Die Berchinger ISEK-Projekte vor dem Hintergrund eines bayernweiten Abwärts-Trends

Prof. Dr. Egon J. Greipl, Landesgeneralkonservator a. D., äußert sich u. a. zum Fall ISEK Berching

Professor Dr. Egon Johannes Greipl war bis vor 2 Jahren Generalkonservator und Leiter der obersten Denkmalbehörde in Bayern. Er gilt als eine überragende Kapazität auf dem Gebiet des Denkmalschutzes. Professor Greipl ist seit seinem Ruhestand für die ÖDP Stadtrat von Passau und kümmert sich um das dortige kulturelle Erbe.
  • Folgende Rede, die Prof. Greipl am 22. Februar 2014 bei der ÖDP in Regensburg hielt, hat Tiefgang! In ihr finden wir unsere eigenen Motive, für die Erhaltung der historischen Substanz Berchings einzutreten, vollständig wieder!
  • Es folgt eine kurze, umso prägnantere Stellungnahme vom 05.09.2014 zum Fall der ISEK-Impulsprojekte in Berching, speziell am Kuffer-Park.
  • Abschließend noch ein Interview der Bayerischen Staatszeitung mit Prof. Greipl.

 

Regensburger Rede Professor Greipls vom Februar 2014

Egon Johannes Greipl, Regensburg, Saal im Goldenen Kreuz, 22. Februar 2014

 

Für eine Politik des Erhaltens

Seit drei Monaten bin ich nicht mehr Generalkonservator des Bayerischen Landesamtes für Denkmalpflege, aber Denkmalschützer bin ich immer noch. Ich habe mich nie von meinem Amt her definiert sondern von den Denkmälern. Denkmäler sind nicht die Sache von Kunsthistorikern oder von Architekten. Denkmäler gehen uns alle an. Deshalb sind wir auch alle Denkmalschützer und Denkmalpfleger, bessere oder schlechtere.

Denkmalschützer und Denkmalpfleger beschäftigen sich nach herkömmlicher Vorstellung ausschließlich mit der Vergangenheit. Das ist falsch. Im Interesse langfristig erfolgreicher denkmalpflegerischer Arbeit ist es heute aber mehr als je nötig, gleichzeitig zurück und nach vorne zu blicken. Denkmalschutz und Denkmalpflege tragen den Januskopf.

Denkmalschützer und Denkmalpfleger beschäftigen sich nach herkömmlicher Vorstellung ausschließlich mit der Geschichte, der Kunst, besonders der Baukunst und der Archäologie; sie sind Ästheten, und für anderes interessieren sie sich nicht. Auch das ist falsch.

Erfolgreiche denkmalpflegerische Arbeit lebt davon, dass wir Denkmalpfleger vernetzt denken und die Komplexität der Gesellschaft und unserer darin angesiedelten speziellen Probleme stets vor Augen haben. Wir wollen uns nicht instrumentalisieren lassen, weder von Ideologien noch Investoreninteressen und auch nicht von Mieterinteressen.

Seit 1990 haben wir es bei der Denkmalpflege mit einem dramatischen Rückgang der Finanzmittel zu tun und, wie nicht anders zu erwarten, mit einem dramatischen Verlust an Denkmälern. Die Verluste betreffen hauptsächlich die baulichen Zeugen der Lebens- Wohn und Arbeitswelten der Mittel- und Unterschichten. Von den Hauslandschaften sind nur mehr Fragmente da, zahllose Ortskerne sind ruiniert und Kulturlandschaften in großem Umfang zerstört. Vielerorts hat sich eine ästhetische Umweltverschmutzung ohnegleichen breit gemacht, seit einiger Zeit unter der Überschrift Energiewende.

Sind die ökonomischen Zwänge unausweichlich? Sind unsere geschichtlichen Bauwerke, unsere archäologischen Stätten, unser Landschafts- Orts- und Stadtbilder nicht verankerte Werte? Spielen die für alle und immer sichtbare Erkennbarkeit und die Identität Bayerns keine Rolle mehr? Reichen Folklore und Klamauk?

Der Denkmalschutz und die Denkmalpflege, damit auch die Denkmäler in Bayern haben nach 1990, verstärkt nach 2003, sehr unter dem Konzept der Deregulierung gelitten. Unter diesem Motto wurden, angeblich um wirtschaftlich global konkurrenzfähig zu bleiben, Regeln aufgegeben, die in Jahrhunderten, sogar Jahrtausenden europäischer Kulturgeschichte entwickelt, erkämpft, verfeinert worden waren. Sind Solidarsysteme keine Errungenschaft? Sind Stadtplanung und Landschaftsschutz, Denkmalpflege und Denkmalschutz keine Errungenschaft? Heißt es denn nicht, zur Dritten Welt zu werden, wenn man auf solche Regeln verzichtet?

