigt das Haghaus ebenfalls noch als vollwertiges Doppelhaus. Die mittlere und rechte Aufnahme zeigen einen Rückbau des hinteren Anbaus um Stockwerkshöhe, das Dach kommt deswegen deutlich niedriger zu liegen. Das rechte Bild weist stattdessen ganz deutlich den talseitigen Vorbau aus, der nicht zur Traufe hinaufreichte. Er verleiht dem Haghaus den Aspekt des Herrschaftlichen!

Das teilweise rückgebaute Haghaus in der größeren Übersicht.

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Derselbe Aspekt in nochmals verbesserter Auflösung, wobei nun auch das mit einem steilen Satteldach versehene Rückgebäude besser zur Darstellung kommt, desgleichen ein alter Gebäudesockel halbrechts vor dem Anwesen.

Den besten Aspekt des Haghauses vor seiner Zerstörung bietet der Ausschnitt einer Postkarte unbekannten Datums, die uns Herr Kürzinger von der Schallermühle zur Verfügung gestellt hat. Im Gegensatz zu den vorangegangenen Aufnahmen erkennt man hier bergseitig die Wand eines weiteren, lang gezogenen Gebäudetraktes. 

Ausschnitt einer alten Postkarte.

Das Gebäude hinter dem Haghaus mit seinem hellen Satteldach wirkt auf dieser Aufnahme relativ neu; es soll laut Herrn Kürzinger ein kombinierter Stall-Scheunen-Anbau gewesen sein, der dann aber nur in der westlichen Hälfte gemauert gewesen sein kann. Die hier noch bestehenden Mauerstümpfe (siehe oben) haben die Größe des Gesamtgebäudes nicht abgebildet.

Gut erkennbar ist auch das Haghaus selbst: Es kommen 3 von 4 Fenstern der talseitigen Fassade zur Darstellung, das 4. ist vermutlich durch den Gebäudeauszug in der Mitte verdeckt. Dieser zeigt sich nun als 2-gliedriger Baukürper, nur bis zum Obergeschoss des Hauses reichend, mit einer Tür im oberen Anteil, der gegenüber dem unteren etwas zurückgesetzt wirkt. Nach wie vor bleibt die Funktion dieses Gebäudeauszuges unklar (Keller im Untergeschoss? Kleine Terrasse vor dem Obergeschoss?).

Der nach Osten an das Haghaus angrenzende Baukörper, in gewisser Distanz zum Haupthaus, bleibt bezüglich seiner Funktion unklar (Schweinestall?). Wie folgender Postkartenausschnitt zeigt, muss er jedoch von beträchtlicher Länge gewesen sein. Auf dieser Aufnahme gewinnt man den Eindruck, dass die Einfahrt in den Hof einst doch von der Wegseite her erfolgte, was man heute nicht mehr nachvollziehen kann. Hinter der Häusergruppe liegt der mit Bäumen bewachsene Federl-Hag, der einen einstigen Steinbruch der Burg hinaufzieht und einen großen Felsenkeller beherbergen soll.

Ausschnitt einer alten Postkarte.

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Allein die frühere Verwendung als bischöfliches Forstbetriebsgebäude und Hohenburgs Hilfsschulhaus sollte genügt haben, dieses interessante Gebäude unter Denkmalschutz zu stellen und zu erhalten, aber leider war dem nicht so.

Dennoch hätten wir uns mit dem Haghaus nicht so ausführlich beschäftigt, wenn nicht eine viel höhere Bedeutung in früherer Zeit im Raum stünde. Es ist nämlich gut möglich, dass dieses Haus - oder wenigstens ein Vorgängerbau an derselben Stelle - das einzig sichtbare Zeichen jenes historisch bedeutsamen Vertrags von 1210 ist, mit dem die Gräfin Mechthild von Hohenburg und Bischof Konrad von Frontenhausen die spätere Übergabe der Grafschaft Hohenburg an das Hochstift Regensburg regelten! [40]

In diesem Vertrag liest man folgende Zeilen:

Auszug aus Th. Ried: Genealogisch-diplomatische Geschichte der Grafen von Hohenburg, Regensburg 1812, S. 81.

