18. Oktober 2014:

"Das ISEK Berching ist doch preisgekrönt!"

Eine kleine Lektion darin, wie Lobbyismus Bürger und Mandatsträger zu beeinflussen versucht

"Berchings Integriertes Stadtentwicklungsprojekt, zur Belebung der Innenstadt, hat einen mit 5000 Euro dotierten Preis bekommen... Berching hat für sein Integriertes Stadtentwicklungskonzept eine Anerkennungsurkunde bekommen. Bürgermeister Ludwig Eisenreich und Bauamtsleiter Wolfgang Strobl haben sie in Quedlinburg anlässlich eines Kongresses städtebaulicher Denkmalschutz von Bundesbauminister Peter Ramsauer entgegen genommen..."

So liest man in einem Artikel des Neumarkter Tagblattes aus dem Jahr 2013.

Klingt doch beeindruckend: Berchings ISEK preisgekrönt!

Zu den Hintergründen:

Die Bau-Beton-Steine-Energie-Lobby in Deutschland ist stark, sehr stark sogar. Wenn sie durchsetzen will, was Widerstände im Volk hervorrufen könnte, dann greift sie ein wenig in die Tasche, sponsert Kongresse und lobt "Preise für Stadtentwicklung" aus. Es geht dabei um die Generierung von Werbung der besonders seriös wirkenden Art - zur Beeindruckung der "Endkonsumenten". Natürlich bedarf es dazu eines "wissenschaftlichen Konsenses" und entsprechender Veranstaltungs-Plattformen, wo das Ganze diskutiert und verbreitet wird. In eigens veranstalteten Kongressen sitzen V-Leute aus Politik und Wissenschaft, diese veranstalten dann nicht selten einen sogenannten "Wettbewerb", und aus diesem gehen dann die gewünschten "Preisträger" hervor.

Natürlich nicht ein oder zwei Preisträger pro Wettbewerb, sondern viele, denn sonst hätte ein solches Verfahren keinen Sinn. Und wenn es auf diesen Jahrmärkten der wissenschaftlichen Eitelkeiten schon nicht genügend erste Preise geben kann, dann muss es auf jeden Fall zusätzlich viele Trostpreise geben - nach dem Motto: Fast jedes Los gewinnt!

Titelblatt

Aber allzuviel Arbeit darf die Wettbewerbs-Prozedur auch nicht machen, deshalb schenkt man sich üblicherweise, dicke Mappen durchzustudieren, und veranstaltet lieber sogenannte "Poster-Wettbewerbe". Jedes angemeldete Projekt besteht da nur aus einem oder mehreren Plakaten - und die kann die Jury dann quasi im Vorübergehen beurteilen und ihren Sermon dazu abgeben.

So geschehen bei einem Bundeswettbewerb zum Programm "Städtebaulicher Denkmalschutz - Historische Stadtkerne, integriert denken und handeln" (Beginn 30. August 2012), bei dem die Stadt Berching alias das Planungsbüro Schober einer der Mitbewerber war. Auslober war das Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung, in Zusammenarbeit mit den Ländern, den kommunalen Spitzenverbänden sowie der Vereinigung der Landesdenkmalpfleger in der Bundesrepublik Deutschland.

Wir zitieren hier aus einem Geheft, das anschließend erschien und Informationen zu allen Preisträgern enthält. Es kann als PDF-Datei im Internet frei heruntergeladen werden. Achtung: Ein Ausdruck lohnt sich in keiner Weise, die Lektüre für den kritischen Beobachter allemal. [Link]

Fassen wir kurz zusammen:

Die abschließende Jurysitzung fand am 3. Juni 2013 anlässlich eines Städtebaukongresses am Hauptort des bundesdeutschen Lobbyismus, in Berlin statt; die 12köpfige Jury umfasste Leute aus Ministerien, Länderbehörden, Universitäten, Hochschulen und privaten Architekturbüros, d. h. ausnahmlos aus Leuten, die beruflich mit dem Bauen befasst sind bzw. von Bauen leben! Ihre Namen tun hier nichts zur Sache.

Diesem Bollwerk standen quasi als Feigenblatt lediglich zwei Vertreter des Denkmalschutzes in Hessen und Sachsen gegenüber. Die beiden Leute, die berufsmäßig eher auf das Bewahren und Pflegen historischer Substanz ausgerichtet sind, hatten also bei den Jury-Entscheidungen gerade mal einen Stimmenanteil von 16 Prozent und waren deshalb, selbst wenn sie aktiv den Denkmalsschutz vertreten haben sollten (was auch nicht sicher ist), in einer hoffnungslosen Unterzahl. Und das zu ihrem ureigenen Thema "Städtbaulicher Denkmalschutz"!

So geht es also inzwischen zu in der Bundesrepublik Deutschland: Der Denkmalschutz bereits fest in den Händen der bauenden und abreissenden Gegenpartei! Analogien zu Berching drängen sich auf!