Es ist alarmierend, wenn weltweit die Zerstörung von Denkmälern mit wenig mehr als einem Schulterzucken hingenommen wird. Regeln werden nicht erlassen, oder, wenn Sie existieren, liegt der Vollzug im Argen.

Vor wenigen Tagen berichteten die Zeitungen, dass Sondengänger und Raubgräber in Rheinland-Pfalz einen sensationellen römischen Schatz gefunden, ihn illegal ausgegraben, die für die Geschichtskenntnis unverzichtbaren Fundzusammenhänge zerstört und einen Teil der Stücke bereits verhökert haben. Der Kommentar der zuständigen Ministerin: Durch derartige Raubgräberei entsteht großer Schaden. Nicht nur für die Wissenschaft, sondern auch für die Allgemeinheit. Für derart triviale Absonderungen brauchen wir keine Kultur- und Denkmalpolitiker! Wir bräuchten Sie, damit Sie die für das Gemeinwohl wichtigen Regeln schaffen und deren Einhaltung sicherstellen. Das Erhalten der Bodendenkmäler dient dem Gemeinwohl!

Regeln braucht es überall, wo es Zivilisation gibt. Regeln schaffen Zivilisation. Deregulierung ist, statt als notwendiges Werkzeug für bestimmte Fälle eingesetzt zu werden, als Wert an sich verkauft worden: Die verheerenden gesellschaftlichen und ökonomischen Folgen dieser Ideologie sind in den endlosen Banken- und Währungskrisen, in den tiefen gesellschaftlichen Verwerfungen unserer Tage zu besichtigen.

Ebenso wenig wie die Deregulierung kann die ausschließlich ökonomische Betrachtung der Dinge zu gedeihlichen Resultaten führen: Was in diesen Diskussionen fehlt, ist vor allem eine Verständigung darüber, welche Anliegen der Gesellschaft etwas "wert" sind, an welchen Leitbildern sie sich orientieren will.

Erschreckend war für mich kürzlich ein Artikel zur Genmaisdebatte in der "Welt" vom 12. Februar 2014: Langfristig wird auch in Deutschland kein Weg am Genmais vorbeiführen. Das ist gut so. Mais wird als Einnahmequelle für die Bauern immer lukrativer. Sie müssen wettbewerbsfähig bleiben, und der Verbraucher will, dass Produkte mit Mais oder aus Mais möglichst billig sind. Kurzum, die ökonomischen Realitäten erfordern Maissorten, die robust und wenig anfällig sind für Schädlinge. Am Ende setzt sich der Markt durch.

Wenn wir Leuten mit einem solchen Wertesystem die Gestaltung der Zukunft überlassen: Dann gute Nacht!

Deregulierung und Ökonomismus werden hoffentlich bald wirklich Auslaufmodelle sein. Ich hoffe, dass sich diese Erkenntnis positiv für den Schutz des historischen Erbes auswirkt; noch mehr hoffe ich, dass sich endlich die Erkenntnis durchsetzt, dass dieses Erbe uns für die Bewältigung von Zukunftsproblemen große Chancen in sich birgt.

Ein paar Beispiele:

  1. Der ethnische Wandel in Bayern wird sich beschleunigen. Schon heute besteht die Bevölkerung vieler Städte und Gemeinden zu einem nicht geringen Teil aus Bürgern, die aufgrund ihres persönlichen, familiären, sozialen, ethnischen, geistigen, religiösen und mentalen Hintergrunds nur durch eine gezielte Vermittlung eine Beziehung zu den baulichen und archäologischen Denkmälern ihres Gastlandes bzw. ihrer neuen Heimat entwickeln können. Es wird darauf ankommen, diesen Mitbürgern den Wert der baulichen und archäologischen Zeugnisse nahe zubringen und sie als Mitstreiter für die Bewahrung des kulturellen Erbes zu gewinnen. Hier liegt eine wichtige integrative Aufgabe der Denkmalpflege! Unter die Leute muss, dass Denkmäler Identität bedeuten. Denkmäler sind Garanten der Identität oder auch Identitäten, Denkmalpflege und Denkmalschutz sind eine Investition in Identität und damit in einen nicht zu unterschätzenden Standortfaktor! Identität und Heimat erhalten: Gegenwärtig stehen in Regensburg etwa 26.000 Gebäude. Davon sind 1.400 Denkmäler, gerade einmal gute fünf Prozent. Wenn diese fünf Prozent fehlten, gäbe es dann Regensburg noch? Heimat besteht aus Raum, Zeit und Kommunikation. Denkmäler erhalten heißt einen Raum zu erhalten und Zeit, Geschichte sichtbar zu erhalten und damit das kollektive Gedächtnis der Gesellschaft zu stützen, das viele Jahrhunderte währt, im Gegensatz zum Familiengedächtnis, das im Normalfall kaum länger zurückreicht als 100 Jahre.