Übersetzt heißt dies:

"Als sichtbares Zeichen der Eigentumsübertragung, welche die Gräfin (Mechthild) in all diesen Liegenschaften gegenüber der Kirche vollzog, hat sie (schon jetzt) uns (dem Bischof von Regensburg) eine Hofstelle im äußeren Burgbereich überschrieben, damit wir einen ihrer Ministerialen, den wir bestimmen, dort einsetzen!"

Was bedeutet dies?

Mit einem symbolhaften, aber rechtlich unanfechtbaren Akt übertrug die Gräfin (mittels Übertragung eines Teileigentums) bereits zu diesem frühen Zeitpunkt die gesamte Grundherrschaft über die Grafschaft Hohenburg auf den Stuhl von Regensburg und sicherte damit dessen weitere Ansprüche. Gleichzeitig wies sie damit einen Weg auf, wie sie sich die Übernahme der vormals Hohenburgischen Ministerialen vorstellte!

Die einzige Hofstelle im äußeren Burgenbereich, die wir kennen, ist jedoch diejenige des Haghauses! [41]

So ist es gut möglich, dass das Haghaus im Kern bereits auf die Zeit der Grafen von Hohenburg, mithin auf das 12. Jahrhundert oder noch früher zurückgeht!

Diese Sicht der Dinge wird durch einige Urkunden aus der Markgrafenzeit im 13. Jdh. gestützt, in denen sich z. B. ein (damals noch immer) markgräflich-hohenburgischer Ministeriale "Zacharias de hage" findet:

Auszug aus der Verzichtserklärung der Hohenburger Markgrafenbüder gegenüber dem Stuhl von Regensburg aus dem Jahr 1243, Urkunde Nr. XLIX bei Ried, Hohenburg, S. 89ff., hier S. 91.

Zwar wurde dieser Ministeriale in der Vergangenheit mit dem Weiler Haag bei Laufenthal/Hemau assoziiert, doch hegen wir an dieser Deutung Zweifel. Denn nach dem Erlöschen der Markgrafen-Dynastie in Hohenburg erwies sich dieser Ministeriale genau als der treue Anhänger des Bischofs Albertus Magnus von Regensburg, als der schon sein Vater oder Großvater von der Gräfin Mechthild von Hohenburg dem Vorgänger im Bischofsamt anempfohlen worden war. Deswegen war der Ritter sogar gegen Ende seines Lebens bereit, seine leiblichen Nachfahren ganz in die Hände Bischof Alberts zu geben und diese nicht eigenständig zu verheiraten. Hier ging es darum, demonstrativ zu verhindern, dass das Zacharias-Lehen später in Hände geriet, die dem Stuhl von Regensburg nicht genehm waren.

Diese Absicherungspolitik spricht ganz für den sensiblen Ministerialensitz im unmittelbaren Bereich der Hohenburg, nicht für einen x-beliebigen, strategisch unwichtigen Weiler bei Hemau!

Originaler Namenszug des "Zacharias de hag und (seines Sohnes?) Dietrich de hag" in einer Urkunde des Spitalarchivs Regensburg, vom 8. Dezember 1272, heute SpAR Urk. 1042.

Urkunde Num. D 1264, in Ried, Episcopatus Retisbonensis, S. 473f.