Das genannte Zahlenverhältnis besagt eigentlich alles, und man könnte an dieser Stelle bereits abbrechen.

Fahren wir dennoch fort:

Die 76 eingereichten Poster, bestehend aus jeweils 3 Einzelblättern, müssen so "exzellent" gewesen sein, dass sie sage und schreibe 24 Gewinner in zwei Kategorien hervorbrachten, also "Einser" und "Zweier-Noten" in einer Quote von 32 Prozent!

Früher hätten unsere alten Lehrer gesagt: "An dieser Quote kann irgendetwas nicht stimmen!" und hätten die Schulaufgaben wieder eingezogen. Aber die Zeiten haben sich geändert; es scheint sich inzwischen ungeheure Intelligenz in unserem Land ausgebreitet zu haben!

Einige Städte gingen allerdings 2013 auch leer aus, sie wurden aber ehrend in Wort und Bild erwähnt und kommen dann mit einiger Wahrscheinlichkeit in den Folgejahren als "Preisträger" dran.

Nun stellt sich allerdings heraus, dass das ISEK Berching gar keine sogenannte "Auszeichnung", also die "Note 1" erhielt, sondern mit 12 anderen Mitbewerbern nur eine sogenannte "Anerkennung", d. h. eine Art Trostpreis. Immerhin brachte das immer noch 5000 € ausgelobtes Preisgeld - und das für drei Blätter Papier!

Sehen wir uns nun auf den Seiten 42 und 43 den Berchinger Part an:

Die Jury "würdigte den umfassenden Ansatz und die kontinuierlich hohe Planungskultur in Berching" und meinte am Ende: "Auch nach 40 Jahren Stadterneuerung läßt Berching in seinem Engagement nicht nach!" (O-Ton)

Die "40 Jahre Stadterneuerung" bringen uns ins Grübeln: Irgendetwas müssen wir in den letzten Jahren offensichtlich versäumt haben! [Link]

Im Weiteren finden sich einige belanglose Bildchen zu Berching, unter anderem das Bild "I (Herz) Berching", dann ein Privatgarten an der südlichen Stadtmauer, der nun mal mit Stadtentwicklung nicht das Geringste zu tun hat, unsere St.-Lorenz-Straße und das frisch renovierte Klenner-Haus. In welchem Sinnzusammenhang, erschließt sich dem Leser vorderhand nicht!

Aussagekräftiger ist aber ein eingereichter Plan von Berching, den wir dem Leser nicht vorenthalten wollen. Hier die Original-Abbildung, dazu im Vergleich ein Google-Satellitenbild. Wir bitten den Leser, den Plan genau zu studieren!

Nanu - da kann doch etwas nicht stimmen!

  • Betrachten wir das stattliche Streuobst-Biotop zwischen ehemaligem Franziskaner-Kloster und der Weststadt! Statt der ausgewiesenen 22 Bäume stehen doch heute dort nur noch max. 9 Bäume verloren herum, und diese noch dazu reichlich verkümmert und ausgewachsen. Von Zone oder Biotop kann also keine Rede sein.

  • Das Gleiche gilt für die Streuobstzone nördlich des Gredinger Tors. Der Plan zeigt hier 9 Bäume, wir haben gerade mal einen kümmerlichen Rest von 3 Bäumen gezählt!

  • Oder werfen wir einen Blick auf den mit einem Minus versehenen Parkplatz direkt an der Lände des Ludwig-Kanals. Den gibt es dort gar nicht; in Wirklichkeit liegt er deutlich weiter im Westen.

  • Und auch der Baumbestand östlich der Vorstadtmauer stimmt nicht!

Man hat also in dem Plan kräftig geschummelt!

Dazu finden sich viele Plus- und Minus-Symbole, Querstriche und Ringlein, die offensicthlich üble Abschnitte, und gepunktelte Linien, die Verkehrswege darstellen sollen, dazu Schlangenlinien u. v. a. m. Eben all das, was ein modernes Computer-Malprogramm problemlos binnen weniger Minuten hergibt!

Besonders eigenartig ist die Verteilung der Plus- und Minuszonen, d. h. der Stärken und Schwächen Berchings!

  • Parkplätze haben dem Planzeichner generell nicht gefallen. Also alles Minus! Der Wohnmobilstandplatz und der Kiosk an der Lände des großen Kanals ist vielleicht das einzig gelungene Moderne in Berching, es soll eine Minuszone sein?

  • Und dann drei Viertel der West- und vier Fünftel der Oststadt ebenfalls im Minus? In letzterer befindet sich unser eigenes, komplett saniertes und denkmalschützerisch renoviertes Praxis-Wohn-Anwesen mit ehemaligem Obstgarten!

Am Ende schüttelt man bei diesem Plan nur noch den Kopf:

Zum Teil gefälscht, zum Teil oberflächlich bekritzelt - dieser Entwurf soll eine Prämie von 5000 € wert sein?!?