  2. Vor dem Hintergrund der demografischen Entwicklung werden Verfall, Entwertung und Beseitigung vorhandener Bausubstanz (Rückbau) unvermeidbar sein. Der Rückbau wird eher die jüngere Bausubstanz betreffen. Es muss sich die Einsicht durchsetzen, dass die Nutzung vorhandener Bausubstanz Priorität vor der Ausweisung neuer Wohn- und Gewerbegebiete erlangen muss. In diesem Rahmen erhalten die historischen Ortskerne und damit die Denkmalsubstanz, soweit sie noch vorhanden ist, einen neuen Stellenwert. Ich bin ganz sicher, dass Denkmalimmobilien in der Regel werthaltiger sind als andere Immobilien. Ich prophezeie, dass vor dem Hintergrund der demographischen Entwicklung auch Innenbereiche kleinerer und entlegener Städte und Dörfer, und damit die dort verdichtet vorhandenen Denkmäler wieder sehr, sehr attraktiv werden. Glauben wir wirklich, dass die teure Infrastruktur in der Fläche noch bezahlbar sein wird? Glauben wir wirklich, alte Leute wollen in den Siedlungen wohnen, in den Dienstleitungswüsten ohne attraktive ÖPNV-Anbindung, ohne Laden, ohne Briefkasten. Dort, wo das Telefon und der Fernseher die einzig noch verbliebenen so genannten Dienstleistungen sind? Kurze Wege, nahe Nachbarn, erreichbare Dienstleistung, vorhandene Infrastruktur. Diese Qualitäten finden sich in Bereichen mit überdurchschnittlicher Denkmaldichte. Der Verzicht auf Flächenverbrauch wiederum bedeutet neue Chancen für den Erhalt der Bodendenkmäler und der noch einigermaßen intakten Ortsbilder.

  3. Die Denkmalpflege ist ein Vorreiter der Nachhaltigkeit immer gewesen. Sie setzt sich für den Erhalt funktionstüchtiger Bauteile ein und zeigt Methoden auf, wie sich eine Wegwerfgesellschaft sich auf Vorgehensweisen hin bewegen kann, die eher von Reparaturen bestimmt sind und, nebenbei, Unmassen von Bauschutt und dessen Entsorgung vermeiden.

  4. Eine halbe Milliarde Euro werden in Bayern pro Jahr in den Erhalt des baulichen Erbes investiert. In dieser gewaltigen Summe stecken die Aufwendungen der privaten Denkmaleigentümer, der Kirchen, der Kommunen, des Staates für seine eigenen Königsschlösser und Justizpaläste, der Stiftungen und, in einer Größenordnung von nur ca. 5 Prozent, die Zuschüsse des Staates und der Kommunen für Denkmalerhalt. 500 Millionen Euro sind ein mittelständisches Wirtschaftsförderprogramm erster Güte. Am speziellen Beispiel lässt sich zeigen, dass die Aufträge im Denkmalbereich an Firmen gehen, die in einem Umkreis von 50 km ansässig sind. Damit ist Denkmalpflege insbesondere auch eine Förderung der regionalen Wirtschaft.

Jetzt möchte ich noch den im Diskurs zwischen Politik, Wirtschaft und Denkmalschutz ziemlich beherrschenden Komplex der Energiewende beleuchten. Auch hier täte nüchterne Betrachtung und ideologiefreie Faktenbewertung gut.

40 % des weltweiten, das Klima verändernden Kohlendioxid-Ausstoßes werden von Bauwerken verursacht, weitere 10 % ergeben sich aus der Bautätigkeit generell. Die Hälfte des Klimaproblems geht also zu Lasten des Bauwesens. Ferner: 60 % des Müllproblems sind vom Bauschutt verursacht. Daraus folgt: Auf dem Sektor des Bauens, des Wie-Bauens, des Wo-Bauens, des Ob-Bauens und des Nicht-Bauens schlummern gewaltige Potentiale für positive wie negative Veränderungen unser Umweltbedingungen. Der Denkmalschutz und die Denkmalpflege sind, jedenfalls was die Baudenkmalpflege betrifft, ein Aspekt des Bauwesens, nämlich des Nicht-Bauens, des Weiter-Bauens und der Bauschuttvermeidung. Energiesparen und Nachhaltigkeit sind, wie gerade die Denkmalpflege weiß, uralte Werte. Klassische Bauweisen sind energiebewusst.