Es ist gut möglich, dass sich die Nachfahren dieses bischöflichen Leibritters oder ein späterer Seitenzweig seiner Familie im nahen Weiler Frabertshofen (1242 als "Frobrehteshofen" erstmals urkundlich erwähnt) als edelfreie "Hager" niederließen. Der Weiler Frabertshofen gehörte ursprünglich ebenfalls zur Burgherrschaft Hohenburg und lag an dem Weg, der am Haghaus vorbeiführte. Die Hager errichteten in Frabertshofen einen weiteren Ministerialsitz, der urkundlich gut dokumentiert ist. Später muss dieser Sitz vom Hochstift Regensburg verpfändet bzw. ganz abgestoßen worden sein und er tauchte vorübergehend sogar als Abensberger Lehen (Pabonen-Nachfahren!) auf. Erst im Jahr 1564 trat der letzte "Hans Hager zu Frabertshofen" seine Hofmark Frabertshofen erneut an Bischof Veit und das Domkapitel von Regensburg ab, für 2200 rheinische Gulden. [42]

Im k.-b. Urkataster von 1830 ist dieser Sitz Frabertshofen, der zuletzt als sog. "Schlößl" bekannt war, und dessen Keller als Bierkeller vom daneben liegenden Wirtshaus benutzt wurden, noch strukturell als Ringwallanlage am ehemaligen Wirtsgarten erkennbar. Wenig später, im Jahr 1833, brannten Sitz und Dorf Frabertshofen bis auf 3 Häuser nieder. [43] Aber selbst heute noch, nachdem der Ort aus militärischen Gründen zur Wüstung wurde und Schützenpanzer wiederholte Male über ihn hinwegrollten, ist die ehemalige Burganlage noch schwach im Bodenrelief zu erkennen (inklusive Häuserresten und Kellerfundamenten):

Urkunde Num. D 1264, in Thomas Ried: Codex chronologico depilomaticus Episcopatus Retisbonensis, Regensburg 1816, S. 473f.

Das verfallene Haghaus am Fuß der Hohenburg dürfte aber neben Teilen der Burg so ziemlich das älteste und historisch wichtigste Gebäude der Burgherrschaft Hohenburg darstellen. Vielleicht wurde hier in früherer Zeit sogar Wegezoll erhoben. Heute liegt seine Ruine, so wie es scheint, in der Verfügungsgewalt der Amerikaner und ist deshalb vermutlich dem amtlichen Denkmalschutz entzogen! Dies kann allerdings auch eine Chance sein!

 


Damit beenden wir diesen Zyklus über die bis dato unbekannten Überreste der Geschichte Hohenburgs und hoffen, das sich durch ein gründliches Archiv-Studium oder eine archäologische Untersuchung, die wir leider nicht selbst  vornehmen können, noch weitere Informationen und Klärungen ergeben. Insofern ist diese Arbeit, die sich auf nur wenige, gemeinfreie Primärquellen und die reichliche Sekundärliteratur zur Geschichte Hohenburgs stützt, als eine vorläufige und in weiten Teilen noch offene zu betrachten. Dies möchten wir zum Schluss nochmals ausdrücklich betonen.

Werner Robl, Berching, den 22. März 2018.

 


Endnoten                    

[01] Thomas Ried: Genealogisch-diplomatische Geschichte der Grafen von Hohenburg, Markgrafen auf dem Nordgau, Regensburg 1812. Nikolaus Erb: Reichsherrschaft Hohenburg auf dem Nordgau, in: Verhandlungen des Historischen Vereins für Oberpfalz und Regensburg (VHVOR) Bd. 38, 1884, S. 123ff. Hans Dachs: Das Marktrecht von Hohenburg auf dem Nordgau, in VHVOR Bd. 89, 1934, S. 3ff. Friedrich Spörer: Geschichtlicher Führer durch Hohenburg und Umgebung, Kallmünz 1935. Manfred Jehle: Parsberg (m. Amt Hohenburg), Heft 51, Historischer Atlas von Bayern, Teil Altbayern, München 1981, S. 47, 382-404, 502-508, 512. Heribert Batzl: Geschichte des Markts Hohenburg, Hohenburg 2000. Jürgen Dendorfer: Von Edelfreien zu Grafen. Zu den Grafen von Hohenburg auf dem Nordgau, in: Konrad Ackermann, Jürgen Dendorfer (Herausgeber): Festgabe für Alois Schmid in Zeitschrift für bayerische Landesgeschichte 68 (1+2), München 2005, S. 353ff.