Interessanterweise liest man in der dazugehörigen Kurzbeschreibung des ISEK-Progamms kein Wort von Umgestaltung der Grüngürtel, nur von anderen Dingen, die zum großen Teil noch gar nicht verwirklicht sind. Insbesondere der Kuffer-Park, dessen wertvolle Strukturen gerade zu der Zeit, zu der dieser Artikel entsteht, um einer unpassenden ISEK-Freizeit-Szenerie willen mitwillig zerstört werden, ist in dem Plan eine jungfräulich unberührt gebliebene, weder mit einem Minus noch mit einem Plus behaftete Zone!

Gerade in Bezug auf den Kuffer-Park, aber auch auf den Schaidl-Garten scheint man also der Jury entscheidende Information vorenthalten zu haben! Absicht oder Zufall? Wir denken: Am ehesten Schlamperei!

So sieht die Grundlage für einen Bundespreis aus, den das Architekturbüro Schober für die Stadt Berching gewonnen hat: Eine läppisch gezeichneter und obendrein gezinkter Entwurf!

Es ist offenkundig: Hier soll etwas unter die Leute als "preiswürdig" gebracht werden, was unsere alten Lehrer wegen Schummelns und Abkupferns mit der "Note 6" bewertet hätten! Und uns dafür die Ohren lang gezogen hätten!

"O tempora o mores - Oh Zeiten, oh Sitten!"

Liebe Berchinger/-innen, hütet Euch! Es bleibt nichts unversucht, um Euch in Bezug auf die Altstadt über den Tisch zu ziehen! Um hinterher Berching im Auftrag der Lobby so umzugestalten zu können, dass ihr es kaum mehr erkennt!

Hoffentlich stimmt, was der amerikanische Präsident Abraham Lincoln einst so treffend gesagt hat:

"Man kann das ganze Volk eine Zeit lang täuschen und man kann einen Teil des Volkes die ganze Zeit täuschen, aber man kann nicht das ganze Volk die ganze Zeit täuschen!"

Zu Abschluss - und weil's gar so schön ist - noch einige der sinnentleerten Plattitüden und Gemeinplätze, mit denen die Jury zu anderen Projekten in Deutschland Stellung bezogen hat. Sie sind im Original als groß gedruckte Leitsätze zu lesen:

"Die konzeptionelle Stärke des Beitrages liegt im Denken über Ländergrenzen hinweg."
"Es ist erstaunlich, wie man es schafft, eine Baulücke in der Altstadt durch ein neues Gebäude zu einem Schaufenster der Energieeffizienz zu machen."
"Es ist beeindruckend, wie stringent die Handlungsstrategien umgesetzt werden."
"I. zeigt, dass sich Kontinuität langfristig auszahlt."
"Bei der Frage nach vorbildlicher Stadtentwicklung kommt man an N. nicht vorbei."
"Die Kleinstadt liefert ein vorbildliches Beispiel für einen Do-it-yourself-Ansatz."
"Die energetische Sanierung wird zum Inkubator für einen umfassenden Entwicklungsprozess."
"G. zeigt, dass auch der minimale Ansatz eine Strategie sein kann."

Und zwei echte Hämmer am Schluss:

"Hier zeigt sich die Effektivität der Effizienz."

Und:

"Die historische Substanz ist es wert, dass man sich intensiv mit ihr auseinandersetzt."

Wow! Im Kontrast dazu stehen viele der ausgewiesenen Projekte:

Hier werden mit wenigen Ausnahmen nicht Denkmale geschützt, sondern nach Kräften an den historischen Städten herumgerissen und herumgebaut - genauso wie jetzt in Berching! Wie gesagt: auftragsgemäß!

In einer Komödie des Schauspielers, Dichters und Satirikers Curt Goetz sagte einst der berühmte Dr. Hiob Prätorius:

"Und die Errungenschaften der Wissenschaft haben wir zu keinem anderen Zwecke errungen, als um alles Errungene zu zertrümmern! Das ist die Welt von heute! Aber kann sich das morgen nicht ändern?

Löwenhook entdeckte die Mikrobe im Wassertropfen, Pasteur den Erreger der Tollwut, Roux und Grasse kämpften erfolgreich gegen die Malaria. Und nach dem Gesetz, dass ein Mittel gegen eine Krankheit immer dann gefunden wird, wenn diese Krankheit ihren Höhepunkt erreicht hat, wenn sie schier unerträglich geworden ist, nach diesem Gesetz muss heute oder morgen die Mikrobe der menschlichen Dummheit gefunden werden...

Und wenn es gelingt, ein Serum gegen die Dummheit zu finden, diese entsetzlichste aller ansteckenden Krankheiten, dann wird es im Nu keine Kriege mehr geben, und an die Stelle der internationalen Diplomatie wird der gesunde Menschenverstand treten..."

Geben wir die Hoffnung nicht auf!

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