Energiewende ohne den Blick nach links und rechts ist ein sogenanntes Patentrezept. Ich warne vor allen Arten von Patentrezepten für die Gestaltung der Zukunft und für die Rettung der Welt. Vor hundert Jahren gab es das Patenrezept "Regulierung der Gewässer". Milliarden wurden ausgegeben. Längst stellen die Leute die Frage "wie konnte das passieren" und geben Milliarden für das Gegenteil aus. In den 1960er Jahren gab es das Patenrezept "autogerechte Stadt". Milliarden wurden ausgegeben. Keine 20 Jahre später stellten die Leute die Frage: "wie konnte das passieren" und gaben Milliarden für Verkehrberuhigung und Umgehungsstraßen aus. Um die gleiche Zeit gab es das Patentrezept "Rettung der Landwirtschaft durch Flurbereinigung". Milliarden wurden dafür ausgegeben. Wenig später fragten die Leute nach den verschwundenen Tieren und den verschwundenen Pflanzen; sie fragten, wie es soweit kommen konnte und gaben Milliarden für Artenschutzprogramme aus.

Der Beitrag, den die Baudenkmäler tatsächlich zur solaren Energieerzeugung leisten können, ist marginal: Innerhalb des bayerischen Gesamtgebäudebestandes sind es weniger als 1 % Einzelbaudenkmäler, die für eine Installation von Sonnenkollektoren in Betracht kommen könnten. Lediglich ca. 1,5 % aller baulichen Anlagen sind als Teile von Ensembledenkmälern erfasst. Der Anteil der denkmalgeschützten Kirchenbauten am Gesamtgebäudebestand beträgt 0,1 %. Kombiniert mit der Sonnenergieprognose (Anteil 7 %) zeigt sich, wie verschwindend der Beitrag wäre, den auch eine völlig schrankenlose Nutzung der Dächer von Baudenkmälern zur Lösung der Energieproblematik leisten könnte, nämlich keine 0,2 Prozent. Alles andere ist Ideologie oder Photovoltaiklobby. Gespannt darf man sein, wann die jetzt verwendeten Photovoltaikmodule, weil technologisch veraltet, zu Sondermüll werden. Ich gebe angesichts des technologischen Fortschritts auf diesem Sektor keine zehn Jahre!

Ich warne vor Patentrezepten wie Vollwärmeschutz auf allen Bauwerken, auch auf den besonders kostbaren Denkmälern, weil wir, ganz abgesehen von den ästhetischen Wirkungen, die bauphysikalischen Langzeit- und Nebenwirkungen nicht abschätzen können. Erste und dringende Warnungen sind schon da: Schimmel, Feuchte, Bakterien, Brandgefahr. Energiewende bedeutet vor allem, den Energieverbrauch zu begrenzen, ja zu senken. Das geht aber nicht bloß mit aufwändigen, sozusagen apparatemedizinischen Mitteln, an denen die einschlägige Industrie größtes Interesse hat. Dazu zählen beispielsweise die Volldämmung der Häuser oder alle Arten von High-Tec-Wärmerückgewinnung. Energiewende bedeutet, was viele nicht hören wollen: Wir müssen unsere Lebensweise ändern, auch und gerade in so empfindlichen Bereichen wie der Mobilität. Das kann weh tun.

Für meinen Geschmack werden die Begriffe Nachhaltigkeit und Ressourcenschonung heute inflationär verwendet. Nicht zuletzt verstecken sich dahinter ebenso wie hinter verordneten technischen Standards massive kommerzielle Interessen. Es war wirklich überraschend, wie über Nacht die Atomlobby verschwand und die Energiewendelobby auf den Plan trat.

Die zentrale Fragen im Rahmen der Energiewende sind doch: Können wir uns global die gegenwärtige europäischen und nordamerikanische Lebensweise leisten? Reicht es, nur den Energiebedarf auf andere Weise als bisher zu decken? Ich glaube nein. Wir werden Abschied nehmen müssen vom heutigen uferlosen Bauen und vom Landschaftsverbrauch, wir werden uns vom heute bei uns üblichen Wasserverbrauch, von den Zimmertemperaturen in allen Zimmern und sonstigen Räumen und von der gewohnten Mobilität verabschieden müssen. Und die wichtigste Frage ist doch: Machen die anderen auf dem Globus bei der Energiewende mit?

Was also haben die Denkmalschützer und die Denkmalpfleger im Sinn?

Mit dem Blick auf die kommenden Debatten über die kulturellen Identitäten des Landes, auf die Phänomene der Mobilität, der Migration und der rapid schwindenden traditionellen Milieus, machen wir die in den sichtbaren und unsichtbaren Zeugnissen der Vergangenheit bewahrten ideellen Werte sichtbar und begründen sie. Wir glauben an das Integrationspotential, das in den Denkmälern steckt!

Mit Blick auf die demographische Entwicklung setzen wir uns für die Revitalisierung und Weiterentwicklung der historischen Ortskerne ein. Keine Neubaugebiete, solange Häuser im Ortskern leer stehen! Mit Blick auf die künftige Altersstruktur der Bevölkerung müssen wir Lösungen entwickeln, wie auch Baudenkmäler den Optionen Barrierefreiheit und Mehrgenerationenwohnen entsprechen können.