[02] Vgl. Günter Frank, Georg Paulus: Die pfalz-neuburgische Landesaufnahme unter Pfalzgraf Philipp Ludwig, Regensburger Beiträge zur Heimatforschung, Bd. 6, Regensburg, Kollersried 2016, S. 535ff. URL: http://www.heimatforschung-regensburg.de/97/.

[03] Da man anderweitig meistens leer ausgeht, bitten wir bezüglich der Pabonen und ihrer geschichtlichen Bedeutung um Beachtung des reichlichen Materials, das wir über sie zusammengetragen und in mehreren Facharbeiten niedergelegt haben. URL: http://www.robl.de Zu den Pabonen und ihren Beziehungen zu Hohenburg siehe auch unsere Arbeit zum Hohenburger Martinsberg, URL: http://www.robl.de/hohenburg/martinsberg/martinsberg.html.

[04] Vgl. J. Widemann: Die Traditionen des Hochstifts Regensburg und des Klosters St. Emmeram, Quellen und Erörterungen zur Bayerischen Geschichte, Neue Folge Bd. 8 I, 1942, Nr. 32, S. 39f. Der Priester David muss zum Zeitpunkt der Beurkundung schon ziemlich alt gewesen sein, denn er erscheint bereits in Urkunden St. Emmerams von 10. März, 21. September 814 und 14. Dezember 819. Der Besitztausch war also für St. Emmeram ein gutes Geschäft, denn selbstredend fielen Kirche und Kirchspiel von Allersburg nach dem Tod Davids wieder an den Konvent zurück. Vgl. Thomas Ried: Codex chronologico diplomaticus Episcopatus Retisbonensis, Regensburg 1816, Urkunden XVI, XVII, XX, XL, S. 12f., 18, 42.

[05] Vgl. Widemann, Traditionen Emmeram, S. 56. Eine Verwechslung mit Etterzhausen, wie M. Jehle in HAB, Bezirksamt Parsberg, vermutet hat, erscheint uns nicht gegeben, da Adertshausen im frühen 13. Jahrhundert eindeutig zum Bischofsbesitz zählte.

[06] Vgl. Widemann, Traditionen St. Emmeram, Nr. 290, 295, 296, 298, 299, S. 232ff.

[07] Vgl. Werner Robl: Burggraf Heirnich III. von Regensburg und sein Erbe: Die romanischen Schutzkirchen in Altbayern, Berching 2012, URL: http://schutzkirchen.robl.de.

[08] Vereinzelte Hinweise zu den Ministerialenburgen der Pabonen finden sich in unserer Arbeit zu den Schutzkirchen und weiteren Pabonenarbeiten (siehe Endnote 3) Der Burgenbestand der Pabonen harrt noch einer umfassenden Beurteilung und Veröffentlichung.

[09] Mit den "Oberpfälzer Wittelsbachern" sind im Wesentlichen die eingeheiratete Heilika von Lengenfeld und ihr Sohn Pfalzgraf Friedrich gemeint, welche mit den Pabonen befreundet waren und sich von den sonstigen Wittelsbachern deutlich unterscheiden.

[10] Vgl. die Abbildungen auf der Burgenseite, URL: http://burgenseite.de/html/rossstein.html.

[11] Vgl. Batzl, Geschichte Hohenburg, S. 233ff.

[12] Vgl. Werner Robl: Martinsberg im Waldviertel und in der Oberpfalz - zwei Kirchen in derselben Tradition, Berching 2017, URL: http://www.robl.de/hohenburg/martinsberg/martinsberg.pdf.