Mit Blick auf die Sorgen des Mittelstandes weisen wir nach, dass beim Denkmalerhalt gerade die mittelständischen und handwerklich orientierten Betriebe gefragt sind und ein zuverlässiges Standbein finden.

Mit Blick auf die Probleme der Regionen Bayerns arbeiten wir heraus, wie gut gepflegte Baudenkmäler, wohl erhaltene Ortsbilder, archäologische Plätze in einer ästhetischen Landschaft die Attraktivität der Regionen stärken und im Wettbewerb mit den Ballungsräumen ein starkes Gewicht in Waagschale werfen!

Unsere Stadtkerne dürfen nicht zu Freilicht-Museen und Event-Kulissen verkommen!

Denkmalpfleger und Denkmalschützer haben Interesse am regionalen Prinzip, an regionalen Wirtschafts - Kreisläufen. Wenn wir Holzfenster fordern: Solche Fenster stellt nicht eine Fabrik irgendwo in der Welt her; solche Fenster stellt ein Schreiner her, der am Ort oder jedenfalls in der Region arbeitet und der dort die Kenntnis von handwerklicher Technik und vom Material Holz weiter trägt, der dort Lehrlinge ausbildet und Gesellen beschäftigt. Uns in der Denkmalpflege geht es um den Wert der Regionalität, darum, Qualitäten und Spezialitäten in der Region zu erhalten, Standortfaktoren.

Mit Blick auf den Klimawandel und die Knappheit der Rohstoffe tragen wir dazu bei, das Wissen vom nachhaltigen, energiesparenden Bauen unter Verwendung nachwachsender Materialien, wie es unsere Denkmäler speichern, weiterzugeben und nutzbar zu machen. Wir setzen uns für Reparatur statt Abbruch und Neubau ein, wir appellieren, den wahnsinnigen Flächenverbrauch zu stoppen. Wir setzen uns für die Energiewende ein, die sich den Respekt vor unseren Denkmälern und unserer Landschaft bewahrt.

Wir Denkmalschützer sind Umweltschützer der ersten Generation. Wir wissen schon lange, dass wir uns vom immerwährenden Wachstum verabschieden müssen, bei dem übrigens nie gefragt wird, was da wohin wächst. Auch Krebs ist Wachstum. Deswegen setze ich darauf, dass wir uns vom Fetisch des unbegrenzten Wachstums endlich lösen können, mag es sich auch mit vernebelnden Attributen wie qualitativ oder grün schmücken. Die Lehre vom immerwährenden Wachstum ist die schlimmste Irrlehre unserer Zeit. Es gilt, was der Architekt und Historiker Julius Posener schon 1990 gesagt hat, in seinen Erinnerungen (Fast so alt wie das Jahrhundert, Berlin 1990, S. 311 f.) so gesagt hat:

Ein Begriff wie "Wachstum" ist der unzuverlässigste, den es gibt, schon darum, weil es das ad infinitum nicht geben kann. Die Grenzen liegen nahe vor uns, wir stoßen uns an ihnen, wir haben sie auch schon überschritten. Wir wissen das alle, wir wagen auch nicht, es nicht zu wissen; aber wir tun so, als wüssten wir es nicht. Wir leben mit den Begriffen Wachstum, Bruttosozialprodukt, auch ja hervorragend mit dem Begriff Arbeitsplätze, der aber nicht weniger abstrakt geworden ist als die anderen, weil nach der Arbeit, die auf diesen Plätzen verrichtet wird, niemand fragt. Das mag Arbeit sein, welche der Erhaltung der Welt dient, es mag auch Arbeit sein, welche der Zerstörung der Welt dient. Seit es überwältigend deutlich geworden ist, in welchem Maße diese liebe Arbeit, welche die Arbeitsplätze schafft, der Zerstörung der Welt dient, meint man, man könne der Zerstörung steuern, ohne einen Arbeitsplatz zu verlieren. Wollte man aber einen Verantwortlichen fragen, was wichtiger sei, die Erhaltung der Arbeitsplätze oder die Erhaltung der Welt, so würde er die Frage zunächst als irreal ablehnen, wohl wissend, wie entsetzlich real sie ist, und dann erklären, dass man an einen Verlust von Arbeitsplätzen unter gar keinen Umständen denken darf. Man werde, sagt er, ohne es glauben zu können, Wege finden, die die Zerstörung mindern. Darum spricht man auch von der Umwelt, wenn man die Welt meint, die zugrunde geht; denn "Umwelt" macht die Sorge, die uns nicht loslässt, ein weniger niedlicher und damit erträglicher, macht es, mit einem Worte, angenehmer, dieser Sorge ins Gesicht zu sehen, weil man ihr eben nicht ins Gesicht sieht.

Die zentrale Fragen sind doch:

Können wir uns global die gegenwärtige europäische und nordamerikanische Mittel- und Oberschicht-Lebensweise leisten? Eine Lebensweise, die wir uns leisten auf Kosten der Güter und der Schönheit der Schöpfung, auf Kosten der kommenden Generationen und auf Kosten von Millionen, ja Milliarden von Menschen in anderen Ländern und Erdteilen.

Sokrates sagte vor zweieinhalbtausend Jahren:

Genügsamkeit ist natürlicher Reichtum, Luxus ist künstliche Armut.

Diese Erkenntnis, eine scharfe Kritik der Lehre vom Wachstum, wäre eine wichtige Zutat zu einem Rezept für die Zukunft unserer Erde im postmodernen Zeitalter.

Ja, der Sorge um die Umwelt müssen wir ins Gesicht sehen, das muss der Rahmen sein, wenn wir die Zukunft unseres Landes verantwortlich planen.

 Dafür brauchen wir viele Mitstreiter, die öffentlichen Druck aufbauen oder die als Mandatsträger selbst dafür sorgen, das die Politik endlich von reaktivem Handeln, von populistischen Reaktionsmechanismen und lobbyistischer Gefügigkeit und Beliebigkeit wegkommt, sich dazu bekehrt, wieder konzeptionell zu denken, ganzheitlich zu denken, wertbewusst zu denken, auf dieser Grundlage einen berechneten und berechenbaren Kurs zu fahren und so nach ihrem jeweiligen Vermögen dazu beitragen, wirklich dem Gemeinwohl zu diesen: Heute und morgen und auf der ganzen Welt.

Dies ist nur möglich, wenn wir auf das eindimensionale Wachstumsdenken verzichten, wenn wir umdenken und in Kreisläufen denken, in regionalen Wirtschaftskreisläufen, in Produktkreisläufen, in Energiekreisläufen. Bei diesen Kreisläufen spielt das Prinzip des Erhaltens eine entscheidende Rolle.

Die Kultur des Erhaltens muss gleichwertig neben den Kult der Bewegung treten.

Die Kultur des Erhaltens muss Politik werden. Politik des Erhaltens heißt, darauf zu achten, dass Erhaltbares, d. h. Haltbares entwickelt und hergestellt wird. Beispielsweise bedeutet Politik des Erhaltens, dass Häuser und Siedlungen so gebaut werden, dass sie materiell, konstruktiv, funktional und ästhetisch mehr als dreißig Jahre aushalten. Politik des Erhaltens heißt nicht, möglichst schnell und möglichst billig einfallslose, gleichförmige Wohnschachteln mit möglichst vielen gleichen Single-Wohnungen zu bauen.

Im Bereich der Denkmäler ist zu beachten:

Denkmäler wachsen nicht nach wie die Bäume eines Waldes. Wald kann man nachhaltig nutzen, indem man nicht mehr Holz entnimmt als nachwächst. Denkmäler nachhaltig zu nutzen heißt, sie möglichst komplett zu erhalten.

Generell gilt:

Wir müssen deutlich machen, dass Erhalten nicht die Bremse ist, sondern nicht selten der eigentliche Fortschritt! Wenn die Interessen der Ökonomie kurzfristig sind - denken Sie an den berühmten Quartalsabschluss - wenn die Interessen der Politik sich viel zu oft an Wahlperioden oder an Lobbyarbeit orientieren: Im Interesse der Gemeinschaft liegen nur Konzepte, die langfristig über Generationen hin und im globalen Rahmen orientiert sind.

Die ÖDP ist - in meinen Augen übrigens als einzige politische Gruppe - programmatisch auf diesem Wege. "Passau bewegen" schreibt die CSU auf ihre Wahlplakate, bei der ÖDP heißt es "Passau erhalten". Ich hoffe deshalb, dass die ÖDP auf dem Feld der kommunalen Politik weiter an Einfluss gewinnt, ohne sich zu verstricken, nicht nur in Passau, wo ich selbst mit streite, sondern auch in Regensburg.

 

Berching - für Professor Greipl ein déjà-vu-Erlebnis

Sehr geehrter Herr Dr. Robl!

1. Für Ihren entschlossenen Einsatz für Berching und Ihre ausführliche Schilderung der Situation danke ich Ihnen sehr. Ihre Skepsis und Entrüstung kann ich gut verstehen; vieles ist für mich wie ein déjà vu!