[13] Bauliche Elemente in Allersburg tragen in unseren Augen eindeutig die Handschrift der burggräflichen Pabonen bzw. der von ihnen beschäftigten, meist comaskischen Steinmetze der sog. Donauschule. Zu deren Arbeiten zählt z. B. das feine Gewände der dortigen Rundkapelle, die aus unserer Sicht gänzlich unnötig den Oberpfälzer Karnern zugeordnet wird, sondern eher dem singulären Begräbnisort einer hochgestellten Familie entspricht, analog zur einzig vergleichbaren Rundkapelle in Bayern aus derselben Zeit, am Kloster Steingaden, welche Herzog Welf VI., der persönliche Freund und Pilgergefährte Burggraf Heinrichs III. von Regenburg, für sich und seine Familie als Grabstätte vorgesehen hatte. Es ist deshalb gut denkbar, dass einst ein Graf oder eine Gräfin von Hohenburg eine ähnliche Kapelle in Allersburg als Begräbnisort für sich und die eigene Familie noch zu Lebzeiten errichten ließ. Dass es anders kam, haben wir in unserer Arbeit über die Martinskirche beschrieben. Zur hervorragenden Steinmetzkunst in Allersburg gehört auch jene wie gedrechselt wirkende romanische Steinsäule, die einst im Garten des Pfarrhofs stand und in den Kunstdenkmäler von Bayern, BA Neumarkt, auf S. 90, abgebildet ist.

[14] Vgl. Jehle, HAB BA Parsberg, S. 384. Das Leonhard-Patrozinium der Rundkapelle von Allersburg stammt aus demselben Band der Kunstdenkmäler und hat sich nicht nur bei Jehle, sondern inzwischen in vielen anderen Publikationen festgesetzt, ohne dass es dafür eine Evidenz gäbe.

[15] Vgl. die zusammenfassende Wertung von Mathias Hensch: Der früh- und hochmittelalterliche Friedhof an der Kirche St. Maria Heimsuchung bei Hohenburg - Ein Arbeitsstand zu den Auswertungen der Grabungen von 2010/2011, in: HVOR, Regionalgruppe Amberg: Der Eisengau, Bd. 46/2016, S. 113ff.

[16] Vgl. Ried, Episcopatus Ratisbonensis, Bd. 1, Urkunde CCLXXXVI, S. 269.

[17] Zum mittelalterlichen Namen "Stetten" und seiner Bedeutung mehr in unserer Arbeit zu St. Peter in Straubing. Vgl. Werner Robl: Auf Spurensuche im 12. Jahrhundert: Der Kreuzzug Herzog Welfs und St. Peter in Straubing, Berching 2015, S. 11ff., URL: http://www.robl.de/straubing/straubing.pdf.

[18] Vgl. Nikolaus Erb: Adertshausen in der Oberpfalz, historisch topographisch beschrieben, in: VHVOR Bd. 14, Regensburg 1850, S. 231.

[19] Vgl. Erb, Adertshausen, S. 224.

[20]Vgl. Erb, Adertshausen, S. 231f.

[21] Vgl. Urkunde von 1210, abgedruckt in Ried, Grafen von Hohenburg, S. 80ff.

[22] Vgl. Ried, Episcopatus Ratisbonensis, Urkunde CCLXXXVI, S. 268ff. Derartige Scutzbriefe waren im 12. Jahrhundert eine kostspielige und zeitaufwendige Angelegenheit. Die Brüder von St. Johann in Regensburg müssen dazu eigens nach Verona zum Papst reisen.

[23] Vgl. Erb, Adertshausen, S. 222ff., speziell S. 224.

[24] Vgl. Kunstdenkmäler von Bayern, Bd. 2 Oberpfalz und Regensburg, Heft IV Bezirksamt Parsberg, München 1906, S. 118. Auch: Georg Dehio: Handbuch der Deutschen Kunstdenkmäler, Bayern V, Regensburg und Oberpfalz, Berlin 2008, S. 233.

[25] Wir bedanken uns bei der Schwiegertochter von Herrn Spörer für die freundliche Überlassung und bei Herrn Hans Wolfsteiner, der das maschinengeschriebene Exzept besorgt hat.