Ich teile Ihre Auffassung, dass

  • die opulenten Mittel der Städtebauförderung,

  • Architekturbüros, die sich auf die vorhandenen Qualitäten viel zu wenig einlassen und Standard-Konzepte verkaufen,

  • Kommunalpolitiker, die das historische Erbe zu wenig kennen und denen es nichts bedeutet und die sich aus mangelndem Selbstbewusstsein Unsinn aufschwatzen lassen,

  • der finanziell, personell und im Bereich der gesetzlichen Grundlagen ausgehöhlte staatliche Denkmalschutz (Fachbehörde Bayerisches Landesamt für Denkmalpflege)

  • der oft nicht gesetzeskonforme Vollzug des Denkmalschutzgesetzes
zu einem Problem für den historischen Bestand unserer Altstädte geworden sind. Ihre Beobachtung, dass die Interessen der Altstädte wegen der Zusammensetzung der Gemeinde-/Stadträte seit der Gebietsreform immer weniger präsent sind, ist ein Schlüssel zum Problem.

2. Wissen Sie, ob sich im Fall Berching das Bayerische Landesamt für Denkmalpflege gutachtlich geäußert hat? War der Landesdenkmalrat beteiligt? Liegt die bau- und denkmalrechtliche Genehmigung der Maßnahme durch das Landratsamt Neumarkt schon vor? Immerhin geht es um Bodeneingriffe und Veränderungen von Denkmälern und des Ensembles bzw. die Errichtung von baulichen Anlagen in der Nähe von Denkmälern und des Ensembles.

3. Nach meiner Erfahrung werden Sie Erfolg erzielen, wenn sich möglichst viele Bürger möglichst laut und deutlich äußern.

Mit freundlichen Grüßen

Ihr Egon Johannes Greipl

 

Interview mit der Bayerischen Staatszeitung von 2012

Es fehlt der politische Wille

Bayerns oberster Denkmalschützer Egon Johannes Greipl über das Denkmalsterben im Freistaat, den tobenden Streit um den Münchner Konzertsaal und lästige Investoren.

Seit Jahrzehnten kämpft er um den Erhalt von Denkmälern und historischen Kulturlandschaften. Seiner Entrüstung und Wut lässt Egon Johannes Greipl, Generalkonservator vom Bayerischen Landesamt für Denkmalpflege, dabei gerne freien Lauf. Ob bayerische Dörfer, Energiewende oder neuer Konzertsaal in München – der 63-Jährige hat das historische Erbe Bayerns stets fest im Blick.

BSZ: Professor Greipl, gibt es in Bayern ein Denkmalsterben?

Greipl: Der Schwund und die Bedrohung sind in der Tat gewaltig. Im Freistaat gibt es rund 120 000 Baudenkmäler, von denen 3000 akut gefährdet sind. Da geht es nicht um Kirchen oder Schlösser, sondern um die Zeugnisse des Lebens der einfacheren Leute, unserer Vorfahren. Es geht um Bauern-, Handwerker- und Bürgerhäuser.

BSZ: Verlieren die bayerischen Dörfer dadurch allmählich ihr Gesicht?

Greipl: Sie haben es zum größten Teil schon verloren. Ganze Hauslandschaften sind verschwunden, sie existieren nur mehr in unserer Erinnerung, auf Fotos, in Museen und in der Fachliteratur. Der Verlust von gebauter Geschichte ist unübersehbar. Aber mein Eindruck ist: Dafür interessiert sich keiner so richtig!

BSZ: Was können Sie tun?

Greipl: Wir kämpfen überzeugt und hart jeden Tag um jedes Denkmal. Wir wollen die Leute gewinnen! Wir verweisen seit Jahrzehnten geradezu gebetsmühlenartig auf den materiellen und immateriellen Wert der gefährdeten Denkmäler und Ortsbilder. Und wir fordern ebenso gebetsmühlenartig die unverzichtbaren finanziellen Grundlagen. Um das, was von der Vergangenheit, insbesondere in Dorf und Region noch da ist, zu halten, benötigen die Denkmäler finanzielle Anreize und einen ressortübergreifenden politischen Ansatz.

BSZ: Es sind also in erster Linie finanzielle Interessen, die dem Denkmalschutz entgegenstehen?

Greipl: Nein, vor allem ist es der fehlende politische Wille. Geld ist doch da! Die Frage ist, wofür man es einsetzt. Schaut man sich die Entwicklung der für den Denkmalschutz seit 1990 bereitgestellten Mittel an, kann man nur zu einem Urteil kommen: Es ist erbärmlich! Und es geht so weiter! Im aktuellen Nachtragshaushalt wurden alle möglichen Projekte bedacht; der Erhalt des historischen Erbes aber nicht. Ich frage: Ist der Erhalt des historischen Erbes, der Baudenkmäler, der Bodendenkmäler, der historischen Kulturlandschaften überhaupt noch ein wichtiges Staatsziel?

BSZ: Vor allem in der Ära Stoiber wurden die Mittel für den Denkmalschutz also stark gekürzt?

Greipl: Ich möchte das gar nicht an einer bestimmten Person festmachen. Auch in Bayern hatte sich die Grundhaltung des Ökonomismus breitgemacht. Man glaubte, für alle Fragen böte das Instrumentarium der Ökonomie und des Marktes den passenden Schlüssel. Über Werte wurde dabei viel zu wenig diskutiert. Dazu trat das Allheilmittel der Deregulierung. Staatliche Regeln stellte man unter den Generalverdacht, jede Entwicklung zu bremsen. Der Neo-Liberalismus ist die entscheidende Fehlentwicklung gewesen. Mit einer wertkonservativen Haltung hatte das nichts mehr zu tun. Dass ausgerechnet die Schwarzen so flott auf dem Schiff des Neoliberalismus gefahren sind, hat mich gewundert.

BSZ: Man sieht Sie als Bremser der wirtschaftlichen Entwicklung?

Greipl: Dieser Vorwurf wird immer wieder aus der Mottenkiste geholt. Der Vorwurf ist eine Denunziation des historischen Erbes. Über 28 Millionen Touristen kommen jährlich nach Bayern. Würden die kommen, wenn es keine Denkmäler gäbe, Ortsbilder und Landschaften von historischer Bedeutung?

BSZ: Und deshalb wollen Investoren beispielsweise ein historisches Gut in ein modernes Hotel umwandeln. Können Sie da was tun?

Greipl: Wir helfen, dass die Geschichte und die Substanz des alten Hauses in der neuen Nutzung weiterlebt. Dazu muss sich der Bauherr auf das Denkmal einlassen und nicht drohen: Geht es nicht nach unseren Vorstellungen, geht es überhaupt nicht. Bei solchen Drohungen kriegen die Gemeinderäte oft volle Hosen, statt sich solche Drohungen zu verbitten.

BSZ: Das klingt frustrierend, gibt es auch Erfolgserlebnisse in Ihrem Job?

Greipl: Ein Frustrierter kämpft doch nicht! Ich kämpfe, ich denke aber über vieles nach und erlaube mir aus der Begeisterung für unser Land und seine geschichtlichen Zeugnisse gelegentlich Entrüstung und Wut. Erfolgserlebnisse gibt es Gott sei Dank nicht selten. Zum Beispiel war der Abbruch der alten Mainbrücke in Ochsenfurt, die in wesentlichen Teilen aus dem Mittelalter stammt, schon abgesegnet. Wir haben ihr Schicksal zum Guten wenden können. Die Reparatur wird sogar billiger als die Beseitigung und der Neubau. Das meiste geht, man muss nur wollen. Und man muss an schwierige Probleme intelligent herangehen statt mit vorgefertigten Konzepten und Meinungen.

BSZ: Apropos vorgefertigte Meinung: In der Diskussion um einen neuen Konzertsaal an der Stelle der alten Kongresshalle in München war OB Udes erste Reaktion sinngemäß: Weg mit dem alten Nazi-Bau.

Greipl: Ja, auch hier wurden einige altbekannte Keulen aus der Mottenkiste geholt. Abgesehen davon, dass der Kongresssaal gar keine Nazi-Architektur ist, gilt: Auch NS-Bauten sind wichtige Zeugnisse – wenn auch für Verführung und Schuld, für Versagen und Verbrechen. Die zweite Keule war: Der Bau ist scheußlich und verwahrlost, er muss deshalb weg. Aber: Nicht das Gebäude ist eine Schande. Die Schande ist, dass man zugesehen hat, wie einer der monumentalsten Bauten an einer der städtebaulich wichtigsten und schönsten Stellen Münchens verkommt.

BSZ: Man lässt ein Gebäude also so lange verkommen, bis man es nur noch abreißen kann?

Greipl: Natürlich. Man spart sich Geld und hofft, dass irgendwann jemand sagt: Das gehört schon lange weg. Im Falle der Kongresshalle passiert jetzt aber etwas Vernünftiges. Mit der Machbarkeitsstudie wird die ganze Debatte auf eine rationale und fachliche Ebene gehoben. Und sollte das Ergebnis der Studie sein, dass das Projekt „machbar“ ist, werden wir jede Lösung mittragen, die den historischen Bestand garantiert.

BSZ: Große Sorgen bereitet Ihnen auch die Energiewende. Warum?

Greipl: Natürlich bin ich für die Energiewende – und das schon immer. Ich setze mich aber dafür ein, dass andere Werte dabei nicht unter die (Wind-)Räder kommen. Die Interessenkonflikte entzünden sich an Fragen, ob es Großwindanlagen in eindeutigen historischen Kulturlandschaften braucht. Oder Photovoltaikanlagen auf Kirchendächern. Dass Belange zum Schutz von Baudenkmälern und historischen Kulturlandschaften nicht von Anfang in die Planungen der Energiewende eingeflossen sind, halte ich für ein schweres Versäumnis. Die fortschreitende Verunstaltung und Zerstörung unserer Landschaften ist unübersehbar.

 

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