[26] Vgl. Manuskript Nikolaus Erb von 1876, Transkription F. Spörer, S. 1, und Batzl, Geschichte Hohenburg, S. 101.

[27] "Eine echte mittelalterliche Spitalstiftung ist die Stiftung der geistlichen Herren Jakob Künlein von Weißenburg und Johann von Aichach, Domvikar von Eichstätt, die am 31. Mai 1452 für das Berchinger Spital ein ewiges Herrenbett stifteten. Das Herrenbett sollte armen und kranken Priestern oder Pilgern zur Verfügung stehen und zwar bis zu ihrer völligen Genesung. Die Ausstattung des Bettes bestand nach dem Stiftungsbriefe in folgenden Stücken: Das Herrenbett soll ein Spannbett sein, mit einem Strohsack, einem Oberbett, einem Kopfpolster und einem Kopfkissen... Zur vollständigen Aussstattung des Herrenbettes ließen die beiden Stifter aus ihrem Stiftungskapitale noch zwei Paar Leintücher, eine Decke, ein Lederlaken und einen Kasten für das Bettzeug anschaffen. Zu diesem Bette wollten die Stifter auch eine Sterbekerze genehmigen, weshalb sie einen halben Gulden zum Ankauf von Wachs auswarfen. Die Gesamtsumme der Stiftung belief sich auf 62 Gulden..." Zitat aus Ludwig Gernhardt: Beiträge zur Geschichte der Stadt Berching, Neumarkt 1929, S. 100f.

[28] Ausführliche Angaben zu den Auseinandersetzungen mit Pfalz-Neuburg bei Erb, Hohenburg, S. 144ff.

[29] Vgl. Batzl, Geschichte Hohenburg, S. 109.

[30] In der Marktkirche St. Jakob von Hohenburg soll eine Kapelle aus dem 12. Jahrhundert verbaut sein, doch kennen wir für diese Annahme weder die zugehörige Quelle noch die genaue archäologische Evidenz.

[31] Vgl. Batzl, Geschichte Hohenburg, S. 93ff.

[32] Vgl. maschinengeschriebenes Transkript des Erb'schen Manuskriptes zur Salvatorkirche, wie oben angegeben, mit Anmerkungen Friedrich Spörers, unveröffentlicht, in Privatbesitz.

[33] Vgl. Spörer, Geschichtlicher Führer, S. 30.

[34] Vgl. Erb, Hohenburg, S. 200 und 206.

[35] Vgl. Stichwort "Messe" in Meyers Großem Konversationslexikon, 6. Auflage, Leipzig-Wien 1905-1909, Bd. 6, Sp. 657.

[36] In Hohenburg lebte in den 60er Jahren des vergangenen Jahrhunderts ein Maler namens Josef Senft, der nicht nur ganze Schulen ausmalte, sondern für Privathäuser auch Dekormalereien ausführte. Später lebte er in München, bis in die 80er Jahre. Wir haben uns eine seiner Malereien in der Schallermühle angesehen; den Schilderungen von Herrn Wittl zufolge kommt dieser Maler Senft wohl kaum als Urheber der gesehenen dunklen Fresken in Frage.

[37] Vgl. Batzl, Geschichte Hohenburgs, S. 243.

[38] Vgl. Batzl, Geschichte Hohenburgs, S. 236 und 243.

[39] Vgl. Jehle, HAB BA Parsberg, S. 508.

[40] Lateinischer Originalwortlaut der Urkunde bei Ried, Hohenburg, S. 80ff.

[41] Man könnte allenfalls alternativ über ein Haus im eh nur sehr kleinen Vorburg-Bereich der Hohenburg spekulieren, doch hätte dieses einem Ministerialen und seiner Familie kaum eine Lebensgrundlage auf Dauer geboten.

[42] Vgl. Jehle, HAB BA Parsberg, S. 391 und 400.

[43] Vgl. Spörer, Geschichtlicher Führer, S. 9.

 



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